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Laufberichte

Trans Gran Canaria - wo andere Urlaub machen

05.03.10

Die Maschine setzt auf. Aus dem Lautsprecher schallt die Stimme der Stewardess:  "… wünschen Ihnen einen angenehmen Urlaubsaufenthalt."  Den werde ich haben.  "Da kannst du drauf wetten!".

Was mich von den Sitznachbarn vor und hinter mir jedoch unterscheidet, ist, dass diese der Liege am Hotel-Pool entgegenfiebern, während ich schon meine Laufschuhe für die kommende Nacht trage. Mein Fieber nennt sich "Trans Gran Canaria". Ein 123km langer Ultramarathon, diagonal über eine der beliebtesten Urlaubsinseln der Deutschen. Und es gibt nur eine Medizin dagegen: Ihn laufen.
Knapp 4800 Höhenmeter, feinster Trail, schwieriger Untergrund und als Belohnung idyllische Landschaftsbilder fernab aller Hotels, Bars und Strände erwarten mich. Eine ganz andere Begegnung mit dieser Insel, die neben den touristisch erschlossenen Küstengebieten und Bettenburgen doch so viel mehr zu bieten hat: Berge, Schluchten, Wälder und Trails im Landesinneren.

Vom Flughafen aus machen wir - Markus, Rudi, Babsi und ich - uns direkt auf den Weg zum Organisations-Büro in Las Palmas um die Startunterlagen abzuholen. Nach der Überprüfung der Pflichtausrüstung gilt es nur noch, sich zu entspannen, bis schließlich gegen 22:30 Uhr die Teilnehmer per Bus nach Maspalomas in den Süden der Insel zum Start verfrachtet werden. Von hier aus wird ab Mitternacht, mit ein paar Umwegen durch die zentrale Berglandschaft, zurück in den Norden nach Las Palmas gelaufen, wo das Ziel ist. Das Zeitlimit beträgt 30 Stunden.

Feuer, Erde, Wasser, Luft

Essen, vorschlafen, packen. Gegen Mitternacht ist es dann endlich soweit. Die zweite Nacht in Folge mit max. 3 Stunden Schlaf, und man sieht es uns deutlich an. Später wird Rudi daheim beim Bäcker auf ein Foto von uns in der Zeitung angesprochen: "Wie müde Sie im Ziel aussehen!" - Das Foto war vom Start (!) 

Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer ist Spanischer Herkunft. Ein überschaubares Grüppchen Deutscher Teilnehmer ist auch dabei; die üblichen Verdächtigen Heike, Gerald, Ewald, Georg sind treffen wir noch kurz vor Zwölf.
Der nächtliche Start am Strand, dem Playa del Ingles ist spektakulär. Vangelis (?), kleines Feuerwerk und los geht's: Hunderte von Stirnlampen, Stöcken und Rucksäcken setzen sich unter lautem Kriegsgeheul und aufgeregtem, spanischen Wortwechsel in Bewegung. Einige der Teilnehmer tragen Gamaschen gegen den Sand und Staub in den Schuhen, andere laufen wie wir sehr nah am Wasser, weil hier der Untergrund fest und gut zu laufen ist.

Rudi, Markus und ich wollen die ersten Kilometer zusammen bleiben und finden mit unserem Schlachtruf "Malaga" - "Malaga" - "Malaga" auch im dichten Gedränge immer wieder zueinander. Wer die DVD vom 2007er Ultra Trail du Mont Blanc gesehen hat, kennt die Geschichte: Am Start wird ein Trio aus Malaga gezeigt, welches lautstark seinen Patriotismus in die Kamera schreit: Sie kommen aus "Malaga, Malaga, Malaga". Am Ende des Rennens humpeln sie mit offenen Füssen, kriechen fast auf allen Vieren ins Ziel. Ein Bild des Jammers! Markus hat 2008 beim UTMB eben dieses Trio am Start wieder gesehen; jeder hat sie mit einem 3-fachen "Malaga" begrüsst. Wer den Schaden hat... Für uns ist es das geflügelte Wort für "Stark starten und leidend finishen". Galgenhumor!  Außerdem, so unser Plan, sollte wir wider erwarten das Rennen abbrechen müssen, würden die anderen Läufer in uns einen Malagesen sehen und abschreiben.

Nach rund 4km am Strand entlang das erste Hindernis: Eine Furt mit knietiefem Salzwasser zwingt uns erstmalig Schuhe und Strümpfe auszuziehen, denn wer will schon mit nassen Füssen weitere 120km laufen?

Wenige hundert Meter später geht es hinter den Dünen in Richtung Norden landeinwärts durch ein Flussbett. Leider hatten die Veranstalter in diesem Jahr vergessen das Wasser abzulassen! Außerdem geht es nicht bloß quer durch einen Fluss, sondern gefühlte 5-6km flussaufwärts mitten durchs knöchel- bis knietiefes Wasser.  Ich bin froh, dass mir meine Salomon XA Pro 3D Ultra GTX auf dem steinigen und zugleich rutschigen Untergrund, wie auch später in den Bergen, die notwendige Trittsicherheit geben. Trail heißt eben auch, sich im Vorfeld mit den Gegebenheiten und der entsprechenden Ausrüstung zu beschäftigen.

Es dauert eine Weile bis ich einsehe, dass man nicht von Stein zu Stein hüpfen kann - zu langwierig. Also rein ins Wasser. Mittendurch und zwar zügig, denn die vor uns laufenden roten Rücklichter werden immer weniger. Wir verlieren den Anschluss.

Die Wasserspiele mögen beginnen. Rudi fällt gar einmal längs auf den Rücken (komplett nass!), doch unsere Aufholjagt wird belohnt: Im darauf folgenden ersten Anstieg überholen wir wieder gut 50-60 Läufer. Den ersten Verpflegungspunkt erreichen wir bei Kilometer 20. Wasser aus einem Militär-Tanklasthänger fassen, Flaschen auffüllen und Socken auswringen. Die Füße sehen jetzt schon aus wie "Tatort Wasserleiche" - Heidewitzka!

Camel-Trophy zu Fuß

Angekündigt sind laut Homepage des Veranstalters 80% Fußpfade, 17% Tracks und 3% Straße, die die Läufer durch "magical spots of the island of Gran Canaria" führen sollen. Und tatsächlich, nach der nächtlichen Durchquerung einer Art Schilf- und Bambus-Dschungels, wie man ihn von den Camel-Trophys aus den 70ern kennt, gewinnen wir rasch an Höhe und genießen den Sonnenaufgang in den Bergen. Die Sonne erhellt das vor uns liegende Tal und malt die Bergspitzen rundum orange an. Dazu endlich mal ein laufbarer Weg. Ich könnte heulen, so schön ist das!

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