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Laufberichte

Vom Gipfeltreffen der Sammler

31.12.08
Autor: Joe Kelbel

Am Rande des Odenwaldes liegt die kleine Gemeinde Hemsbach, die gemessen an der Einwohnerzahl, statistisch gesehen, die höchste Anzahl gelaufener Marathons  pro Einwohner in ganz Deutschland aufweist.

Zu verdanken ist diese Spitzenstellung den Läufern des LT Hemsbach. Diese Marathonsammler sind jedes Wochenende auf Marathonveranstaltungen in ganz Deutschland unterwegs, aus Spaß am Laufen und um nebenbei den Rekord zu halten.

Wer sammelt, der tauscht auch mal gern. Darum bietet der LT Hemsbach am letzten Tag des Jahres ein seltenes Filetstückchen an: den 1. Hemsbacher- Hardcore-Marathon.

In der Ausschreibung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich das Tauschangebot ausschließlich „an die erfahrenen und gestandenen "Hardliner" aus der Marathon- und Ultraszene“ richtet. „Auf der 42,195 km langen Strecke gilt es nämlich nicht nur fast 1.200 Höhenmeter zu überwinden, sondern es kann - jahreszeitlich bedingt - auch zu heftigen Schnee- oder Graupelschauern kommen. In einem solchen Fall stellt der schwere und rutschige Untergrund zusätzliche Anforderungen an die Aktiven dar.“

Damit sich nicht doch noch ein Hobbyläufer  unter das verrückte Völkchen mischt, wird ein Qualifikationsnachweis gefordert und die Teilnehmerzahl auf 25 beschränkt. Warmduscher werden auch des Feldes verwiesen: „ Achtung, keine Duschgelegenheit an der Förster-Braun-Hütte! Für die ‚echten’ Hardliner steht aber erfrischend kaltes Wasser aus dem Hahn zur Verfügung “ und abgesagt wird der Lauf nur bei kniehohem Schnee.

Kniehohen Schnee gab es an diesem Mittwochmorgen wenigstens in Hemsbach nicht, und die Eiseskälte hindert uns erst recht nicht, rechzeitig vor 9 Uhr am Start inmitten des Odenwaldes, bei der Förster-Braun-Hütte anzutreten.

Die Ultraszene, vertreten mit 23 Läufern (leider blieben die Transeuropaläuferin Elke Streicher mit ihrer Laufkameradin Kathrin und der frisch gebackene Weltmeister im 10fach Triathlon Marcel Heinig wegen Glatteis zuhause) ist unter sich. Fast alle haben weit über 100 Marathons und Ultraläufe absolviert.Man tauscht sich frierend seine neuesten Heldentaten aus und wartet zitternd auf den Start.

Bernhard Hertinger (über 150 Marathons) gibt kurze Einweisung und los gehts. Gleich bergauf, schließlich sind 1190 Höhenmeter zu überwinden, in 4  9-km-Runden plus einer abschließenden Schleife von 6,2 km.

Schon nach einem km ist das Läuferfeld weit auseinandergezogen. Jeder hat seinen eigenen Laufstil. Ich lasse Sascha und Brigitte, die heute im Glückbringer-Outfit  laufen, hinter mir und schließe bald zu Bernhard Sesterheim auf. Er kommt soeben von der Martinique-Durchquerung zurück und erzählt von seinen, durch Sand-und Flußdurchquerung in den tropischen Urwäldern der Insel zu Frikadellen degradierten Füßen. Seinen Bericht könnt  ihr demnächst hier auf marathon4you.de lesen, sobald er seine Koffer ausgepackt hat.

Zweimal treffe ich Michael aus Köln, der beim Dicke-Tönnes-Marathon am 20.12. krank war und glücklich ist, hier noch einen Bergmarathon machen zu können. Dietmar, den man mehrmals im Jahr bei Läufen antreffen kann, kommt mir auf dem kleinen Stück, welches zur und von der Hütte führt,  entgegen. Auch heute ist er schnell.

Eine Zeitlang laufe ich mit Gerald, der auch schon weit mehr als 100 Marathons gesammelt hat. Was er sich Energie beim Bergauflaufen spart, holt er an Zeit beim Bergablaufen wieder ein. So laufen wir Kilometer um Kilometer jojomäßig und treffen uns immer wieder.

Dann holt mich Andrea ein. Ihre Lieblingsläufe sind  Cross, Ultras und Trails am Bärenfels.
Sie ist so ein Läuferfreak, daß sie im Sommer beim Hemsbacher Waldmarathon geheiratet hat. Klar, dass ihr frischgebackener Ehemann Robert ihr zu Weihnachten diesen Hardcore-Marathon schenkte. Was ihn aber nicht hinderte, ihr heute davonzulaufen.

So vergehen die ersten zwei Runden und man trifft selten noch einen Läufer.

Die Wege sind hart gefroren, durch Baumfällarbeiten uneben, mit Ästen und Steinen versehen. Die Strecke ist immer ansteigend oder absteigend, nie eben, dazu kurvenreich und unübersichtlich. An meinen Haare haben sich (Schw)eiszapfen gebildet und peitschen mir bei jedem Schritt in den Nacken: „Weiter,weiter,weiter...“

Wie beim Untertagemarathon kämpft man einzelne Meter ab und ein einziger Kilometer kommt einem ewig lang vor. Ich kann nicht sagen, ob es hoch zum Kreuzberg oder wieder abwärts geht, weil jeder Anstieg mit Aufstiegen und jeder Aufstieg mit Abstiegen durchsetzt ist. Die Orientierung fällt schwer, mal kommt die Sonne von links, mal von rechts. Auf den Kilometerschildern stehen 4 bis 5 Angaben, je nachdem in welcher Runde man sich befindet.
Aber in welcher Runde befinde ich mich?

In einer Runde übersehe ich einen Stock und falle hin. Doch in welcher?

Eine Spaziergängerin kommt mir entgegen und fragt mich im tiefen Dialekt, ob dies der Weg zur Förster-Braun Hütte sei. Bei mir im Kopf rattert es wie in einer alten Registrierkasse, nachdem ich die Frage innerlich übersetzt hatte. Ich wollte schon sagen: „Gute Frau, da haben sie heute aber Glück, die Hütte kenn ich, da bin ich schon...äh ja wie oft eigentlich vorbei?“ Und wie oft muss ich dort noch vorbei? Und welche Richtung ist der kürzere Weg in der Runde, in Laufrichtung oder zurück? Und welche ist die einfachere Richtung? Hoch oder runter? Aber wo ist mehr hoch, wo ist mehr runter?  Ich bin total überfordert, kann ihr doch schlecht sagen, sie solle mit mir laufen. Ich habe sie irgendwohin in die Wüste geschickt. Arme Frau.

Als mir erst Heiko und dann Petra entgegenkommen weiss ich, daß dies die Abkürzung runter vom Kreuzberg sein muss. Ich dagengen muss zum 5ten mal da hoch, ehe ich auch diese Abkürzung nehmen darf.

Ich glaube, jeder hatte so sein Kreuz mit dem Kreuzberg an diesem Tag. Und als mir Daniel Basel, der Organisator des Laufes und Absolvent von über 280 Marathons oben am Kreuzberg die Richtung für besagte Abkürzung zeigt, sind es nur noch etwas mehr als einen Kilometer, nur bergab bis zum Ziel.

Vor der Hütte brennt ein kräftiges, wärmendes Lagerfeuer, dazu gibt es Bohnesuppe und Läuferpunsch, Kuchen Kaffee und und und...

Und jeder der 23 Läufer hatte  über 42,3 harte Kilometer sein Filetstückchen erkämpfen dürfen. Danke LT Hemsbach.

 

Informationen: Silvester-Hardcore-Marathon
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