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Laufberichte

Rio ohne Samba

 

Die Busse mit dem orangenen Schild fuhren zum Marathonstart, die mit dem grünen zum Halbmarathon. Vor jedem Bus ein Einweiser mit Leuchtstab, der verhinderte das zu erwartende Chaos. Jeder Läufer bekam einen Sitzplatz. Das gibt es nicht mal am Rennsteig! Nach der Ausgabe für die Startunterlagen auch hier ein großes Lob für die Veranstalter. Die Busse fuhren übrigens zwischen 5 Uhr und 5.40 Uhr ab, wir hatten einen der ersten erwischt. Und das hatte sich gelohnt. Nach etwa 45 Minuten stiegen wir in Recreio aus dem Bus, direkt am Start, keine 50 Meter vom Strand entfernt. Und dort erlebten wir einen Sonnenaufgang, für den allein sich die Reise nach Brasilien gelohnt hätte. Ein drittes Lob an die Veranstalter – für die Wahl dieses Startortes …

       

Start war um 7.30 Uhr, nachdem man um 7 Uhr die Elite der Frauen auf die Strecke geschickt hatte. Über 3000 Läufer machten sich auf dem Weg. Was mir besonders auffiel: Die Zahl der Ausländer, besonders der Europäer, schien mir verschwindend gering zu sein.

Zuerst liefen wir weg vom Zielort Rio, um nach einer Schleife von etwa 3 Kilometer wieder den Start zu passieren. Konnte das nicht das Ziel sein? Mir lief der Schweiß in Strömen, dabei hatten wir vielleicht gerade mal 20 Grad. Wir waren wohl etwas zu schnell. Ich trenne mich von meiner Mütze, aber nur um sie die nächsten 39 Kilometer in der Hand zu halten. Eine Mütze vom Rio-Marathon wirft man doch nicht weg…

Wir passierten den Startort Recreio. Hier herrscht nicht so ein Elend wie in Deutschland, lästerte Yvette. Nein, hier wohnt die Oberschicht. Hier wohnen die, denen Copacabana oder Ipanema schon lange nicht mehr gut genug sind. Und sie haben rechts von unserer Laufstrecke einen Traumstrand. Darum muss man sie aber nicht beneiden, Traumstrände sind in Brasilien nichts Besonderes. Unsere Laufstrecke werden sie bis zum Ziel säumen.  

Langsam bekam ich Hunger. Etwa bei Kilometer 8 musste es eine Verpflegungsstelle geben. Bildete ich mir ein. Leider gab es aber nur Wasser und Gatorade. Ja, gab es. Als wir vorbei kamen gab es nur noch einen Berg leerer Kartons und entlang der Straße den Müll derer, die schneller waren als wir. „Wenn das bis zum Ziel so weitergeht, bin ich verdurstet“, stöhnte Yvette. Und ich verhungert!

Seit wir den Start auf den Rückweg passiert hatten, führte die dreispurige Straße geradeaus. Rechts Strand und Meer, links im Hintergrund eine Bergkette, viel Grün und eine Lagune, dazwischen Hochhäuser. „Etwas eintönig“, sagte ich zu Yvette. „Ja, eintönig schön“, antwortete sie. Eintönig schön? Ja, klingt etwas blöd, aber treffender konnte man diese Gegend nicht bezeichnen.

Wie liefen auf Barra de Tijuca zu und passierten den Start der Halbmarathonis – die inzwischen wohl schon im Ziel waren. Die Glücklichen! Seit Kilometer 8 hatten wir einige Getränkestellen passiert – an denen es auch ausreichend Getränke gab…  Leider gab es keine Verpflegung. Mann, ich hatte vielleicht einen Hunger. Was hätte ich für eine Banane gegeben!

Zwischen Kilometer 22 und 30 änderte sich dann auch noch das Streckenprofil. Es ging eine langgezogene Steigung hinauf, die in einem Tunnel endete und dem ein längeres Stück unter einer Hochstraße folgte. Das bedeutete Schatten, erstmals richtigen Schatten. Den sollte man nutzen, im Tunnel schalteten wir einen Gang höher. Unter der Hochstraße nahm ich aber dann mehrfach den Gang raus. Was waren das für Ausblicke, auf das vor und unter uns liegende Sao Conrado? Das musste ich fotografieren! Was Yvette wohl etwas nervte und zu der berechtigten Frage verleitete: „Was machst du hier eigentlich, Marathon laufen oder fotografieren?“

Bergab bis Sao Conrado lief es dann wie von selbst. Aber was danach kam, war gemein. Das war kein Hügel, das war ein richtiger Berg. Wie fast alle schalteten wir auf Wandermodus und schauten immer wieder auf Sao Conrado zurück. Da bot sich einer dieser Anblicke, den man nie wieder vergisst. Der Blick von oben auf San Conrado mit seinem Strand, darüber einer dieser zuckerhutähnlichen Berge. Da fiel mir ein, was die Cariocas, die Einwohner Rios sagen: An sechs Tagen schuf Gott die Welt, am siebenten Rio de Janeiro…

Wo es bergauf geht, geht es zum Glück wieder bergab. Vorbei am Sheraton-Hotel, dem gegenüber sich eine Favehla, ein Elendsviertel, den Berg hochschlängelt. Was sich Gott dabei gedacht hat, weiß ich auch nicht …

  

  
Nach etwa 30 Kilometern atmete ich durch. Wir hatten Leblon erreicht, dem sich übergangslos  Ipanema anschließt. Für mich beginnt hier das „richtige“ Rio, hier kenne ich mich aus. Ich würde fast sagen, hier bin ich zuhause. Auch heute ist wie jeden Sonntag, der Strand gut belegt, unzählige Menschen sind auf der Promenade unterwegs. Leider interessiert sich kaum noch jemand für uns. Das mag vor etwa zwei Stunden, als die Elite hier vorbeikam, noch anders ausgesehen haben. Ich hätte nicht so viel fotografieren sollen …

Wie fast die ganze Strecke wehte auch hier entlang des Strandes von Ipanema eine leicht erfrischende Brise. Was nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Temperaturmesser an den Werbetafeln 28 Grad anzeigten. Ging ja noch, um die Ecke herum, an der Copacabana zeigten sie 32. Und dort gab es keine erfrischende Brise mehr. Aber  dafür etwas zu beißen, die erste feste Nahrung nach so etwa 35 Kilometern. Das war gut gemeint, das war richtig, aber den Riegel gab es ausgerechnet zwischen zwei Getränkestellen. Und der war vielleicht trocken! Nun hatte ich keinen Hunger mehr, aber wir mussten gehen. Grund: ausgetrockneter Mund. „Verfluchte Copacabana“, schimpfte Yvette. Leidend – am schönsten Stadtstrand der Welt.

Noch einige Fotos vor dem Copacabana-Palace, dem legendären Grand-Hotel mit noch legendärer Gästeliste, dann noch durch einen Tunnel, Botafogo war erreicht. Das Ziel war nah, aber wir wurden wieder wie im Takt überholt. Weil ich doch fotografieren musste. Yvette vor dem Zuckerhut. Damit konnte sie noch leben. Aber andere Läufer vor dem Zuckerhut? „Alles wegen deinem blöden Bericht für Marathon4you!“ schimpfte sie und drohte, allein weiter zu laufen. Das ging natürlich nicht, so gaben wir beide nochmal Gas und überquerten nach fünfeinhalb Stunden gemeinsam den Zielstrich. 

   

Endlich die Medaille! Sie war nicht nur schön, es wird auch die größte in meiner drei Kilo umfassenden Sammlung sein. Die Medaille um den Hals machten wir uns auf den kurzen Weg zum Hotel. Duschen, denn dazu gab es im Ziel keine Möglichkeit …

Bei der späteren „Manöverkritik“ waren wir uns einig: Rio ist eine Reise und diesen Marathon wert! Etwas habe ich aber vermisst – die Sambatänzerinnen an der Strecke. ,Aber die gibt es ja beim Altenburger Skatstadt-Marathon. Da es aber nun mal in Altenburg keinen Zuckerhut gibt, planen wir für nächstes Jahr wieder den Rio-Marathon. Kann nur noch schöner werden – mit einigen Müsli-Riegeln in der Tasche …    


Sieger Maratona Caixa da Cidade de Rio de Janeiro

Männer

1.  Giomar Pereira da Silva          Brasilien        02.18.03 Std.
2.  Willy Kangogo Kimutai          Kenia            02.18.11 Std.    
3. Jonathan Kosgei Kipkorir         Kenia            02.19.40 Std.


Frauen

1. Letay Negash Hadush               Äthiopien      02.40.18 Std.
2. Rose Jepchumba                       Kenia            02.41.34 Std.         
3. Pamela Cheyech Anisomuk     Kenia            02.43.30 Std.

 

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Informationen: Rio de Janeiro Marathon
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