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Laufberichte

Alles geht heut von allein

04.08.12

 

Alle treten ihr Gaspedal durch


Die Ziffer der Digitalanzeige rückt auf 18:00 Uhr vor. Die rot-weiße Schranke an der Einfahrt in die Kathedrale für Karossen ist bereits geöffnet. In einem extrem hohen Tempo laufen wir vom Erdgeschoss auf das erste Parkdeck. Das Läuferfeld rast auf die erste Kurve zu. 897,77 Meter misst eine Runde. Anders als an anderen Tagen findet heute keine soziale Reibung beim „Nahkampf“ auf einen der raren Stellplätze statt.

Wie Daunenfedern im Windhauch gleiten die ersten Läufer um die nächsten Kurven bevor schon wieder eine auftaucht. Wir laufen im zweiten Gang nach oben. Unser Fluchtversuch zeigt sich als ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Innerhalb von Sekunden sind wir zum Schlusslicht dieser Gruppe geworden und wir wundern uns über das hohe Anfangstempo. Aber auch wir sind vor Kurve acht noch viel zu schnell. Der Körper neigt sich automatisch in die Kurve, die weichen Sohlen der Laufschuhe hinterlassen keine Spuren auf dem harten Beton, die Knöchel ächzen kurz.

Es ist phantastisch, wie ein Satellit schrauben wir uns nach oben. Kurve um Kurve. Auf dem 5. Parkdeck ist das Sonnenlicht erreicht. Das endlose Spalier eingezeichneter Parkplätze begleitet das Auf- und Ablaufen von Deck zu Deck. Noch ist nicht die Hälfte gelaufen und das Gros der Läufer wird gemächlicher. In den halbdunklen, unübersichtlichen und menschenleeren, "von der Lebendigkeit des städtischen Lebens isolierten Betonwüsten" eskalieren nicht nur die filmischen Dramen besonders effektvoll. Immer lauter hört man jetzt das Schlürfen der Turnschuhe auf dem bebenden  Beton. Mir geht es seit Wochen und Monaten voller Schmerzen außergewöhnlich gut und die Aussicht auf eine gute Platzierung motiviert mich, das Tempo ab der zweiten Hälfte anzuziehen.

 

80er Jahre Sound


Natascha, auf der 10 Kilometerstrecke bereits eine Stunde vor den Marathonläufern gestartet, schlüpft in die Rolle einer Sportfotografin und unserer persönlichen Betreuerin.  Sie übergibt mir ihren iPod wie andere den Staffelstab. Ich bohre mir die Ohrstöpsel fest in die Ohrmuschel und setze den Rhythmus des Beats in Schritte um. Es ist meine Musik. 80er Jahre Sound neu aufgemischt.

Ich scheine mich regelrecht durch das Parkhaus zu schrauben und genieße nach jeder Runde die „Ausfahrt“. Etwa 150 Meter geht es durch einen kleinen Park. Ein paar Damen feuern die Athleten kräftig an. Schon bin ich wieder an der Einfahrt des Parkhauses angekommen und anstelle der Parkkarte bekommen wir hier ausreichend Verpflegung. Wer sich bei der Auswahl nicht zurückhält, dem kann es schon mal übel werden. Noch mit dem Wasserbecher in der Hand überquere ich ein weiteres Mal die Zeitmatte.

Es ist, als würde man über LOS gehen und noch einmal von vorne würfeln. Die an der Leinwand angezeigte Rundenzeit motiviert; das Überholen aber auch. Ich fühle mich, als hätte ich einige Kratzer im Lack, zum Glück nur Bagatellschäden! Dennoch lächle ich stets in die Überwachungskameras. Nächste Runde, nächster Treck, der Song aus dem Autoradio: „Dein Arsch bewegt sich von allein - Die Gläser füllen sich von allein - Alles geht heut von allein - Jeder kann‘s von allein - Denk nicht nach, lass es sein - Denn alles geht heut von allein“. Stunde um Stunde vergeht, Runde um Runde genieße ich so, auch wenn dafür schon eine gehörige Portion Kreativität oder gute Musik auf den Ohren notwendig ist.

Das Echo der eigenen Schritte nehme ich nicht mehr wahr. Auf Parkdeck 5 laufe ich in den Sonnenuntergang. Die Bank, auf der vor Stunden noch die anfeuernden Damen saßen, ist leer. Auf dem Sonnendeck werden die Lampen angeschaltet, ein paar Runden weiter ist der fast rote Vollmond zu sehen und ein brillantes Panorama, die Lichter der Elbbauten und Elbschlösser; und irgendwo an der Elbe wird ein Feuerwerk entfacht. Nach diesem romantischen Eindruck vom Deck dieses Parkhauses stürze ich mich die mehr als 14 Höhenmeter erneut nach unten. Wieder an der frischen Luft, genieße ich die Kühle des späten Abends. Es ist ein Augenblick, in dem mir klar wird, wie gut es uns geht  und wie dankbar ich dafür bin, laufen zu können. 47 Mal bin ich nun an diesem Wegweiser vorbeigelaufen: „Knochenmark Transplantationszentrum“. Noch immer sind einige Läufer unterwegs.

Einen Zielschluss gibt es nicht. Aber auch für uns ist es spät geworden. Auf der ausgedruckten Urkunde ist das Gruppenbild, welches vor dem Start geschossen wurde, aufgedruckt.   Ich freue mich über einen 2. Platz in der Gesamtwertung und damit über den 1. in meiner Altersklasse. Mehr gibt es nicht, mehr braucht es auch nicht, das Geld ist gut angelegt. Den Gutschein für ein Essen beim Italiener lösen wir nicht mehr ein. Vor dem Parkhaus steht unser Fahrzeug. Ich drücke den Knopf „Home“. „Die Route wird berechnet”. „Die Route ist berechnet, in 470 Kilometern haben sie ihr Ziel erreicht“. Culcha Candela tönt aus dem Radio: „Die Sonne scheint heute die ganze Nacht -Hängt tausend Zettel in die Nachtbarschaft -Wenn's heute lauter wird dann tut's uns leid - Komm vorbei und alles andere kommt dann von allein...“. 

Resümee: Eine kleine freundliche Mannschaft hat es geschafft, großes Parkhauskino zu bieten. Für die Zukunft wünschen wir dem Lauf noch viel mehr Läufer, damit die Krebsforschung noch viele Spendengelder erhält.

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Informationen: Parkhauslauf Dresden
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