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Laufberichte

Exklusiver Sp(m)arathon

24.04.10

Beim Birsköpfli, dort wo die Birs in den Rhein mündet, geht es neben der Hängebrückenruine über die ihren provisorischen Status verlierende Behelfsbrücke wieder auf die andere Flussseite. So wie ich die Sache überblicke, bin ich irgendwo zwischen zwei Pulks, falls dies bei einem Teilnehmerfeld dieser Größe überhaupt der richtige Ausdruck ist.  Ich nehme mir vor, ein wenig auf die Tube zu drücken und wenn möglich aufzuschließen, in der Hoffnung, nicht die ganze Strecke alleine laufen zu müssen. Zuerst lasse ich mir aber an der ersten Verpflegungsstation bei der Kraftwerksschleuse Birsfelden genügend Zeit für Wasser und Iso. Dass heute der vermutlich wärmste Tag in diesem Jahr ist, spüre ich knallhart. Es ist ja angenehm, endlich wieder mit kurzen Klamotten laufen zu können, doch kostenlos gibt es das im Gegensatz zum ganzen Rest auch am Muttenz Marathon nicht. Das erste Siebtel bis hierher hat mich schon einigen Schweiß gekostet.

Wegen Bauarbeiten führt in diesem Jahr die Strecke nicht direkt dem Rhein entlang weiter, sondern etwas zurückversetzt durchs Industriegebiet. Auf der langen Geraden dort sehe ich wieder die Gruppe, zu welcher ich gerne aufschließen würde. Wie wenn er meine Absicht erraten hätte, lässt der Rangiermeister die Diesellok mit den zahlreichen angehängten Zisternenwagen warten, bis auch ich die quer über die Straße verlaufenden Geleise überschritten habe. Mit dem Dröhnen des Dieselaggregats im Rücken laufe ich zügig voran und komme mir fast so vor wie der Typ in der Fernsehwerbung, der dank eines Vitaminpräparats (oder ist es Eisen?) mit der Eisenbahn  Schritt halten kann.

Wenig später bin ich wieder auf der ursprünglichen Strecke, einem schmalen asphaltierten Weg direkt am Rhein, der an den Anlege- und Löschstationen der Rheinfrachter vorbeiführt. Auf der rechten Seite dominieren die Hafenanlagen, wenn der Blick über der Rhein schweift, hat man das zarte Grün der Hügel hinter Grenzach im Blick.

Am Anfang eines Marathons bekunde ich mit solchen Streckenabschnitten keine Schwierigkeiten, und kann ich ein paar wenig inspirierende Meter gut verkraften. Und sie gehören zum Muttenz Marathon, wie sie eben auch zu Muttenz gehören. Es ist keine große Gemeinde, bietet aber ein Riesenspektrum an Gesichtern, dazu gehören auch der Rangierbahnhof und die Hafeneinrichtungen und Tanklager. Wenn ich in der Schweiz Sprit zapfe, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er hier seine Reise zur Tankstelle angetreten hat.

Nach dem letzten Anlegeplatz, nach ziemlich genau einem Viertel der Strecke, wechselt der Untergrund und die Uferbefestigung und ich befinde mich nun nicht nur auf einem Naturpfad in einem schmalen Grünstreifen, sondern auch in Begleitung von Gabriele und dem anderen Christoph, demjenigen, der heute seinen ersten Marathon, seinen ersten Wettkampf überhaupt, bestreitet.

Nach eineinhalb Kilometern tauschen wir die Natur nochmals gegen Industrie und werden dabei von zwei Streckenposten sicher über die Hauptstraße geleitet und kurz darauf am zweiten Posten mit Tranksame versorgt.

Der Weg führt bei Pratteln weiter über die Autobahn und unweit der neu eröffneten Wasserwelt „Aqua Basilea“ vorbei zu einer ersten ruppigen Steigung, einer Passerelle über die Bahngeleise. Im grellen Gegenlicht erscheint mir diese wie ein Teil der Kulisse von Waterworld. Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Gestalten auf den Treppenstufen spielen, deren Umrisse sich vor dem hellen Hintergrund abzeichnen. Vermutlich sind es Smokers und ich bin Deacon, ihr einäugiger Anführer; zumindest blinzle ich so ins Sonnenlicht. 

Hat mir die Sonne tatsächlich schon ein Loch ins Gehirn gebrannt, dass ich auf solche Ideen komme und mich in einem abgehalfterten Kinoflop wähne? Nein, mir ist zwar warm, aber so schlimm ist es nun doch nicht. Es ist einfach so, dass das Laufen auch die Fantasie beflügelt. Davon brauche ich nicht viel um mir auszumalen, dass das Tempo, das ich zum Aufschließen angeschlagen habe und jetzt in der Gruppe weiterpflege, eindeutig zu hoch ist, als dass ich es durchhalten könnte.  Macht nichts, bis zum Ende der ersten Schlaufe wird es so noch gehen.

Dem Tramgeleise entlang sind wir auf einem Radweg zurück nach Muttenz. Auf den wenigen Quartierstraßen vorher sind weder wir noch der spärliche Individualverkehr gegenseitige Hindernisse. Gleich bei den ersten Häusern am Dorfrand gibt es für mich eine Situation mit Seltenheitswert: Familie am Straßenrand. Zumindest meine Eltern und unsere Jüngste sind auf einem Spaziergang, begutachten meinen Zustand und fragen nach meinem Ergehen.

Mit dem Kirchturm im Blickfeld ist die Laufrichtung klar und dort angelangt, liegen 17 Kilometer hinter uns und steht ein Tisch mit Getränken vor uns. Wer Eigenverpflegung braucht, konnte sie deponieren und sie sich nun zum ersten Mal einverleiben. Auf schon bekannter Strecke geht es  weiter, doch es dauert nur kurz, dann zweigt die zweite Schlaufe links ab und nimmt gleich gehörig Steigung auf. Nach der zweiten Haarnadelkurve liegen die letzten schicken Häuser mit schöner Aussicht hinter uns, nach der dritten sind wir schon auf der Rütihard, einer Hochebene. Was ich in meinen Beinen spüre sagt auch mir mathematisch Minderbemitteltem eindeutig, dass es sich dabei um eine sehr schiefe Ebene handelt. Auch wenn ich mir eigentlich zum Ziel gesetzt habe, mit einer Zeit von unter vier Stunden ins Ziel zu kommen, so lasse ich mich gehen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Ausreden dazu habe ich genug. Die blühenden Bäume, das Grün der sich entfaltenden Blätter, die Pferde auf der Weide und der Ausblick auf die Rheinebene und die im leichten Dunst liegende Stadt Basel.

Dann tauche ich in den Wald ein, meine vormaligen Begleiter sind mittlerweile alle außer Sichtweite. Nicht weil ich hinten keine Augen habe…  Die Steigung ist an und für sich moderat, der Untergrund des Wirtschaftsweges angenehm zu begehen. Im Training käme ich hier kaum auf die Idee zu gehen. Jetzt  tue ich es und als der Weg abzweigt und schmaler wird, fällt mir auch ein guter Grund ein, um nicht schneller sein zu müssen. Ich muss doch noch ein paar alte Bilder auf der Speicherkarte löschen, damit ich nicht plötzlich Kapazitätsprobleme habe, wenn ich eine Szenerie unbedingt festhalten will. Gesagt, getan.

Während ich gemächlich einen Fuß vor den anderen setze, klicke ich mich durch die ältesten Bilder und lösche eines nach dem anderen, was ohne Brille viel Intuition und Fingerspitzengefühl braucht.

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Informationen: Muttenz-Marathon
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