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Laufberichte

Poetische Reise

06.06.09
Autor: Joe Kelbel

Als ich mit meinen Großeltern am Rhein spazieren ging, da sahen wir einen Mann, der hinter den Sanddünen mit einem großen Stück Seife in der  Hand schwimmen war. Meine Großmutter sagte damals: „Joe, wenn du nix lernst, musst du später auch im Rhein baden!“

Meine Großmutter war es also, die mich zum wöchentlichen Marathonläufer machte.

Beim Mittelrhein-Marathon gibts die Dusche im Stadtbad von Koblenz. Wer diesen Marathon mal gelaufen ist, kann von der höllischen Hitze im schattenlosen Rheintal berichten und von der 4stündige Gier auf das kühle Nass im Ziel. Aber dieses Jahr ist es anders: Den ganzen Tag hat es schon geregnet, es ist schweinekalt und gestartet wird um 18:15 Uhr.

Jahr für Jahr rieb das Band der Finishermedaille nach dem Zieleinlauf auf unserem Sonnenbrand, den die Mittagssonne uns auf dem Hals hinterlassen hatte. Immer Richtung Norden, 42,195 Kilometer, da gab es für deinen Nacken keine Gnade, und die Waden pellten sich spätestens am Dienstag. Aber dieses Jahr perlen nur die Regentropfen.

Der Mittelrhein-Marathon hat lange Wege: Die Marathonmesse mit Startnummernausgabe ist weit weg vom Ziel, der HBF, wo die Sonderzüge Richtung Start abfahren, ist nur mit dem städtischen Bus zu erreichen, der alle halbe Stunde fährt. Angekündigt war ein 15 Minuten-Takt. Wer sein Auto an der Marathonmesse stehen läßt, hat nachts  nur noch die Möglichkeit mit dem Taxi dorthin zu gelangen. Ziemliche Nervosität bei allen, denn es gibt für jeden Wettbewerb eigene Sonderzüge: für Halbmarathon, Teammarathon, Duomarathon, Inlinermarathon und Marathon.

Wetterbedingt wollen viele Läufer und Inliner den kürzeren Halbmarathon machen: Stau am Troubledesk.

Stau im Regen, Stau im Bus, Stau vor dem Bahnhof, Stau im Bahnhof, Stau auf den Gleisen, Stau im Zug. Der Veranstalter hat eine gewaltige logistische Leistung zu vollbringen.  Ich bekomme nicht den gewollten Zug, der hat technische Probleme, wofür der Veranstalter nichts kann. Aber der nächste Zug passt noch. In Boppard, beim Halbmarathon, gab es zwei Starts, da viele Läufer nicht rechtzeitig ankamen. Heiko kam zum Marathonstart nach Oberwesel eine halbe Stunde zu spät, da hatte Mikatiming schon die Matten abgebaut.

Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten. Wir sehen die Walker und die Inliner, die vor uns auf die parallel verlaufenen B9  geschickt wurden. Wir sehen die mittelalterlichen Städtchen und Burgen, die poetische Reise kann langssam beginnen.

Die günstige Lage  Oberwesels im engen Rheintal hat es reich gemacht, aber auch die Begierde fremden Herren geweckt, sodaß eine kräftige Stadtmauer nötig war. 16 Wachttürme und zahlreiche Kirchtürme schmücken die Stadt.  Oberwesel ist die Stadt Deutschlands, die am meisten belagert wurde - von Kürfürsten, Erzbischöfen, Kaisern und Königen, von Spaniern, Bayern, Franzosen, Schweden, Preußen und und und und..

Hier in  im Hotel „Goldener Pfropfenzieher“  sang Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1843 zum ersten Mal das Deutschlandlied  (2.Strophe):

„Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern (z.B.Marathonlauf!)
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!“

Es regnet nicht mehr, der Nebel, der die über der Stadt liegende Schönburg verhüllte hebt sich. Jahr für Jahr bin ich am Vorabend des Mittelrheinmarathons auf die Schönburg, dem Familiensitz gleichnahmiger Herren, gestiegen und habe den Blick über Oberwesel und  weit in das Rheintal genoßen. Wenn ich da oben stand, dann wußte ich, daß ich diese  Erhabenheit, die Würde, das Edle der Rheinlandschaft mit jedem Meter meines Laufes genießen werde.

Von der Schönburg geht ein wunderbarer steiler Weg runter in die Stadt, über die verwitterten Reste der Stadtmauer, deren bröselde Schieferplatten garniert sind mit den rosa Miniaturblüten der Bartnelke. Und unten im Ort waberte die weinselige Stimmung von ahnungslosen Touristen, die mit gewaltigen, blütenweißen  Schiffen angekarrt wurden, um in  freudiger Erwartung den „Rhein in Flammen“  zu erleben.

Oft habe ich in Oberwesel übernachtet. An Schlaf war nie zu denken. Aber ich habe jedesmal den Schlägen der Feuerwerkskörper gelauscht, die von den Felsen des  gegenüberliegenden Ufers zurückgeworfen werden. Und eine erwartungsvolle Vorabendkampfstimmung befiel mich, ehe ich dann in den  unruhigen Halbschlaf des Marathonläufers wegdämmerte, während draußen die Menge  gröhlte:

„Warum ist es am Rhein so schön?|
Warum ist es am Rhein so schön,
Am Rhein so schön?
Weil die Mädel so lustig
Und die Burschen so durstig,
Darum ist es am Rhein so schön“

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Informationen: Mittelrhein-Marathon
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