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Laufberichte

Mein Schatz demjenigen, der dies versteht

 
Autor: Joe Kelbel

Unter den Tragflügeln des Propellerflugzeuges muss der sagenhafte Piratenschatz von La Buse sein, wohl inmitten der Zuckerrohrfelder, die den Flughafen von Mauritius umgeben. Nach der Vertreibung aus der Karibik raubte sich La Buse (franz: “der Bussard“) den weltweit größten Piratenschatz im indischen Ozean zusammen. Drei Eisenfässer mit Dublonen, Goldbarren und lupenreinen Diamanten aus den Minen von Vizapoure und Golconda sollen es sein.

Als La Buse am 07.07.1730 auf Reunion gehängt wurde, rief er der Menschenmenge zu: „Mein Schatz demjenigen, der dies versteht“, und warf einen Geheimtext in die Menge. 1923 tauchte das Schriftstück bei mir, später auf den Seychellen auf, seit 1934 befindet sich das Dokument in der französischen Nationalbibliothek

Wie viele Schatzsucher sich zurzeit auf Mauritius aufhalten, ist unklar. Geht ihnen die Lust oder das Geld aus, suchen sie mit Detektoren an den Touristenstränden nach verlorenen Wertsachen.  Ich bin auch auf der Suche nach dem Schatz und treffe Klaus, der schon fast den Strand umgegraben hat. Unsere Suchaktion ist nicht abgesprochen, es ist die Fügung des großen Marathongeistes, der uns gleichzeitig angewiesen hat, auf diese Insel zu kommen: „Mein Schatz demjenigen, der dies versteht!“ hat er geraunt.

Ich habe verstanden und buche in Nairobi einen Flug nach Mauritius, denn die Insel erscheint so nah auf der afrikanischen Schatzkarte.

Vier Stunden später werde ich vom Zoll und der Inselpolizei auseinandergenommen, ich sehe wahrlich nicht wie Urlauber aus, rieche auch nicht so. Im Gepäck habe ich Albert Kangor, einen lieben Kenianer, dessen Heimatgeruch ich mit Rum überdeckt habe. Ich bin also Menschenhändler, und die Geschichte vom Marathon im Hochland von Kenia nehmen mir die Beamten nicht ab. Der Zollbeamte findet meine mit rotem Lehm verzierten Laufschuhe.  Er wird nun locker und lacht, will nach Deutschland reisen.  Ich sage, Merkel hat ihn nicht eingeladen. Der Polizist dagegen macht sich zwei Seiten Notizen. Mir läuft der Schweiß, was ihm sofort auffällt. Ich hätte doch auf dem Gesundheitsbogen angekreuzt, dass ich kein Fieber hätte. Oh großer Marathongeist, steh mir bei!

Albert Kangor hilft. Er hat eine Depesche vom Marathonveranstalter, dem Lux* Resorts Tamassa im Süden der Insel.  Darin steht ausdrücklich, dass wir beide am Flughafen abgeholt werden. Albert, weil er am Sonntag gewinnen wird, und ich, weil ich in Iten (Kenia) so ein guter Besenläufer war.

Wer nicht über Kenia anreisen will, der bucht einen Direktflug mit Condor ab Frankfurt (ca 600 Euro), oder mit Emirates( ca 900 Euro) über Dubai.

 

 

Die Hotelkette Lux* Resorts hat Hotels rund um den Indischen Ozean, bietet ein Komplettpaket für den Marathon an: „All you can.“ Interair bietet seit Jahren eine begehrte VIP-Betreuung an.  Mein schwarzer Freund und ich werden tatsächlich am Flughafen abgeholt. Es ist stockdunkel, am Fenster huschen Zuckerrohr und Palmen vorbei.

Draußen vor den Korallenriffen markieren Kanonen und Ankerketten die Schatzverstecke im Riff, oberirdisch gibt es Totenköpfe und Skelette bei mehr als 200 dunklen Vulkanlöchern, deren Gänge durch Sprengungen der Glücksucher verschüttet wurden. Im Marinemuseum sieht man das, wonach ich suche: Winzige Goldbarren, so lang wie KitKat-Riegel, Silberrupien, Armreife und eine Liste aller Piraten des indischen Ozeans. 23 sind es gewesen, umgerechnet eine halbe Milliarde Euro (Prise) ist aufgelistet. Heute zählt Mauritius zu den zehn sichersten Ländern der Welt, Deutschland nicht.

In der großzügigen Hotelanlage empfängt uns der Duft von gebratenen Krustentieren. Albert fragt mich, was Lobster sei. Er zieht nur für den Lauf seine schwarze Lederjacke aus und -  Albert trinkt Bier. Albert mag die hübschen, kreolischen Tänzerinnen, glaubt aber, dass sie nicht auf ihn stehen. Warum soll es ihm besser gehen, als mir. Albert hat sich Ugali mitgebracht. 1200 Euro Preisgeld wird es für ihn geben. 

 

 

Am Sonntag gibt es zunächst mal Frühstück, 5:30 Uhr geht dann der Shuttlebus zum Startort, dem Puderzucker-Strand von Saint-Félix. Es ist stockdunkel, als wir in dem kleinen Zeltdorf ankommen, eine Japanerin schreit nach einem Klo. Wolle sagt, sie solle doch die Dunkelheit oder den Strand nutzen. Ich werde den Gesichtsausdruck der Dame nie vergessen! Das Sanitärhaus wird aufgeschlossen.

Saint-Félix liegt 7 Kilometer südlich vom Marathonhotel und ist einer der ruhigsten Strände der Insel. Dichte, undurchdringliche Tropenvegetation zieht sich von der Küstenstraße bis hinauf in den Nationalpark, ansonsten erschließt keine Straße, kein Weg von hier aus die Insel, die von steilen Vulkankegeln gekrönt wird. Wer mit dem Auto zum Startort fährt, der findet reichlich Parkplätze. Etwa 130 Marathonläufer treffen ein. Etwa 350 Halbmarathonläufer starten nördlich von hier.

Der Zeitchip ist unsichtbar in der Startnummer integriert, wird mit einer Art Pistole gescannt. Jean-Marie, der Technische Direktor des Paris Marathons, schickt uns sekundengenau auf die Strecke. Abgesehen von den vielen Deutschsprachigen, ist Richard aus Südafrika auffällig. Er ist Herausgebener der Zeitschrift „Modern Athlets“ und läuft im Kuhkostüm. Der Rest der Läufer sind Spaßläufer, auch Albert, mein kleiner Kenianer, der für jeden Läufer, der ihm entgegen kommt, ein Späßchen übrig hat.

Die Laufstrecke kann nur eine Begegnungstrecke sein, denn es gibt nur eine Küstenstraße. Der erste Wendepunkt ist südlich vom Startort, in Riambel bei Km 4. Jetzt geht die Sonne auf, wirft Licht auf eine Schatzinsel, die alles andere als ernsthaft ist. Polizisten wollen fotografiert werden, an den VP´s (alle 5 km) spielt man Bob Marley und in den unscheinbaren Kirchen eröffnen die Gospelsänger den sonntäglichen Gottesdienst.

Die Brandung des indischen Ozeans brettert relativ ungehindert auf den Strand, macht diesen Ort zum Mekka für Reitsportler. In der wilden Brandung preschen stolze Pferde durch die Wellen, der starke Ozeanwind verwirbelt die Haare von Pferd und Reiterin. 

Nach dem Wendepunkt in Riambel habe auch ich Ostwind, er  macht mich jetzt schnell.

 

 

Wieder am Startort angekommen, taucht die Morgensonne den Strand von Saint-Félix in eine blaue Traumlandschaft. Ich meine, Brooke Shields in der flachen Lagune zu erkennen, aber es ist die ältere Inderin, die Frau des heutigen Letztplazierten, der knapp 6 Stunden brauchen wird.

Kurz vor Saint Martin de Bel Ombre erwischt uns ein unvorstellbarer, heftiger Regenguss, der nach 300 Metern abrupt endet und sich mit einen prächtigen Regenbogen verabschiedet. Das ist hochanständig! 

Die Straße wird von Kokosnußbäumen flankiert, die mit ihren goldgelben Früchten grüßen, dahinter hohe Zuckerrohrfelder, durch die eine Straße hinunter zum Marathonhotel führt.

Das Lux* Resort ist von der besseren Sorte. Ich habe aber Probleme mit dem Zimmermädchen, das zweimal am Tag meine Bude aufräumt. Sie ist der Meinung, dass ein Laufshirt nicht so lange gären muss, bis die Sicherheitsnadeln rosten. Sie ist auch der Meinung, man müsse jedes Kleidungsstück zusammenfalten und in den Schrank legen. Demonstrativ sortiert sie meine getragenen Socken und klemmt das Laken, mit dem man sich zudeckt, unter die Matratze. Jeden Abend muss ich dann mit meinen wunden Zehen die Zwangsdecke hochhebeln, bis die Bauchmuskeln schmerzen. Aber ansonsten ist das Hotel nach meinem Geschmack, vor allem wegen der langen Nächte mit Laufkameraden und Tänzerinnen an der Bar.

Albert kommt entgegengeflogen, er führt unangefochten.  Auf dem Weg zur Baie du Cap überhole ich eine Dame aus Indien.  Ich frage nach ihrem Namen.  Sie sagt, sie sei Dahna, die  „Herrin der Liebe“.

Auch die Geschäfte, deren Rollläden runtergelassen sind, locken: „Mein Schatz demjenigen, der dies versteht“. Ich habe verstanden, fliege nun mit eiskaltem Phoenix, wie eines der drei einheimischen Biersorten genannt wird.

 

 

Ich fliege Richtung Sonne, Abflugschneise der Strand von La Prairie. Große Schilder warnen davor, hier ins Wasser zu gehen. Das Riff ist etwa 20 Meter entfernt, stürzt steil in die Tiefe. Hier presst sich die Agulhasströmung zwischen Madagaskar, Reunion und Mauritius durch. Der antarktische Strom bringt Zooplankton und Fischschwärme mit, denen die großen Räuber folgen. Mauritius ist ein Paradies, das Bier hat 6 Umdrehungen und ich folge der Küstenstraß weiter nach Norden.

Schon von weitem ist der Felszipfel erkennbar, der die Macondé Bay abgrenzt. Die Küstenstraße windet sich durch eine schmale Passage zwischen Kliff und steilem Vulkankegel, an dessen Seite eine Treppe hinaufführt, von wo man aus 30 Metern Höhe die Haie sehen kann, die diese schmale Stelle umkreisen, als würden sie auf schwächelnde Läufer warten. Kleine Häuschen verschiedener Religionen zollen dem göttlichen Felsen den nötigen Respekt.

Eine Brücke führt über das tiefbraune Wasser des Riviere du Cap. Das Meerwasser weigert sich, sich mit dieser unheimlichen Brühe zu vermischen, bildet eine scharfe Grenze in der breiten Bucht. Aber genau an dieser Grenze müsste man jetzt schnorcheln, was verboten ist. Die Nährstoffe, die aus dem vulkanischen Hochland kommen, locken Kleinstlebewesen an, die eine Nahrungskette auslösen, an deren Ende die Stachelrochen stehen. Der Fischer in dem kleinen Boot zieht gerade eine Fangleine ein, an der Makrelen und die schmalen Hornhechte zappeln. Entlang der Laufstrecke gibt es kleine, saubere Häuschen mit je 6 Wasserbecken, in denen man seinen Fang säubern kann, guter Service.

Die Halbinsel Le Morne wird vom Berg Le Morne Brabant dominiert. Auf den 556 Meter hohen Berg führen Leitern, Seile und ein tief eingeschnittener, direkter Pfad. Vier Stunden dauert der Aufstieg. Nur mein FB-Freund und Orgachef des Dodotrails Yan de Maroussem darf Touristen hinaufführen. Man muss ihn von Deutschland aus buchen ( ca 50 € p.P.)

Der Monolith ist das klassische Postkartenmotiv von Mauritius und steht unter dem Schutz der UNESCO, denn vor fast 200 Jahren versteckten sich entflohene Sklaven auf dem unzugänglichen Berg. Bei Ende der Sklaverei, am 1. Februar 1835, wurde eine Polizeiexpedition hinaufgeschickt, um die frohe Kunde zu verbreiten. Die Sklaven verstanden die Botschaft nicht und stürzten sich vom Berg in den Tod. Der 01. Februar ist seitdem Feiertag auf Mauritius, das Gipfelkreuz erinnert an die Tragödie.

Von einer Bootsjetty gelingt mir ein Blick auf die kleine, verwilderte Insel Ilot Fourneau. Schilder warnen, hier baden zu gehen, denn bei Flut quetscht sich viel Wasser durch den flachen Durchlass. Bei Ebbe kann man aber zur Insel hinüberwandern. Von der Jetty führt ein kleiner, korallenfreier Weg durch die Lagune, sodass man mit seinen Schuhen nichts zerstört. Der Weg um die Insel, mit dem Berg Le Morne Brabant im Hintergrund, ist surreal und brennt sich in deinen persönlichen Lebensfilm hinein. Man sollte sich aber unbedingt die Tidenzeiten aufschreiben, sonst wird es unangenehm.

Der Strand von Le Morne Village ist ein genialer Ort, um sich im Angesicht des imposanten Le Morne Brabant in einen dünnen Schlafsack zum Übernachten einzurollen. Zwischen der Insel Forneau und dem Berg Le Morne bilden sich starke Winde, die von Kitesurfern genutzt werden. Kilometer 24 ist erreicht und damit der nördliche Wendepunkt der Strecke.

Le Morne Village wurde einst am Fuße des Berges von Sklaven errichtet, nun ist das Dorf  ein wenig verlegt worden, um dem steigenden Meeresspiegel zu entgehen. Es hat etwa 1000 Einwohner, die meisten arbeiten in den Salinen und stellen das teure, grobe und feuchte Tamarin-Salz her. Wer verschiedengewürztes Fleur du Sel sucht, der wird am ehesten in einem Supermarkt der London Way Kette fündig.

Caro ist schwer gestürzt, kämpft mit den Tränen, aber sie kämpft sich durch. Nicht nur sie,  der Marathon auf Mauritius ist der erste größere, den ich kenne, bei dem alle Starter auch finishen.

 

 

Würden wir weiterlaufen, kämen wir an einen seltsamen Strand, denn hinter Le Morne Village reicht das Gras bis zur Wasserkante. Von dort sind es wenige Schritte zur Ile aux Benitiers, die mitten in der Lagune liegt. Der nördliche Strand ist ein wenig verwildert und mit Korallenblöcken garniert, ein herrlicher Flecken, um kleine Riffbewohner, wie z.B. die Winkerkrabben zu beobachten, oder auch die Kite und Windsurfer draußen auf dem Meer.

Noch in Sichtweite ist Tamarin, wo der Black River mündet und den Blick direkt vom Meer auf extrem spitze Vulkanreste freigibt. Der Fluss ist bequem zu Fuß zu durchqueren, von der Mündung schlagen Wellen hinein.  Nicht erschrecken: die Delfine sind an Menschen gewöhnt und kommen, um gestreichelt zu werden. Rund um die Mündung sitzen abends die Einheimischen, genießen Rumcocktails und freuen sich auf Marathonläufer, die was zu erzählen haben.

Auch an unserem Wendepunkt La Preneuse (die Verlangende ) ist ein hervorragender Schnorchelpunkt. Es  gibt interessantes Kleinzeug in dem flachen Wasser, auch Rochen.

La Preneuse schlägt zu: Zwar gibt es Cola, Wasser, Bananen, Rosinen, Zucker und Salz an den Verpflegungsstationen, aber die Leute in den kleinen Läden flippen vor Freude aus, wenn man französisch spricht. Als die Verkäuferin mir zwei eiskalte Dosen schenkt, kommt laut lachend der Polizist von der Kreuzung  rein und stellt einem Selfie. Dies ist schon eine sehr lustige, sympathische Insel!

Richard in seinem Kuhkostüm schwächelt sichtlich. Wir hatten heute Morgen 13 Grad, haben jetzt 29. Mich bremsen die Fotostopps, das Läuferfeld ist weit auseinandergezogen, weswegen ich den Selbstauslöser nutzen muss. Problem ist, eine geeignete Halterung zu finden. Die abgesägte Hecke ist nicht geeignet.  Also fische ich im Gestrüpp nach der Kamera. Es gibt auf Mauritius nur kleine Boas, die keine Giftzähne haben. Dafür fliegt ein wunderschöner, bunter Papagei krächzend über meinen Kopf.

 

 

Der Rückweg ist nicht langweilig, der Wind und das 20 Grad warme Meer kühlen die Luft. Das Sonnenlicht wird durch lockere Wolken schnell verändert, das gibt glasklare, interessante Fotos. Am Straßenrand stehen wunderschön gekleidete Inderinnen und warten auf ihren Chauffeur. Ich traue mich nicht, sie zu fotografieren. Der Autoverkehr ist nicht störend, meistens sind es Sammeltaxis oder Busse.

 

 

Auf den letzten 10 Kilometern gebe ich Gas, überhole Läufer nach Läufer, fühle mich bestens. Am Ziel läuft gerade die Siegerehrung. Sie wird unterbrochen, sämtliche Läufer stehen Spalier und begrüßen mich lautstark.

Es gibt Bier, Sandwiches, Reis mit Huhn, Musik, Siegerehrungen und ein wunderschönes Bad in der blauen Lagune. Die Stühle sind mit weißen Hussen garniert, die Tische haben schwere Tischdecken aus Damast. Die Teller sind aus feinstem Porzellan, das Besteck von einem namhaften Hersteller.

Alle 470 Läufer sind versammelt. Wir feiern und tanzen, singen und baden, essen und trinken, wir sind im Paradies.  Ich habe jetzt den Schatz gehoben und hoffe, Ihr habt meinen Geheimtext verstanden.

Der Mauritius Marathon kommt auf Platz 1 meiner Bestenliste.

Weitere Lauftermine auf Mauritius:


14. August 2016:  Dodo Trail, 50 km
13. Mai 2017     :  Royal Raid, 80 km
16. Juli 2017      :  Mauritius Marathon

 


 
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