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Laufberichte

Gipfeltreffen der Champions

 
Autor: Joe Kelbel

Der Matterhorn Ultraks ist eine Kombination aus Tourenski und Trail mit verschiedenen Längen-und Schwierigkeitsgraden. Laut Orga das anspruchsvollste Höhenrennen der Welt.

Die Orga ist eine Aktiengesellschaft namens Done SA und hat bei Olympischen Winterspielen mitgemischt, man kümmerte sich um die Alinghi, dann um den Americans Cup und zusätzlich um die Events unter dem Label  Nestle, Lufthansa und Swatch.

Die Königsdisziplin beim Ultraks ist der  4 K im April, eine extreme Skiroute über 48 km + 4800 Hm und der 46 K im August, ein Extremtrail über 46 km und 3600 Hm. Der ist neu in der  Skyrunners World Serie, die aus fünf internationalen Ausdauerrennen im Hochgebirge besteht.

Die Orga verlangt kein ärztliches Attest oder eine Pflichtausrüstung: “Diese Strecke ist der Elite vorbehalten….wir gehen von der Selbstverantwortung aus.” Natürlich bin ich für den 46 K gemeldet, der wird mit 90 Leistungskilometer angegeben, der 30 K mit 60 und der 16 K mit 40.

In der Zahnradbahn von Vils nach Zermatt sitzen Läufer, die aus einem Outddoor-Magazin gefallen sind. Die Bahn hält, und locker hüpfen sie im Laufschritt zur Startnummernausgabe im Hotel Zermatter Hof und lassen mich einfach stehen, ohne mich auf mein 100 Meilen-Finisher-Shirt anzusprechen!

Am liebsten würde ich mir jetzt einen Rucksack kaufen, so mit Helm und Seil hintendrauf,  oder zumindest einen Eispickel, oder ein Alphorn. Damit würden die mich wohl eher akzeptieren.

Wirklich eine andere Welt. Hier in Zermatt laufen Halbgötter rum: Laetitia Roux, 10 fache Weltmeisterin in irgendwas, viermal Europameisterin. Martin Anthamatten, 2 facher Weltmeister, mehrfacher Vizeweltmeister, Dawa Sherpa, eine Symbolfigur des Trailrunnings, Gewinner des ersten UTMB, Gewinner des UTAT im Hohen Atlas (ich habe berichtet) wo mich ein technisches DNF ausknockte. Eine Scharte, die ich in 4 Wochen ausmerzen will.

Und dann Kilian Jornet, der Superstar, der einfach alles gewinnt. Luis Alberto Hermando, der Pacemaker von Kilian beim Zegama, Zweiter des Transvulcania, Dritter beim UTMB, lief gemeinsam mit Kilian über die Zielline beim Trans D´Havet.

Tofol Castanyer, Gewinner des Salomon Four Trails, Zweiter des Giir di Mont. Ich kümmere mich darum sonst wenig, aber ich finde die Auflistung absolut geil. Philipp Reiter stand auf dem Treppchen beim Ice Trail Tarentaise, fiel beim Trans D´Havet wegen Sturz zurück.

Ob der Amerikaner Cameron Clayton dabei ist, weiß ich nicht. Er läuft wöchentlich Ultras, 100 Meiler, wöchentlich! Einfach unmenschlich. Nicola Golinelli, ein Mann, Florian Reichert und Didier Zago, Topplatzierte beim UTMB.

Ben Abdelnoor, Gewinner des Lakeland, fällt mir auf wegen seines inov-Teams, dem Sponsor des Braveheart Battle. Tadei Pivk ganz vorne dabei beim Zegama und Dolomit Skyrace.

Gut, ich hör auf. Silvia Serafini, Emelie Forsberg und Anna Lupton checke ich später. Ragna Debats, Aitiber Ibarbia Beloki,Anna Comet Pascua, Paloma Lobera Grau und Eugenia Miro Figueras ebenso.

Dann sind da noch Olympiasieger, deren Disziplinen wir in Deutschland nicht kennen. Das Frustrierende: die können nicht nur Winter, die können auch Trail im Sommer. Und das auch noch besser als ich und viele andere. Dawa Scherpa aus Nepal ist meine Rettung. Er trinkt auch mal ein Glas Wein und  fragt mich wenigstens, wo der 100 Meiler von Berlin stattfindet.

Wettervorhersagefür morgen: ab 14 Uhr Regen.

Morgens laufen sich die Cracks in der Fußgängerzone von Zermatt (1605 m) warm.  Locker und flippig, eher eine Mischung aus Beachvolleyball und Basketball ist das, was sie vorführen. Das ist pervers, ich hatte noch nicht mal einen Kaffe, geschweige denn ein Brötchen!

Aber, gesiegt hat man schon, wenn man an der Startlinie eines solchen Rennens steht. Wirklich. Ich bin einer von 285 Sieger, einer aus einem Dutzend aus Deutschland, Platz 224 in wenigen Stunden.

Es geht den Weg hinauf, den man wohl vom Zermatt Marathon her zu kennen glaubt. Doch hinter “Chez Heini” geht es rechts den steilen Pfad durch den Wald nach  Sunnegga hinauf.

Bei Chez Heini, einem absoluten Nobelrestaurant sollte man unbedingt mal abends essen gehen, sofern man sein Geld nicht mit Trailrunning-Berichten verdient. Der Wirt, Dan Danielle singt jeden Abend seinen Matterhorn-Schlager und anschließend “I have a dream”, das er zusammen mit ABBA-Sängerin Frida aufgenommen hat. Frida, die Halbdeutsche (Prinzessin Reus von Plauen) wohnt seit Jahren in Zermatt, sieht immer noch gut aus. Dan Danielle, alias Urs Biner, ist Alleskönner, auch Schriftsteller. Seinem Maskottchen Wolli, dem Murmeltier aus seinen Kinderbüchern, werden wir auf unserer Tour öfters begegnen. 

Der Weg, den wir nun eingeschlagen haben, ist zunächst ein ganz normaler Alpenwanderweg, mit ausgetretenen Abkürzungen. Als Trailrunner nimmt man den direkten Weg. Nach etwa 3 Kilometern steilem Anstieg sind wir auf 2000 Meter Höhe und haben eine bezaubernde Trailstrecke vor uns: wir sind oberhalb der Baumgrenze und haben einen unvergleichbar schönen Blick über die ausgedehnten, freien Flächen des Nikolaitales, die wie Zuschauerränge eines Amphitheater auf mich blicken. Ich kann die gesamte Laufstrecke überblicken, alle markanten Stellen, die mir noch bevorstehen. Und über allem wacht das Matterhorn, ohne das die Schweiz wie Bayern ohne Bier wäre.

Ich bin total versunken in diesen Anblick, da will mich jemand überholen. “Freundchen!” schimpfe ich, das wirkt. Respektvoll stellt er mir seine Mitläuferin vor, dann seinen Kumpel.

Die drei Franzosen sind sehr beeindruckt von meiner Lauferfahrung, vermutlich deshalb lassen sie mir den Vortritt für den restlichen, scharfen Anstieg bis Sunnegga (2288m), ca km 7, dem ersten von 5 Verpflegungspunkten. Ein französisches “Freundchen” hat Blasen an den Füssen. Ich übersetze, denn die Helfer sprechen nur deutsch, Zermatt ist deutschsprachiges Gebiet. Zwei Läufer geben auf.

Zuschauer sind in ein paar Minuten mit der Metro hier hochgefahren, doch es sind keine da. Nicht mehr, wie ich langsam begreife. Es gibt vergünstigte Pässe für die Bergbahnen (114 CHF für 2 Tage), die zu den markanten Streckenabschnitten führen, um seinem Lieblingsläufer zuzujubeln. Hier auf der Ostseite des Matterhorns kann der Läufer jederzeit in eine der Bergbahnen steigen, sollte er aufgeben. Später auf der Westseite geht’s nur zu Fuß. Das “Gebiet der Jäger”, wie uns beim Briefing erklärt wurde.

Der kristallklare Leisee ist so ziemlich der einzige der Zermatter Bergseen, in den man wenigstens einen Fuß reinhalten kann, denn er erwärmt sich recht schnell in der prallen Sommersonne. Für die Kinder gibt es einen Spielplatz und einen Murmeltierbeobachtungsposten. Dan Daniells Wolli grüßt. Tatsächlich fiepsen die Tierchen aus jeder Ecke.

Der kleine Weiler Findeln ist der schönste Ort der Welt. Die kleine “Hauptstrasse” führt direkt aufs Matterhorn zu, die geduckten, hölzernen Häuschen sind nur im Sommer bewohnt, verkriechen sich zusammen mit den uralten, verfallenen Speicherhütten mit ihren schrumpligen Dächern links und rechts des Weges, untermauern den allgegenwärtigen Berg. Es gibt vier winzige Restaurants.”Chez Vrony” hat die welttraumhafteste Bierterrasse mit einmaligem Blick zum Tobleroneberg.

Dieses Fleckchen Erde gehört zu den Orten, die man gesehen haben muss, bevor man sterben darf. Gerne hätte ich einen Verpflegungsstopp gemacht, doch ich habe begriffen: meine französischen “Freundchen” werden mich nie überholen. Es sind die Besenläufer.

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Informationen: Matterhorn Ultraks
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