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Laufberichte

Allez, les Marathonistes

05.11.06
Autor: Klaus Duwe

Überraschung am Saisonende

 

Die Veranstaltungsdichte lässt jetzt im Herbst deutlich nach. Ich bin ehrlich, auch das ist ein Grund, weshalb ich mich für den Marathon du Jura Alsacien in Ferrette entschieden habe. Das klingt französisch und täuscht auch nicht, die Region gehört aber zum Elsass (Haut Rhin) und dort wird (auch) Deutsch gesprochen, genauer gesagt, Elsässerdeutsch, ein alemannischer Dialekt.

 

Die Anreise ist mit dem Auto problemlos. Bei Muhlhouse verlässt man die Autobahn A 36 und erreicht auf guten Straßen über Altkirch nach 38 Kilometern Ferrette, wo bei der Schule das Veranstaltungszentrum eingerichtet ist. Hier gibt es die Startunterlagen und hier sind auch die Gepäckverwahrung und die Duschen. Das Zielgelände ist gleich in der Nähe beim Schwimmbad. Gestartet wird oben auf der Hauptstraße zwischen Ferrette und Vieux-Ferrette.

 

Wenn man früh dran ist, kann man unmittelbar vor dem Schwimmbad parken, später werden Parkplätze oben im Ort zugewiesen, dann hat man unter Umständen 300 – 400 Meter zu gehen. Als ich auf die ausgehängte Teilnehmerliste schaue und nachzähle, bin ich überrascht. 326 Marathonis sind angemeldet, 278 Läuferinnen und Läufer sind mit 14 Kilometern zufrieden. Ein paar Nachmelder kommen wohl noch dazu, denn es wird ein goldener Herbsttag werden. Es ist zwar bitterkalt (3 Minusgrade), aber der Himmel ist fast wolkenlos und von Nebel keine Spur.

 

Fast alle Teilnehmer kommen aus der Region oder aus dem Raum Basel, allerdings sind auch ungefähr 30 Italiener aus Modena mit dem Bus angereist, Landsleute finde ich auf Anhieb nicht in der Liste. Dafür sind einige Russen am Start, die allerdings nicht alleine aus Spaß am Laufen. Das behaupte ich einfach einmal, weil ich weiß, dass es für die ersten 10 Männer um Prämien zwischen 1.200 und 150 Euro geht, die Frauen rennen für 1.200 bis 100 Euro (Platz 1 bis 5) um den Sieg. Sogar die Platzierten in den Altersklassen bekommen noch Preisgelder zwischen 500 und 50 Euro.
 
Entsprechend der Temperatur ist das Getränkeangebot am Eingang der Sporthalle: neben heißem Kaffee gibt es auch Vin chaud (Glühwein), mit dem sich vor allem die Helfer vorwärmen, bevor sie zum Dienst auf die Strecke gehen. Die Sportler greifen da schon eher bei den mit leckerem Schinken oder Paté (Leberwurst) belegten Baguettes zu.

 

Vor dem Start ist noch etwas Zeit, um eine kleine Runde durch den Ort zu gehen. Außer den paar Leuten, die sich in der Boulangerie ihr Sonntags-Baguette holen, ist niemand auf der Straße. Vorhin habe ich im Radio gehört, dass es nun auch schon wieder 10 Jahre her sind, seit in Deutschland am Sonntag Brötchen verkauft werden dürfen. Davor galt das Sonntagsbackverbot aus Kaiser Wilhelm’s Zeiten – genau genommen auch für das Elsass, das 1871 bis 1918 zum deutschen Kaiserreich gehörte. Tatsächlich scherte sich dort aber keiner darum, entsprechende Anzeigen verschwanden in versteckten Schubladen oder Papierkörben.


Ferrette ist ein mittelalterliches Städtchen, 786 Meter hoch am Nordhang des Elsässischen Jura gelegen, mit knapp 800 Einwohnern. Neben vielen alten Fachwerkhäusern fallen die Kirche aus dem 12. Jahrhundert auf, das Rathaus und zwei Burgruinen. In der Ortsmitte ist noch der öffentliche „Wäsche-Platz“ erhalten. 

 

Ein Blick zur Uhr mahnt zum Aufbruch. Unter dem Startbanner sind schon fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer versammelt, die letzten werden per Lautsprecher aufgefordert, sich an der Startlinie einzufinden. Dann erfolgt pünktlich um 9.00 Uhr der Start. 20 Minuten später gehen die Läufer auf die kleine Strecke (14,2 km).

 

Die ersten vier Kilometer gehen mit leichtem Gefälle ostwärts Richtung Bouxwiller, meist am Waldrand entlang, wo es schattig und deshalb recht kühl, um nicht zu sagen saukalt ist. Das Gras ist frostig-weiß und ich bin froh, dass ich zur warmen Mütze auch Handschuhe mitgenommen habe.

 

Es wird ein mächtiges Tempo vorgelegt. Obwohl ich schneller als sonst unterwegs bin, sind nach ein paar Kilometern nur noch ein paar Leute hinter mir. Von Bouxwiller bin ich überrascht, denn nie habe ich damit gerechnet, dass sich hier jemand für den Marathonlauf interessieren würde. Tatsächlich stehen aber etliche Bewohner vor ihren Häusern und beklatschen die Läuferinnen und Läufer.

 

Zwei Kilometer weiter, in Fislis, sind es noch mehr Leute, die nicht mit Applaus und Komplimenten geizen. Weil hier eine Schleife entlang der Ill gelaufen wird, bekommt man gleich zweimal in den Genuss der guten Stimmung. Hier treffen wir auf die ersten 14 km-Läufer, die dann aber links Richtung Werentzhouse nach Norden abbiegen, während die Marathonis sich jetzt Richtung Süden orientieren.

 

Riesige Maisfelder, frisch gepflügte Äcker und Wiesen, auf den denen wie gezuckert der Frost liegt, prägen das Landschaftsbild. Als nächstes kommt Linsdorf und bei km 10 erreichen wir Oltingue. Wieder überraschen etliche Bewohner mit ihrer Begeisterung die Marathonis. Auch von den Streckenposten hat keiner die Hände in der Tasche, alle klatschen und haben ein freundliches und anerkennendes Wort. Es gibt keine organisierte Musik- oder Trommlergruppen, alles kommt spontan und herzlich rüber.

 

Die gesamte Strecke verläuft auf guten Verkehrsstraßen, die allerdings nicht gesperrt sind. Teilweise wird der Verkehr umgeleitet, ansonsten verhalten die sich die paar Chauffeure, die unterwegs sind, äußerst rücksichtsvoll. Es sind auch Begleitfahrzeuge unterwegs, die das Läuferfeld absichern. Brenzlig wird es in keinem Fall.

 

Flach ist die Strecke nicht, das muss man anmerken. Auf dem ersten Drittel geht es noch ganz gemächlich und leicht wellig voran, danach kommen aber auch recht kräftige „Bodenwellen“.

 

Nach Oltingue bilden beidseitig der Straße hohe Bäume eine Allee, wie man sie bei uns kaum mehr findet. Da ist ja rechts und links der Straßen alles abgeholzt. Nur in den Neuen Bundesländern sind solche Alleen auch noch zu finden. Wieder fallen die großen Weizenfelder auf, dahinter liegen die bewaldeten Hügel des Jura.

 

Nachdem der Kirchturm schon lange sichtbar ist, wird jetzt Wolschwiller erreicht, wo man, hätte man es nicht so eilig, den Rittimatt-Hof, einen mehr als 250 Jahre alten Bauernhof, besichtigen könnte. Am Ortsausgang bei km 15 ist die nächste, reich bestückte Verpflegungsstelle eingerichtet. Außer Wasser und den üblichen Bananen gibt es Cola, Riegel und Orangen, Trockenobst, Gebäck, Zucker und Bonbons.

 

Wir ändern jetzt die Laufrichtung und sind nach Westen unterwegs. Gleichzeitig ändert sich das Landschaftsbild, denn Weideflächen, kleine Wäldchen und Streuobstwiesen sind jetzt zu sehen, hin und wieder auch steile, felsige Abhänge.

 

Mir ist schon die ganze Zeit aufgefallen, dass hinter jedem Ort ein Anstieg wartet. Mittlerweile kann ich mich darauf verlassen, denn auch hinter der kleinen Örtchen Lutter (km 16) geht es bergauf, diesmal sogar ziemlich heftig, allerdings nur kurz. Erst hinter Raedersdorf (km 20), das wir nach der alten Mariabrunn-Kapelle erreichen, wartet ein 2 – 3 Kilometer langer Anstieg, der dafür aber nicht steil ist. 

 
Überholt werde ich natürlich schon lange nicht mehr, ist ja auch kaum jemand hinter mir. Dafür sammel ich den einen oder anderen ein, der das Rennen zu schnell angegangen ist, oder das Streckenprofil unterschätzt hat. Darunter ist auch ein „Super-Marathonläufer“ aus Italien, dem seine auf dem Shirt verewigte Bestzeit (2:51:42) heute auch nichts nützt.

 

Die ersten zwei Drittel kann ich ziemlich gleichmäßig laufen, dann kommt auch bei mir der Zeitpunkt, wo ich zurückschalten muss. Meine Zielsetzung lautet: durchlaufen, keine Gehpausen bergauf. Und das ziehe ich auch durch.

 

Auch den kleinsten Ort, wie jetzt Ligsdorf (km 23), kann man nicht ungesehen durchlaufen. Überall nehmen ein paar Leute Anteil am Rennen. Das ist nur bei ganz wenigen Landschaftsläufen so der Fall und ganz bestimmt ein Merkmal für den Marathon durch den Elsässischen Jura.

 

Links liegt jetzt der Ort Winkel (km 25) und wir halten uns nun nördlich, passieren ein schattiges und kühles Waldstück, bevor wir in Durlingsdorf (km 29) und dann in Liebsdorf (km 30) einlaufen. Dabei verkneife ich mir jetzt die Bemerkungen bezüglich der Steigungen jeweils am Ortsende. Ihr könnt Euch aber darauf verlassen, sie sind da.

 

Die nächsten 3 Kilometer sind noch mehr als zuvor echt zum Genießen. Wir laufen in der prallen Sonne einem Flüsschen entlang, immer leicht abwärts durch die Weidelandschaft Richtung Mooslargue (km 34). Die Temperaturen mögen mittlerweile bei 8 Grad liegen. In Mooslargue hat am Ortseingang ein Mann mit seiner Frau ein Transparent zur Begrüßung der Läuferinnen und Läufer über die Straße gespannt. Während er mit Holzlöffel und Kochtopf Lärm macht, applaudiert Madame und bietet Wasser, Bier und Schokolade an. Da kann keiner nein sagen. Merci, und weiter geht’s. Im Ort selbst fallen einmal mehr die bunten Hausfassaden auf, die typisch für das Elsass sind. Weißen Putz mag man nicht, stattdessen lieber Bonbonfarben.

 

Die Strecke führt nun weiter leicht ansteigend in östlicher Richtung nach Moernach (km 36) und weiter, immer noch ansteigend, nach Koestlach. Es ist 13.00 Uhr, Mittagszeit, in ganz Frankreich ist man beim Essen. Entsprechend ist der Ort wie ausgestorben. Am Ortsende stehen dann aber doch ein paar Leute und gratulieren zur Leistung und wünschen noch einen guten Lauf („Bon Route“).

 

In Vieux-Ferrette (km 40,5) sind auf der Straße dann doch ein paar Autos mehr unterwegs. Dort sorgen dann gleich 8 Polizisten und Feuerwehrleute dafür, dass keines den Läufern zu nahe kommt. Gleichzeitig klatschen sie Beifall und signalisieren, „gleich hast Du es geschafft.“

 

Jetzt sieht man schon die Burg über Ferrette, dann kommt eine leichte Rechtskurve und schon wird der  Blick frei auf das Startbanner. Noch 300 Meter, dann geht es links abwärts zum Sportzentrum. Der Sprecher stellt mich vor: „Klaus Duwe aus Baden-Baden.“ Als ich ins Ziel laufe, rufen 15 bis 20 Leute: „Salü, Klaus.“ Bist Du schon einmal herzlicher empfangen worden, in einem Land, wo Dich keine Sau kennt?

 

Nachdem ich meine Medaille empfangen habe, geht es in den Verpflegungsbereich, wo noch einmal die ganze Palette bereit steht. Wer will, kann gratis ins Hallenbad. Ansonsten stehen in der Sporthalle, wie eingangs schon erwähnt, Duschen zur Verfügung.

 

Gleich neben dem Zieleinlauf sind einige Verkaufsstände aufgebaut, es gibt die hier so beliebten Merguez, die roten, scharfen und fettigen Würste, belegte Baguettes und natürlich einheimisches Bier und Wein.

 

Sieger und Siegerin gibt es auch. Bei den Männern läßt sich der Elsässer Samir Baala den Sieg nicht nehmen. Um sich aber vor den zwei Russen Victor Rogovoy und Dimitri Chatkin zu platzieren, muss er sich schon gewaltig anstrengen: 2:26:56 Stunden sind bei diesem Kurs wahrlich nicht schlecht. Bei den Frauen gewinnt die Weiß-Russin Natalia Bendik in 2:57:44 Stunden

 

Streckenbeschreibung

Sehr schöner, hügeliger Rundkurs durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft und viele kleine Orte. Alles auf asphaltierten Verkehrsstraßen, kaum Verkehr

 

Starterpaket/Auszeichnung:

Rucksack, Mütze oder T-Shirt, Medaille

 

Startgeld

25 bis 35 Euro für den Marathon

 

Zeitnahme

Manuell

 

Logistik

Parkplätze in der Nähe von Start und Ziel,
Kleiderdepot und Duschen in der Sporthalle

 

Ausschilderung

Jeder Kilometer wird angezeigt

 

Verpflegung

Alle 5 Kilometer Getränke und Verpflegung
Wasser, Cola, Riegel, Bananen, Äpfel, Trockenobst

 

Zuschauer

Nicht nur beim Start und im Ziel, auch unterwegs in den Orten sind häufig Menschen an der Straße, applaudieren und feuern die Marathonis an. Es sind nicht viele hundert oder gar tausende, aber freundlich, spontan und herzlich sind sie alle.

 

Informationen: Marathon du Jura Alsacien
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