Der temperamentvolle Pfälzer hat eine ausgeprägte Schlagfertigkeit und Heiterkeit. Und wenn Kirchweihe (Kerwe) oder Weinfest ist, dann wird richtig auf den Putz gehauen. Und wenn mal nicht Kerwe ist, dann ist der erste Mai, der Tag an dem so mancher Bauer seinen mit Mist beladenen Wagen auf dem First der Scheune vorfindet, oder es ist Vadderdag und die Haustür ist zugemauert, oder Schützenfest, und das Puhlfass (Jauchebehälter) ist mit Lehm gefüllt, oder es wurde ne fette Wildsau erlegt und ich musste mich mit den Treiber im Armdrücken und Schorlepetzen messen.
Wenn es mal nicht diese „nadierlischen“, alljährlichen Anlässe sind, dann ist es eben der Weinstraßen-Marathon! Weil da auch Auswärtige antreten, und der Weinpfälzer(Woipälzer) schnell in Stolz und Ehrgefühl verletzt sein kann und ich so schnell bin, deswegen gibts den Weinstraßen-Marathon auch nur alle zwei Jahre.
Gerade die Burschen aus Bockenheim(eschde Pälzer Bu), dem Startort des Marathons, sind wahre Haudegen, weswegen ich hier nie auffiel. Es fliesst in ihren Adern wohl das hitzige Blut ihrer früheren Gebieter, den Grafen von Leiningen, die als Wappentier den munteren, stoßlustigen Bock wählten. Nach so mancher „Kellervisite“ vermied ich immer die Frage, ob die Kopfschmerzen vom Wein oder von der sanften Faust des Winzers stammten. In Bockenheim bezeichnet man dieses natürliche Leiden einfach als die „Bokremer Kranket“ .
In der Pfalz ist der Mann noch ein Mann und der Läufer ein Läufer. Der Pfälzer Läufer hat keine von Stützstrümpfen marmorierte Waden, sondern einen mit Fleisch prallgefüllten Saumagen (Saumaache).
Auf der Marathonmesse kauft man nicht Sport-BH, Startnummernbändchen, Müsliriegel oder Power-Gel, sondern Leberklöße (Lewwerknepp), Sauerkraut, Bratwurst und Wein (Palzwoi). Und statt Massage tanzt man auf den Tischen. Im Starterbeutel liegen nicht Duschgel und Blasenpflaster, sondern eben eine gute Flasche Wein, vom Organisationsteam selbst im Kelterhaus des Weingutes Holstein aus Kindheim, einem Nachbarort von Bockenheim verkostet.
Über 1000 Marathonläufer und 2000 HM-Läufer treten an, schon im Januar wurde das Teilnehmerlimit überschritten.
Die Hochschule Heidelberg führt wieder eine Umfrage durch. Es wird die Wertschöpfung dieser Marathonveranstaltung analysiert. Vor zwei Jahren wurde festgestellt, daß der Lauf mehr als eine Million Euro in die Region gebracht hat, vielleicht werde ich in meiner Strasse auch mal sowas veranstalten, ich unterstütze jedenfalls diese Umfrage.
Die Anreise ist problemlos und schnell. Shuttlebusse stehen direkt an der Autobahnausfahrt.
Dieter ist zu Recht stolz auf sein Trans-Gran-Canaria-Finisher-Shirt. Für die 103 Km hat er 21 Std gebraucht. Wenn man bedenkt, dass er den Marathon in 3:20 läuft, dann wird einem bewußt, wie hart dieser Lauf ist. Zeitlimt ist bei 24 Std. Gerhard hat letzte Woche den MIAU (München-Insbruck-Alpen-Ultra, 160 km) gefinisht. Karl Ernst Rösner, der Mitberünder des 100 MC, läuft hier seinen 300ten. Dirk Pretorius seinen 50ten. Viele „Verrückte“ sind hier und heute angetreten (siehe Fotos) , und unterstreichen damit, dass dies hier kein 08/15-Marathon ist.
Beim Infostand des Partnermarathons, Marathon du Vignoble d`Alsace, der am 20.06. in Molsheim bei Strassburg stattfinden wird, gibt es einen wunderbaren Riesling, der uns schon vor dem Start auf den Deutschen Weinstrassenmarathon einstimmt.
Start 10 Uhr am Haus der Deutschen Weinstraße - es ist einem römischen Kastell nachgebildet, weil die Römer ja den Wein brachten, und überspannt die Weinstrasse. Die Präsentationsräume dienen für Ausstellungen, Veranstaltungen und Verkostungen rund um den Wein. Im Starterblock ist es eng. Marathon und Halbmarathon werden gemeinsam gestartet.
Schnell geht es aus dem Ort hinaus, und man kann frei laufen. In den Weinbergen ist es heiß. 20 Grad waren ja angesagt, aber die Wärme ist ungewohnt, der Frühling kommt unvorbereitet, und das Gefühl der Wärme wird von Vielen nach dem langen Winter unterschätzt. Wir wissen, wir haben 500 HM zu bewältigen, und das werden wir jetzt auch ganz gemütlich bewältigen.