Wer vor 10.000 Jahren in Mendig auf der Jagd nach Mammuts war, der hat sie noch erlebt, die heftigen Ausbrüche der Vulkane. Es gab auch Tote in Mendig, die Toten Hosen, die bei Rock am Ring auftraten.
In der Nacht auf den ersten Mai wird in dieser Gegend traditionell der Maibaum aufgestellt. Es gibt zwei Arten: der Dorf-Maibaum, und die Birke, die man seiner Liebsten ans Fenster stellt. Die Birke wird mit buntem Krepppapier dekoriert. Zum Transport und Aufstellen des Baumes braucht man Kameraden, die nicht ganz nüchtern sind. Bei Susi ist uns der Baum abgerutscht, das grelle Krepppapier hat die Hauswand verschönert, der Baum rollte über den Gartenzaun, den er plättete. Der Vater von Susi war deswegen auch geplättet. Ach ja, Elke hieß sie.
Bäcker Josef hat der Josefine 1912 auch einen Maibaum gestellt. Das ging nicht gut, also stellte ein anderer Bäcker, nämlich der Emil, 1918 der Josefine einen Maibaum. Genau 100 Jahre später ist diese Bäckerei erneut Hauptsponsor beim Vulkanmarathon.
An den Häusern aus schwarzem Basalt stehen am heutigen Morgen kaum grüne Birken. Entweder es gibt keine heiratsfähige Jugend hier, oder die Romantik ist versiegt, seitdem man Maibäume im Baumarkt kaufen kann, und nicht mehr klauen muss.
Durch Mendig fließt ein Kanal, der das Wasser aus dem Vulkansee des Laacher Sees in den Rhein abführt. Am Laachgraben liegt das Vulkanbad. Interessant für Läufer ist das „behindertengerechte Durchschreitbecken“. Folgt man dem Kanal, kommt man zur Kreissporthalle wo es die Startnummern gibt.
Helfer weisen mich auf einen Parkplatz auf grüner Wiese, direkt am Startort. Noch ist nicht viel los, die 1500 Kurzstreckler dürfen ausschlafen und sich vom Tanz in den Mai erholen. Deswegen ist die Sporthalle noch relativ unbelebt. Auch ich bin noch verschlafen. Gut, dass mir bei der Startnummernausgabe geholfen wird. Sogleich hole ich mir das Brot vom Namenssponsor Lohners Bäckerei und beiße rein. Sehr gut! Ein anderer Sponsor, die Vulkanbrauerei, bietet erst später köstliche Produkte an. Deren Kraft-Biere liefern Power und ungefilterten Gaumenschmaus.
Lohni, das Maskottchen des Hauptsponsors, dient uns knapp 100 Marathonies zum Startposing, um 8 Uhr rennen wir los. Es werden 2 Runden, bestehend aus 2 Schleifen gelaufen, 900 Höhenmeter kommen so zusammen. Christoph, der Besenläufer, ist wie jedes Jahr knallhart: „ Joe, das Zeitlimit bestimme ich!“ Das ist so gemeint, dass er nicht diejenigen hetzen will, die am Samstag in Innsbruck, und/oder am Sonntag einen der Stadtmarathons gelaufen sind. Marathonsammler nennt man solche Spinner, die sich nun im hinteren Feld treffen, um zu beobachten, ob die schnellen Läufer alles richtig machen.
Alle machen alles richtig, denn ein Verlaufen in den Schleifen und an den Kreuzungspunkten der verschiedenen Strecken ist nicht möglich. Zahlreiche Helfer haben den Überblick. Wir auch, als wir oben am Kraterrand ankommen. Ungewöhnlich klar ist die Luft, weiße Wolken über dem sonnendurchfluteten Tele-Tubby-Land. Der Blick geht weit über den Rhein, bis hoch zum Westerwald.
Die kleinen Buchenwälder sind saftig- grün. Das Herz freut sich, der Specht hämmert. Vögel zwitschern, Margit auch. Mee Too! Dieser VP wird von der Vulkanbrauerei bestückt und vom „Streckenradio“ beschallt. Schwungvoll geht es nun dem ehemaligen Bremsberg hinab. Einst wurden hier basaltgefüllte Lohren hinunter zur Bahnlinie Andernach-Mayen geschickt. Die leeren Lohren zog das Gewicht der vollen wieder hinauf. Das Basaltwerk ist kaum noch zu erkennen, nur noch die alten Mauern der Schmiede.
An der kleinen Bahnlinie ein lautes Hupen der Regionalbahn, hier gibt es einen unbewachten Bahnübergang. Den nehmen wir nicht, dafür ein kleines Trailstück geradeaus, wo wir auf die 5- Kilometerläufer und Teilnehmer des „Jedermannslaufes“ treffen. Ich finde es klasse, wie hier Leute animiert werden, die vorher noch nie gelaufen sind. Manche tragen Laufbekleidung, als sei noch tiefster Winter. Wenn ich die überhole, höre ich deren Raunen: „ Boah! Marathonläufer!“
Dann biegen die ab und werden von den Halbmarathonläufern abgelöst, die mir rasend schnell entgegenlaufen. Als ich abbiege, um wieder hinauf zum Kraterrand zu laufen, überholt mich eine Walkerin: „1. Kuchen-Walker-Club“. Soll ich ihr hinterherrufen, dass ich am Sonntag 4:31 gelaufen bin?
Die Stimmung ist hier so goldig, wie die Rapsfelder gelb. Und das soll so bleiben. Wenn ich die zahlreichen Stöckchenschwinger überhole, hören die den Aufprall meiner Hokas und springen panikartig zur Seite. Wer nicht hört, den wecke ich mit einem hämischen: „Macht ihr auch Sport?“ Dann springen auch die tänzerisch zur Seite und ich spitze die Ohren, bis ich es wieder höre: „ Boah, ey! Ein Marathonläufer“. Auch neugeborene Lämmer sind von mir begeistert. Zwei ältere Damen mit winzigem Hündchen ebenso: „ Wir laufen diese Strecke jeden Morgen!“
Das ständige Auf-Und-Ab der Strecke ist besser als jedes Intervalltraining. Viel Abwechslung zwischen Feldern, Wald und kleinen Häuseransammlungen. Im Stadtpark flüchten die brutbereiten Enten vor mir und beim „Aufstieg“ zur Erlenmühle flitzt mir eine Jungtruppe entgegen, um dann unten am Parkplatz erschöpft ins Auto zu kriechen. Alles läuft hier, alles rennt. Ich auch, weil es hier so viel Spaß macht.
Ganz großes Lob an den Veranstalter LC Laacher See. Respekt vor der engagierten und erfolgreichen Nachwuchsarbeit. Ich komme sehr gerne am 01.Mai 2019 wieder.