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Laufberichte

Läuferglück auch im Norden

 

Verena ist schuld. Und ich selber ebenso, denn warum auch muß ich so viel lesen? Verena, promovierte Biologin mit Wahlheimat Bochum und begeisterte Läuferin sowie Radfahrerin ist auch als Literatin aktiv. Und das nicht weniger begeistert. Mir haben es vor allem ihre drei Laufbücher und das über Triathlon angetan. Dort entgeht man nicht nur nicht ihren zahlreichen Franks (weil sie mal so viele kannte, heißen der Einfachheit halber alle Männer bei ihr Frank) sondern auch dem Städtchen Otterndorf. Dort nämlich war sie im Jahres des Heils 2005 Stadtschreiberin und lebte konsequenterweise auch dort. Die Liebe zu diesem Ort quillt dermaßen aus ihrem Schaffenswerk, dass ich dann doch irgendwann einmal recherchiert habe, wo das eigentlich liegt.

Von Hamburg elbabwärts kommend ist es die letzte größere Ortschaft vor Cuxhaven, wo die Elbe an der Kugelbake bekanntermaßen in die Nordsee mündet. Noch Anfang Mai waren wir genau dort und sowohl von der Stadt als auch dem Cuxhavener Marathon sehr angetan, Ihr habt es lesen können (oder holt es jetzt eben nach). Jedenfalls waren das alles überzeugende Argumente, uns schon zwei Wochen nach unserem 700 km weiten Ausflug zum Dachstein 500 km in die entgegengesetzte Richtung aufzumachen.

Wie erhofft, finden wir Verenas Loblied bestätigt: Von Kriegsfolgen offensichtlich verschont, präsentiert sich das 7.500 Einwohner-Städtchen mit vielen Häusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert als historisch gewachsen, bestens herausgeputzt und voller freundlicher Eingeborener. Ob Frühstück bei Schröders oder Tiedemanns, ob lecker Happahappa im Ahoi Steffen Hensslers oder Eis bei Brünings: Äußerst zuvorkommende Bedienungen und appetitliche Kulinarik schreien schon jetzt nach einem längeren Zweitaufenthalt.

Doch wollen wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Freitagsabends eingetroffen, steht der Samstag bei bestem Wetter ganz im Zeichen der Stadt- und Küstenerkundung. Wobei die Elbe hier bereits dermaßen breit ist, Ebbe, Flut und Wattenmeer zu bieten hat, dass man meint, schon an der See zu sein.

Die Startunterlagen gibt’s in der Schule, die optimal mittig zwischen unserer Ferienwohnung und der Altstadt liegt. Gekonnt routiniert geht’s zur Sache, kein Wunder nach bereits 22 erfolgreichen Ausgaben. Kleiner Wermutstropfen: Verena hat heuer nicht gemeldet, das wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Die private Kohlehydratparty findet beim Chinesen statt und wird hoffentlich ausreichend Kraft für den langen Lauf geben.

 

 

Der beginnt für mich bereits um 9 Uhr eine gute Stunde vor dem Start, weil ich mir sowohl den Spielmannszug als auch die ersten Kinderläufe ansehen möchte. Elke kommt etwas später dazu, sie wird um 10 Uhr eine Viertelstunde vor den (Halb)Marathonern loslaufen. Das Gewusel nimmt minütlich zu, passend zum Weltkindertag, den die heutige Veranstaltung zum Motto hat (Kinderrechte). Wenn man wie ich sechs Enkeltöchter sein eigen nennt, ist man diesbezüglich besonders sensibel und weiß verantwortungsvoll mit dem Urvertrauen umzugehen, das einem diese Würmchen entgegenbringen.

Norbert König, der sympathische, aus dem Cuxhavener Umfeld stammende ZDF-Sportreporter, moderiert das Ereignis gekonnt und stellt uns die heute teilnehmenden in- und ausländischen Spitzenathleten einzeln vor. Kurz erwäge ich Protest einzulegen, da meine Gattin keine Erwähnung findet, obwohl ihr seinerzeitiges, gnadenloses Duell gegen Viktor Röthlin beim Minimarathon um die Morisse in Interlaken anlässlich des Jungfrau-Marathons weltweite Aufmerksamkeit erlangte und natürlich unvergessen ist. Vor allem bei Elke.

Erst finden Schülerläufe statt, dann wird der Zehner auf die Reise geschickt, bevor sich die Teilnehmer des halben und des ganzen Marathons in der Zielaufstellung im Herzen der Altstadt einfinden. Ich freue mich auf den gemeinsamen Lauf mit Dörte. Wir hatten uns in Cuxhaven bei km 38 kennengelernt und die letzten km gemeinsam unter die Füße genommen. Heute steht ihr zweiter Einsatz über 42,195 km an. Mitgebracht hat sie aus dem 90 km entfernten Brake vom Lauftreff Lauffeuer ihren Trainer Alexander und Dieter.

 

 

Ich freue mich, dass verschiedene Teilnehmer im Flecktarnshirt Werbung für unsere Bundeswehr betreiben und lerne mit Natalja sogar eine Bonner Kollegin kennen. Es ist richtig viel los, als wir um Viertel nach Zehn losgelassen werden. Die kluge Zeiteinteilung der Starts garantiert allen hohe Aufmerksamkeit. Durch die zahlreich angebotenen Distanzen ist für jeden etwas dabei und daher befinden sich auch viele Fans an der Strecke. Und daran wird sich bis zum Ende erfreulicherweise nichts ändern.

Schnell lassen wir die Bebauung hinter uns und schlagen den Weg in Richtung Elbe ein. Nicht nur das erste, sondern alle km-Schilder sind individuell gestaltet und nehmen Bezug auf die Kinderrechte. Der erste km ist mit exakt sechs Minuten bei einer Zielzeit von etwa 4:30 Std. zwar etwas flott, aber wir beschließen, es laufen zu lassen, solange es geht. Nicht wenige Anwohner stehen am Rand und feuern uns gutgelaunt an, woran das günstige Wetter (mild und häufig bedeckt) natürlich seinen Anteil hat.

Auf einem asphaltierten Fuß-/Radweg überqueren wir mit der nur 17 km langen Medem das örtliche Flüsschen, das sich natürlich in die Elbe ergießt. Zwischen ihr zur Linken und dem Deich zur Rechten sind die ersten drei km der Viertelmarathonrunde bereits absolviert. Ohne dass ich es bemerkt hätte, hatten wir wohl das Stadtgebiet verlassen und werden vom Ortseingangsschild wieder begrüßt. In der Ferne erkennen wir das blaue Stahlwerk der Schleuse, welche offenkundig die Medem und damit die Stadt bei Bedarf vor eindringendem Hochwasser schützt. Wenige Höhenmeter, die noch leicht fallen, sind zu absolvieren.

 

 

Hinter der Schleuse wartet mit dem Deich, auf dessen Krone wir laufen dürfen, ein optischer Leckerbissen. Zumindest den ersten Abschnitt, der nicht befestigt ist, hat man wohl extra heute für uns freigegeben. Mit schönem Blick auf die Medemmündung, den kleinen Bootshafen und vierbeinigen Rindviechern kommen wir gut voran. Links unterhalb, bereits auf dem Rückweg, erkenne ich den späteren Sieger des Halbmarathons, einen Äthiopier.

Inzwischen auf befestigter Deichkrone biegen wir bald zur Elbe hin vor den Deich ab und laufen eine Weile an ihm entlang. Noch ist Ebbe, Wattwanderer sind unterwegs, das Wasser weit entfernt. Doch bei unserem vierten Vorbeikommen werden wir einige unerschrockene Badegäste im Wasser bewundern. Linkerhand auf dem Grünstrand stehen wie in Cuxhaven etliche bunte Strandkörbe, die sich bei näherer Betrachtung als Unterstellmöglichkeiten für Liegen entpuppen und Strandkörben nur von der Form her ähnlich sind. Vor der Reihe der sechzehn deutschen Landesflaggen verlassen wir das Wasser und arbeiten uns in langen Bögen den Deich hinauf.

Wieder hinab kommen wir auf die Begegnungsstrecke von wenigen hundert Metern Länge, die wie immer eine hochwillkommene Gelegenheit darstellt, Bekannte und Unbekannte zu mustern. Auch Natalja und Alexander sind dabei. Am Wendepunkt werden unsere Startnummern notiert. Gut so, es gibt ja leider immer wieder ganz besonders Schlaue... Wieder überqueren wir, diesmal hinter der Schleuse, die Medem, wo die bereits zweite Verpflegung von vieren (pro Runde!) mit allem Notwendigen und mehr wartet. Einen kleinen Foto-Abstecher zum Denkmal der Deicharbeiter kann ich mir nicht verkneifen.

Schon hat uns die Bebauung wieder aufgenommen, nicht wenige Fangruppen sitzen beim ersten oder bereits zweiten Frühstück in gemütlicher Runde vor ihren Häusern und widmen uns nicht nur ihre volle Aufmerksamkeit, sondern auch nicht zu knappen Beifall. Von den Kollegen der Polizei und den Kameraden der Feuerwehr geschützt, streben wir der Altstadt zu.

 

 

Ein nettes Seitensträßchen bringt uns im Bogen zum Innenstadtkern zwischen Kirche, Rat-, Teehaus und was der Ort sonst noch an netten Häusern zu bieten hat. Wie schon erwähnt, tobt hier der Bär, denn für die Kinder bietet man auf einer großen Aktionsfläche zwischen 9 und 16 Uhr jede Menge Attraktionen, die sehr guten Besuch bis in den späten Nachmittag hinein garantieren. Auch das Eiscafé ist zu dieser relativ frühen Stunde schon gut frequentiert.

Meine stolze 10 km-Läuferin strahlt bereits medaillendekoriert ob der 34 Mitläufer, die sie hat hinter sich lassen können. Nicht Letzte zu werden ist immer das Gebot der Stunde. Und so geht es, ganz entspannt, auf die zweite Runde, mit 1:05 Std. im selbstgesetzten Soll. Inzwischen ist die Sonne durchgebrochen und lässt den Schweiß in Strömen fließen, denn im September hat sie noch ordentlich Kraft. Dankbar registrieren wir jeden Luftzug.

Beim Wechsel auf die dritte Runde erleben wir wieder einen Schülerstart. Die Vorderen rennen, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her. An der Medem überrundet uns als Erster Jan Podworny, der seinen Vorsprung aber ganz knapp nicht über die Zeit bringen wird und Zweiter wird. Gewonnen hat Stephan Krakow in 3:05:17 Stunden.

Zum dritten Mal arbeiten wir uns den Deich hinauf, als ich etwas langsamer machen muss, denn bei meiner lieben Begleiterin ist ein wenig die Luft heraus. Oben auf sie wartend, spricht mich eine weitere junge Frau an. „Prima, mit Dir laufe ich jetzt weiter!“ Prinzipiell ist das für mich nie ein Problem, insbesondere nicht wie hier bei deren erstem Marathon. Jetzt aber schon. „Ich warte auf meine Freundin. In guten wie in schlechten Zeiten. Äh, Lauffreundin, damit kein Missverständnis entsteht!“ Das ist für sie überhaupt kein Problem, daher sind wir ab sofort zu dritt.

 

 

Meike entpuppt sich als Volltreffer, denn ab sofort stehen wir offensichtlich im Mittelpunkt des Interesses. Dem muss ich dann doch irgendwann auf den Grund gehen, der sich schnell erklärt. Die gebürtige Cuxhavenerin ist hiesige Grundschullehrerin und bekannt wie ein bunter Hund. Nun, Dörte und mir kommt's zugute.

Zum wiederholten Mal passieren wir den Süßwassersee, um den sich eine hübsche Ferienanlage mit Campingplatz und allem Pipapo gruppiert. Auch klasse Laufwege gibt es dort, die wir am Vortag entdeckt haben. Wenig später gesellt sich Alexander dazu, der einen suboptimalen Tag erwischt hat, und so unser bisheriges Dreierteam weiter verstärkt. Beim dritten Zieldurchlauf stimmt die Zeit mit 3:15 nach 2:10 Std. beim zweiten noch, aber danach ist teilweises Marschieren angesagt. Doch wen juckt das?

Schön mitzuerleben ist unverändert der Zuspruch für die Novizin Meike, deren Eltern mit Rädern etwa vier km vor dem Ziel auf sie warten. Meike erzählt mir eine rührende Geschichte, die nur das Leben selber schreibt: Der Vater ihres Vaters war ein guter Marathonläufer, ist aber leider im Krieg gefallen, als ihr Vater kaum ein Jahr alt war. Schon als sie sich zum Marathon angemeldet hatte, trat dem das eine oder andere Tränchen aus dem Auge. Bestimmt hat Dich, Meike, der Opa von Wolke Sieben aus mit Stolz auf seine Enkeltochter begleitet.

Diese genießt, von ganz vielen Menschen beglückwünscht, einen begeisternden Zieleinlauf und ist nach viereinhalb Stunden zu Recht stolz auf sich. Ich bin mir sicher, dass das keine Eintagsfliege bleiben wird. Auch Norbert König ist noch unverdrossen moderierend vor Ort und "drängt" sich auf unser Siegerbild. Ein supernetter Kerl ist das, eine wirkliche Bereicherung des Tages.

 

 

In der „Läuferoase“ dürfen wir uns, nachdem wir uns sogar eine Soforturkunde haben ausdrucken lassen können, wieder aufpäppeln. Wenn ich krampfhaft nach etwas nicht ganz Optimalem suchen wollte, wäre es das Angebot. Das nämlich haben diejenigen, die vor uns hier waren, fast restlos geräubert. Gegen ein Stückchen Kuchen zur Belohnung hätten ich und andere bestimmt nichts einzuwenden gehabt. Vielleicht behaltet Ihr einfach ein wenig zurück, denn auch hinter uns kamen noch etliche Bedürftige ins Ziel.

So freut man sich eben bei Brünings auf weiteren Umsatz, wo wir nicht nur unsere Wunden, sondern auch sehr gutes Eis lecken. Meike und Dörte kommen aufgrund ihrer Altersklassenplazierungen sogar noch zu einem Präsent. Dank Verena, einer tollen Veranstaltung in wunderbarer Umgebung bei ebensolchem Wetter und nicht zuletzt wegen Dörte und Meike habe ich innerhalb von nur zwei Wochen zum zweiten Mal in 1.200 km Abstand Läuferglück erlebt, diesmal im Norden. Die Anfahrt lohnt sich, Ihr werdet es nicht bereuen.

 

Streckenbeschreibung:
Weitestgehend flacher, abwechslungsreicher Viertelmarathonkurs.

Startgebühr:

28 - 35 € für den Marathon, je nach Anmeldezeitpunkt. Nachmeldegebühr.

Weitere Veranstaltungen:
Marathonstaffel (4 Läufer), Halbmarathon, 10 km, 5 km,  Handbiker/ Pedalo, Walking 7,5 km, div. Schülerläufe, Bambinimarathon.

Leistungen/Auszeichnung:
Medaille, Urkunde, Preise für die Schnellsten, auch in den Altersklassen.

Logistik:
Zielverpflegung um die Ecke, Gepäckaufbewahrung, Umkleiden und Duschen in der Schule (max. 500 m Fußweg).

Verpflegung:
An 4 Stellen pro Runde alles, was man sich wünscht, und mehr.

Zuschauer:
Überraschend viele und das auch noch nach viereinhalb Stunden.

 

Informationen: Küstenmarathon
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