Nun sind es deren drei. Tiberias am See Genezareth hat ihn schon seit 34 Jahren. In Tel Aviv gibt es ihn seit der 100-Jahr-Feier der Stadt 2009. Und nun ist es auch in Jerusalem soweit. Der dritte Marathonlauf in Israel wird erstmals ausgetragen.
Jerusalem ist in Läuferkreisen kein unbeschriebenes Blatt. Schon seit längerem gibt es einen Halbmarathon in der Stadt. Bereits zum 19. Mal wird 2011 der Halbe ausgetragen. Laufen hat also Tradition in der Hauptstadt Israels.
Der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, selbst fünffacher Marathonläufer, hat die Idee hier einen Marathon zu veranstalten tatkräftig unterstützt. So gibt es am 25. März 2011 neben dem traditionellem Halben erstmals einen „Full-Marathon“ in Jerusalem. Der Bürgermeister selbst ist auch am Start und läuft den Halben.
Gleich drei Weltreligionen haben in Jerusalem ihre Hauptheiligtümer. Neben den Juden sind dies Christen und Moslems. Für die Moslems ist Jerusalem neben Mekka, Medina und Kairouan eine der vier heiligen Stätten.
Verbunden sind die Weltreligionen in Jerusalem mit klangvollen religiösen Stätten. Hier nur eine kleine Auswahl: Klagemauer, Al-Aqsa-Moschee, Felsendom, Grabeskirche, Via Dolorosa ... Zumeist leben die Religionen friedlich nebeneinander. Wäre da nicht der politische Konflikt. Jerusalem ist einer der Knackpunkte für einen Frieden im Lande. Sowohl Palästinenser als auch Isrealis erheben den Anspruch, Jerusalem als ihre Hauptstadt zu haben. Der Konflikt ist allgegenwärtig und nirgends so deutlich spürbar im Lande wie hier in Jerusalem. Keine Ahnung, wie dieser politische Sprengstoff beseitigt werden kann, ein Kompromiss muss aber her, denn ohne Frieden in Jerusalem wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben.
Wie aktuell der Konflikt ist, erlebe ich hautnah. Am Ankunftstag kommt es seit Jahren wieder einmal zu einem Bombenattentat in Jerusalem. Ca. 500m vom Hotel entfernt explodiert eine in einer Tasche versteckte Bombe an einer Bushaltestelle, nur 200m von der Marathon-Expo entfernt. Ich höre einen lauten Knall und kann von meinem Hotelzimmer noch den abziehenden Rauch sehen.
Die Reaktion der Israelis zeigt, dass sie gelernt haben, mit solchen Attentaten umzugehen. Sofort sind Rettungskräfte, Polizei usw. vor Ort. Als ich etwa 15 Minuten nach der Explosion zum Ort des Geschehens komme, sind die Opfer, eine tote britische Touristin und über 20 Verletzte, bereits geborgen bzw. in Krankenhäuser abtransportiert. Kameramänner des israelischen Fernsehens filmen den Tatort. Das Geschehen ist live im Fernsehen zu sehen, wie mir andere deutsche Marathonläufer berichten.
Die Einstellung der Israelis wird von Bürgermeister Nir Barkat auf einer Pressekonferenz auf den Punkt gebracht: "Der beste Weg mit dem Terror umzugehen ist mit dem normalen Leben fortzufahren." Schon am Abend des Anschlages fließt der Verkehr auf der vielbefahrenen Straße wieder völlig normal. Zwei Kränze an der Bushaltestelle erinnern an die Opfer.
Die Durchführung des Marathons ist nicht unumstritten. Die Strecke führt auch durch den von den Palästinensern beanspruchten und besiedelten Ostteil der Stadt. Es gab sogar Boykottaufrufe gegen den Marathon.
Ich halte mich aus diesen Streitereien raus. Mir geht es nicht um Politik. Ich bin Läufer und freue mich auf einen Lauf durch eine Stadt, die für mich zu den interessantesten auf der Welt gehört. Ich bin politisch neutral und möchte meine Teilnahme am Lauf nicht als ein politisches Zeichen für wen auch immer verstanden wissen.
Das Beispiel des Jerusalem Marathons zeigt aber wieder einmal deutlich, wie versucht wird, Sport für Politik zu missbrauchen. Sport ist nicht erst seit dem ersten Boykott der Olympischen Spiele kein politikfreier Raum. Aber lassen wir die Politik beiseite. Ich bin zum Laufen in Jerusalem. Zweimal war ich schon beim Tiberias Marathon. Als ich vor einigen Monaten auf m4y die Ankündigung eines Marathons in Jerusalem las, war für mich klar, da muss ich hin. 2009 hatte ich bereits Jerusalem besucht und war fasziniert von der Stadt. Zudem begeistert mich die Erkundung einer Stadt im Rahmen eines Marathonlaufs immer wieder. Von Jerusalem kenne ich bislang fast nur die Altstadt. Nun möchte ich mehr von Jerusalem sehen.
Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, als ich kurz nach dem Bombenattentat zur Marathon-Expo ins International Convention Center gehe. Als ob fast vor der Tür nichts geschehen wäre, spielt eine Band im Eingangsbereich. Eine kleine Ausstellung bietet das auf Marathonmessen Übliche an.
Die Startnummernausgabe ist unterteilt nach den verschiedenen Läufen. Neben dem Marathon werden der traditionsreiche Halbmarathon, ein 10-KM-Lauf und ein 4,2-KM-Lauf angeboten. Insgesamt wird die Teilnehmerzahl mit rund 10.000 angegeben. Davon sind weniger als 1.000 auf der Marathonstrecke unterwegs. Für einen Einsteigermarathon kein schlechtes Ergebnis.
Im Startbeutel sind ein Funktionsshirt und ein Chip. Eigene Chips können nicht verwendet werden. Es ist alles wohlgeordnet und findet ohne Hektik statt. Auf der gut besuchten Pasta-Party am Vorabend des Marathons gibt es leckeres Essen und freie Getränke zu Livemusik.
Es ist zu hören, dass fast 1.000 Läufer aus dem Ausland angereist sind. Da kann manch anderer Veranstalter neidisch werden. Die Teilnehmer kommen aus 40 Ländern. Damit ist der Jerusalem Marathon wahrlich international.
Die Strecke ist nicht einfach. Vom Start unterhalb des Parlaments, der Knesset, verläuft sie immer auf- und abwärts und weist ca. 750 Höhenmeter auf. Sie ist damit wahrlich kein typischer Stadtmarathon mit flachem Profil, aber auch von einem Bergmarathon weit entfernt. Bestzeiten muss man woanders laufen.
Auf der von mehreren Wendepunktpassagen geprägten Strecke bekommt man einen guten Eindruck von der Stadt und ihren unterschiedlichen Vierteln. Höhepunkt ist der kurze Teil durch die Altstadt.