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Laufberichte

Work-Life-Balance

04.11.12

Noch herrscht ein gutes Betriebsklima. Ich schaue durch ein Fenster hinaus zum Hof. Draußen: Regen und Wolken, die stürmisch dahinziehen. Drinnen macht sich der Klimawandel bemerkbar: Die Tropfen der schwitzenden Läufer schimmern auf dem hellgrauen PVC. Die Plastiksohlen der Laufschuhe quietschen bei jedem Schritt auf dem Boden und die trockene Luft kratzt wie Sandpapier in meinem Hals. Genau richtig kommen wir in den Arbeitsbereich mit Rutschgefahr. Nicht nur durch den Schweiß kommt es hier zu Feuchtigkeitsansammlungen, die sofort den Sicherheitsbestimmungen entsprechend aufgewischt werden, sondern auch durch das ausschwappende Wasser aus dem Getränkebecher. Alle Gefahrenstellen sind hier gesichert. Man könnte fast glauben, man wäre im Verkaufsraum eines Möbelhauses.



Nach der Rechtskurve geht es wieder durch einen Flur entlang, bis es plötzlich wieder scharf nach rechts ins nächste Treppenhaus geht. Knapp einen Meter Breite zwischen Wand und Treppengeländer, drinnen Geschiebe und Gestämme. Die Hand auf das von den anderen Läufern nassgeschwitzte Geländer gelegt, den Kopf in den Nacken und den Blick nach oben. Da muss man durch. Bald ist jeder von jedem eingekesselt – eingeklemmt im rettungslos überfüllten Treppenhaus. Unfreiwillig bin ich so in die Rolle des Blockierers geraten. Jeder kennt die Kollegen, die mit dem Halbtagsjob rücksichtslos ihre Ellenbogen ausfahren. Über so etwas kann man hinwegsehen - oder sich mit einer Gemeinheit rächen. Keuchend und mit rasendem Puls ist die letzte Stufe erreicht. Wieder eine scharfe Rechtskurve, wieder durch einen Flur und schon ist man fast wieder am Zugang zum Foyer.

Was wir nicht zu sehen bekommen: Schreibtische mit Computern und Druckern, denn die Gänge sind abtrasiert. Nicht, dass wir vielleicht noch in die Chefetage laufen. Das hätten wir aber dann sicherlich bemerkt, denn: Je höher man kommt, desto dicker wird der Teppich. Ein Siegertyp läuft niemals gedankenverloren und schon gar nicht ziellos über den Flur. Niemals direkt an der Wand entlang, das machen nur die Jogger. Die Ambitionierten stürmen den Mittelstreifen und müssen komischerweise nie auf eine Toilette. An denen fehlt es hier nicht. Sie vermitteln ein Gefühl der Sicherheit. Dabei bleibt die Nutzung jedoch stets unverbindlich und zeitlich flexibel.

Auf den ersten Runden ist es am sichersten, wenn man genau das Tempo läuft, das die anderen Läufer vorgeben. Rasend geht es zwischen zwei große gelbe Ohren (BiB-Gates) hindurch. Sie dienen der genauen Zeitmessung der Büroläufer. Mithilfe des Transponders, der in die Startnummer integriert ist, erscheint, wenn auch nur für einen kurzen Moment, der eigene Name, die gelaufene Zeit, die Platzierung und die noch zu laufenden Runden auf einer großen Leinwand.

Auf den ersten Runden kann ich meinen Namen noch nicht erkennen. Nach einigen Runden dann schon. Und was ich da sehe, spornt mich an. Schon rutschen andere Namen und Zeiten nach, wie die Börsenmitteilung auf N-TV in der Dauerschleife. Die Läufer genießen den spektakulären öffentlichen Auftritt hier im Foyer vor staunendem Publikum und mächtiger Stimmung. Da will man als Zuschauer natürlich dabei sein, das muss man doch gesehen haben. Viele kommen regelmäßig, manche schauen einfach mal spontan herein.


Mehr Stufen als beim Empire State Run in New York


Zum Vergleich: die Treppe des Empire State Buildings hat 1578 Stufen, das heißt: Hier werden 800 Stufen mehr gelaufen (!). Seit den 1970er Jahren gibt es bereits Treppenläufe als Wettkämpfe. Der König der Stufen ist Thomas Dold. Thomas fungierte erst kürzlich beim Frankfurt Marathon als Pacemaker für Lisa Hahner, schnellste Deutsche (2:30:37 Stunden), und beim Berlin Marathon für ihre Zwillingsschwester Anna, dort ebenfalls schnellste Deutsche (2:31:32).

Aber Thomas ist nicht nur Pacemaker für die Hahner-Zwillinge. Seinen Namen hat er sich als Treppen- und Rückwärtsläufer gemacht. Auf Mallorca beim Marathon 2011 versuchte mich Thomas vom Rückwärtslaufen zu überzeugen, ich gab jedoch schon nach wenigen Metern auf (siehe Bericht marathon4you). 2012 wurde ererneut Sieger in New York beim "Empire State Building Run-up", übrigens zum siebten Mal in Folge. Die Kombination von Treppen und langen Gängen ist also ein ideales Trainingsterrain.



Denn ähnlich dem Berglauf werden bei einem Lauf mit Treppen die Kraft und die Ausdauer trainiert. Die Oberschenkel, die Oberschenkelrückseiten sowie die großen Gesäßmuskeln profitieren besonders davon. Wenn also am Montagmorgen die Beschäftigten des LGA durchs Haus rennen, dann sollte man Arbeit nicht mit Training verwechseln.

 
 

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