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Laufberichte

Grau-farbiger Schwarzwald

19.07.09

Die Grenzschützer bei der Zollstelle Bietingen haben ein paarmal komisch geschaut, als jeweils am Sonntag zu unchristlicher Zeit ein als Sportler zu identifizierender, mit oranger Weste mit marathon4you.de-Aufdruck ausgestatteter Mann aus der Schweizer Nachbarschaft angerollt kam. Mittlerweile wären sie diesen Anblick gewöhnt, denn heute fahre ich in diesem Jahr schon zum siebten Mal in der Frühe an einen Marathon im süddeutschen Raum. Aber es interessiert die gestrengen Beamten keinen Deut mehr, denn mittlerweile gehört auch die Schweiz zum Schengen-Raum.  Und wenn es nach Oberst Muammar Ghaddafi  ginge, würde der deutschsprachige Teil der Schweiz sowieso Deutschland zugeschlagen – dann würden meine solchen Expeditionen auch keine allfällig im rückwärtigen Grenzraum postierten Beamten interessieren. Nun, ich hoffe, dass sich hier wenigsten jemand für meinen Bericht interessiert.

Das Dunkel der Nacht lichtet sich auf meiner Fahrt bald, aber ganz so hell wie erhofft wird es noch nicht. Im Gegenteil: Je weiter nördlich ich komme, umso düsterer wird es am Horizont und es beginnt sogar zu regnen. In der Gegend von Freudenstadt kommt aber Freude auf, denn es scheint aufzuklaren und ich meine, sogar ein Bruchstück blauen Himmels zu sehen. Also doch, wenn Engel reisen, kommt Hochmut vor dem Fall – oder so.  Kaum bin ich auf den Schwarzwaldhochstraße, wird es um meine Reisekapsel herum feuchter und feuchter. Die Scheibenwischer bewegen sich immer schneller und mein Blick auf die Straße wir immer angestrengter. Von fern mag der Schwarzwald so aussehen und seinen Namen zu Recht tragen, hier mittendrin sehe ich im Moment grau und für den bevorstehenden Lauf ein bisschen schwarz. Fünfzig Meter Sicht ist nicht unbedingt das, was einen Landschaftsmarathon besonders begehrenswert macht.

Bei meiner Ankunft beim Skigebiet Hundseck brauche ich aber weder Ski noch Schneeschuhe. Für alle Angereisten findet sich ein Parkplatz und wer wie ich das erste Mal hier ist, kann sich der kleinen Völkerwanderung anschließen und erhält die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges von den Entgegenkommenden  bestätigt, welche Startnummern in der Hand tragen.

Im Festzelt herrscht großer Andrang. Über fünfhundert Leute wollen ihre Startnummer, die eine Hälfte für den 10km-Lauf auf einer anderen Strecke, die andere für den Marathon. Damit alle berücksichtigt werden können, wird der Start für die Kurzdistanz etwas nach hinten geschoben. Ich verschiebe mich zwischen meiner Privatumkleide auf dem Parkplatz und den Ein-Personen-Kunststoffhäuschen. „Was soll das“, frage ich mich, „ warum gewittert es jetzt im Gedärme, wo sich der Nebel gelichtet hat und den Blick auf die bereits von der Sonne erleuchtete Rheinebene freigibt?“ Die Antwort kann ich mir selber geben: „Du bekommst die Quittung für deine nicht angepasste premarathonuelle Ernährungsweise!“

Es bleibt nicht mehr viel Zeit zum Start, doch in der Zwischenzeit haben sich der Nebel und meine Systemschwierigkeiten verzogen. Während die Aufstellung Form annimmt, lerne ich einen weiteren unserer Berichterstatter kennen, Olaf Ulmer. Er fragt mich, was ich mir heute zeitlich vorgenommen habe. Gute Frage, ich weiß es selber noch nicht. Ich bin irgendwie blauäugig hierhergefahren, außer dass ich einen Marathon laufen werde, habe ich mir keine großen Gedanken gemacht, zumal ich die Strecke nur von der Beschreibung und dem Profil her kenne. „Mal schauen wie es läuft“, antworte ich, „zudem will ich mich im Hinblick auf den Swiss Alpine am kommenden Samstag nicht verausgaben“, und schon läuft die bunte Schar los. Ich staune immer wieder, in welchen verschiedenen Designs und Farbgebung Funktionsbekleidung hergestellt wird. (Da kann der libysche Colonel weder mit seinen Galauniformen noch mit seinen bunten Beduinenumhängen mithalten.)

Ich versuche noch ein paar Bilder einzufangen und setzte mich dann mit dem Schluss des Feldes in Bewegung. Hätte ich einen schnellen Lauf vor, dann wäre das nicht die beste Entscheidung. Auf den ersten beiden Kilometer ist, abgesehen von einer kurzen Passage auf einem Dschungelpfad, der Weg so schmal wie sonst nicht mehr. Immerhin, zwei Nordic Walker könnten auch da bequem nebeneinander gehen, Läufer haben auch drei nebeneinander Platz. Überholen ist nur mit Geschick möglich und mit unnötigem Kraftaufwand verbunden.

 Während ich mein heutiges Wohlfühltempo suche, komme ich mit dem einen und anderen Mitstreiter ins Gespräch. An meiner Arbeitskleidung werde ich erkannt und daran erinnert, wo und wann wir das letzte Mal zusammen auf der Piste waren. Das Feld hat sich schon auseinandergezogen, aber ich bin umgeben von Wiederholungstätern. Gleich und Gleich gesellt sich eben gern. Ich wage zu behaupten, dass an zwei, drei solchen Traditionsläufen mit verhältnismäßig bescheidenen Teilnehmerzahlen mehr Marathonerfahrung unterwegs ist als an vielen City-Marathons.

Der Veranstalter, der TV Bühlertal, wirbt für den Hornisgrinde Marathon mit der Aussage „100% Wald – mehr geht nicht“. Dem stimme ich, ohne lang überlegen zu müssen, vorbehaltslos zu (und mein Mathepauker selig freut sich über diese mathematisch saubere Erkenntnis). Links, rechts und über mir Wald in seinen verschiedensten Formen, unter mir unbefestigte Forststraßen, vom vielen Regen der vergangenen Tage angenehm weich aber selten matschig. Die Farben Grün und Braun in allen erdenklichen Schattierungen herrschen vor, der Untergrund ist häufig rötlich gefärbt. Zwischendurch setzen ein paar Blüten in Violetttönen für kleine Farbtupfer. Die Sonne vermag manchmal den Wolken Paroli zu bieten und sorgt dann für zusätzliche Lichtakzente, je nachdem, wie dicht die Kronenschicht des Waldes ist. 

 Ohne die durchgehende Ausschilderung, die Kilometertafeln und meine Uhr würde ich jegliches Gefühl für Ort, Distanz und Zeit verlieren. Nach zwei Verpflegungsposten wird mir bewusst, dass schon ein Viertel meines Sonntagsvergnügens um ist und ein Blick auf die Uhr beim zwölften Kilometer zeigt mir, dass ich ziemlich flott unterwegs bin, auf die Sekunde genau mit einem Kilometerschnitt von fünf Minuten. Kein Wunder, bis jetzt ist die Strecke vorwiegend abfallend. Den Schwung des Rollens nehme ich in die Steigung zur Streckenhälfte mit und auch dort sagt mir die Uhr, dass ich das Tempo haargenau gehalten habe.

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Informationen: Hornisgrinde Marathon
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