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Laufberichte

Im Laufschritt über die Schären(hügel)

 

Ich habe mir heute das bei der Expo ausgegebene violette Funktionsshirt angezogen, viele haben es mir – wenn man so will – nachgemacht. Während ich die 5 km-Marke inmitten einer Grünzone mit kleineren Wohnhäusern übersehe, sind wir schon nahe zum Meer gekommen, als bald darauf die 2. Labestelle im Bereich Merikannontie bei Kilometer 6 auf uns wartet. Ein Typ, der einen Laufbuggy schiebt, überholt mich. Das erlebt man bei Marathons eher selten, der Läufer braucht eine Portion Extrakraft. Ich bleibe nun auch stehen, es gibt Wasser und Gatorate. Ich liege etwas unter der Zeit, von den 36 Minuten kann ich 2 abziehen. Ich werde sehen, wie es aussieht, wenn die Strecke ihr welliges Profil behält oder es vielleicht noch mehr Steigungen geben wird.

Zur unserer Linken befindet sich das Meer mit zahlreichen kleinen bewaldeten und teilweise auch unbewohnten Inseln, die Schären, die alle in der Eiszeit entstanden sind. Im Schärenmeer vor Helsinki bzw. in der Ostsee befinden sich laut Schätzungen zwischen 20.000 und 50.000 solcher Inseln, die sich jedes Jahr um 0,5 cm heben.

Der Marathon führt bei Kilometer 6 bei der Schäreninsel Rajasaari vorbei. Einige Brücken überspannen darunterliegende Meeresarme, sodass man auch interpretieren kann, dass der Kurs teilweise über einige Schäreninseln oder deren Ausläufern geht. Für die Kamera ergeben sich gute Fotomotive, wenn man den Blick auf das Meer hinaus richtet. Doch es nehmen nur sehr wenige Menschen Notiz vom Geschehen, nicht einmal im Park davor war der Beifall so laut, dass man ihn registriert hätte.

Ich schließe auf einen blinden Läufer auf, der von einem Schrittmacher begleitet wird. Die beiden mit den Nummern 735 und 736 scheinen mir ein zu hohes Tempo zu gehen, sie laufen deutlich unter einer 6er-Zeit. In Davos beim C-42 habe ich dies auch erlebt, da kann man nur devot sein und dem Himmel danken, dass man diese Art der Behinderung nicht hat.

Wir kommen zu einer Dusche, heute bei nur 20 Grad C halte ich die Abkühlung eher für unnötig. Man kann sich nämlich auf diese Weise auch verkühlen, wenn vom Meer herein Wind aufkommt und man im nassen Shirt unterwegs ist.

Auf einem Straßenabschnitt der Pikkuniementie befindet sich die dritte Labestelle. Ich bleibe nicht stehen, sondern laufe an Dutzenden Läufern vorbei, die z.T. die Strecke auf diese Weise blockieren. Kurios sollte man nicht sagen, aber schon ungewöhnlich, denn zwei Helfer bieten in rot-gelben Schalen Salz an, das sie mit Löffeln ausgeben. Ernst Fink schwört auch auf Salz, als studierter Sportwissenschaftler weiß er bestens Bescheid.

Wir laufen nun ein Stück parallel zur Autobahn, allerdings durch einen Damm getrennt. Die Marathonstrecke ist hier als Rundkurs angelegt, links das Meer, vor uns weitere Schäreninseln, die über Brücken erreichbar sind. Ich finde nach 10 km auf der Kuusisarentie die Steigungen ziemlich kräfteraubend, liege aber nur ca. 2 Minuten über der von mir stets angepeilten 6er-Zeit. Mit anderen Worten: für 10km habe ich 62 Minuten benötigt. Was ich zeitlich aufwärts verliere, hole ich abwärts wieder auf. Und es ist immer wieder das gleiche Spiel: Übereifrige gehen es zu schnell an, schon nach 10 km sind sie erschöpft, nennen wir es platt.

Die Labe bei Kilometer 13 lasse ich aus, obwohl es jetzt um 16.20 Uhr wärmer geworden ist und die Strecke wieder neben der Autobahn verläuft, schattenspendende Bäume gibt es hier nicht. Genau genommen ist der Sonnenstand ausschlaggebend. Der Kurs führt nach Osten, die Sonne steht im Westen, daher sind die Bäume entlang des Weges für die Katz, würde man bei uns sagen.

Bald kommen wir in bewohntes Gebiet im Stadtteil Lauttasaari, es geht an Wohnhäusern vorbei. Nur wenige Zuschauer haben sich eingefunden, man nimmt kaum Notiz vom Marathon. Bei Kilometer 15 folgt eine kleine „giftige“ Steigung, die auf eine schmale Brücke hinaufführt, die die Autobahn überquert. Etliche schaffen den Anstieg nur mehr im Gehen, meine Uhr zeigt 1:36 an, zwei Minuten ziehe ich ab, passt ganz gut.

Es geht auf eine flache Asphaltstraße, der Helsinki City Marathon ist ein reiner Straßenlauf, Trails im Gelände gibt es nicht. Hier im östlichen Teil von Lauttasaari stehen und sitzen plötzlich mehr Zuschauer und applaudieren. Der Grund ist wohl, dass die Marathonstrecke eine Trennlinie hat und nun schon vor Kilometer 17 die Schnellsten auf der Rückrunde sind. Ich bekomme die führenden Schwarzafrikaner gut ins Bild. Auf der Rückrunde entspricht das Kilometer 31, für die sie bisher nur ca. 1:45 benötigt haben.

Auf der Itämerenkatu befindet sich bei Kilometer 18 wieder eine Nass-Station, wo man Schwämme bekommt. Letzte Woche im slowakischen Rajec bei 30 Grad habe ich immer zugegriffen, auch weil man als Schwamm ein ausgestanztes Entchen, Häschen und ein Herzchen zum Abwischen bekam. Ein infantiles emotionales Regresserlebnis kommt auch bei Erwachsenen öfters vor. Heute in Helsinki komme ich nie auf den Gedanken, mir einen Trinkbecher über den Kopf zu gießen. Ich finde 20 Grad angenehm, es passt.

Wir laufen nun über die 330 m lange und 1969 fertiggestellte Lauttasaari-Brücke, die die Insel Lauttasaari mit 3,75 km² näher an das Stadtzentrum heranrückt. Rechts von der Brücke aus hat man gute Fernsucht auf den Westhafen, von wo aus Fährschiffe nach St. Petersburg und Tallinn abfahren.  Die großen Kreuzfahrtschiffe liegen in der Regel nahe am Zentrum im Südhafen, ich bin ja Ende Juni selbst mit der Jade von NCL angereist.

Auf der Brücke herrscht bei den Läufern starker Gegenverkehr, die ersten Frauen der Spitzengruppe tauchen auf. Bald darauf sind wir bei der 19km-Marke angekommen, hier bleibe ich stehen und gönne mir einen Becher Wasser (vesi), den ich mit Gatorade mische. Hochgerechnet sollte ich die 21,1 km um 2:12 erreichen, das wäre wieder einmal eine passable Zwischenzeit, denn bei den Bergmarathons der letzten Wochen habe ich ein wenig den Überblick verloren.

Wir sind nun schon in der Stadt, wenn auch noch nicht im Zentrum, so doch nur 2 km außerhalb. Links kommen uns die schnellen Läufer entgegen, die nur mehr 13 km vor sich haben. Die kleinen Steigungen bremsen, ich schalte immer einen Gang zurück, sodass diese Passagen für mich keinen zusätzlichen Kräfteverschleiß bedeuten.

Auf der Hietalahdenkatu befindet sich bei Kilometer 20 die nächste Labestelle. Bei bisher keinen meiner 200 Marathons inklusive Ultras wurden je Gurken ausgegeben, hier kann man sich bedienen. Salzgurkenscheiben werden in Trinkbechern angeboten.

Die Meinungen über Salz gehen auseinander. Fest steht, dass man bei einem Marathon reichlich Flüssigkeit in Form von Schweiß verliert. Die ausgeschwitzten Salzrückstände erkennt man an weißen Linien auf Hemd und Hose. Daher erscheint es naheliegend, die verlorenen Mineralien, insbesondere Natriumclorid (NaCl, Kochsalz) wieder zu ersetzen. Die empfohlene Tagesmenge beläuft sich auf 2300 Milligramm, bei einem Marathon schwitzt man das Doppelte bis Dreifache heraus. Natrium reguliert das Flüssigkeitsniveau im Körper. Hohe Salzverluste werden mit einer Reihe von Problemen beim Laufen in Zusammenhang gebracht. Diese reichen von vergleichsweise harmlosen Krämpfen in den Beinen bis zur Hyponatriämie, der Wasservergiftung. Ich nehme trotzdem keine Gurke.

Es geht die Telakkakatu in Richtung Munkkisaari  zum Meer hinunter. Endlich kommen wir zur Halbdistanz, 2:14 zeigt die Uhr an, die zwei Minuten Abzug wegen der Position am Start ergeben 2:12.

Entlang der Uferpromenaden Merisatamanranta und Ehrenströmintie hat man einen guten Fernblick auf die ab 1748 gegen die Russen erbaute Verteidigungsanlage Suomenlinna. Mit der Fähre ist man in 15 Minuten drüben. Die Festung wurde 1991 zum Weltkulturerbe erklärt. 

Die Labe bei Kilometer 22 auf der Ehrenströmsmintie lasse ich aus, wir kommen immer näher ins Zentrum. Hier am Südhafen befinden sich die Fähranleger der Reedereien Silja und Viking, die u.a. nach Stockholm fahren. Beim Olympiaterminal herrscht auf der Laufstrecke reger Gegenverkehr, Hunderte  kommen uns links entgegen. Ihr Vorsprung beträgt ca. 1 ½ km, also 10 bis 12 Minuten. Ich bleibe auch bei der Wasserstelle bei Kilometer 24, die sich nahe dem Makasini Terminal angeboten wird, nicht stehen.

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Informationen: Helsinki Marathon
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