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Laufberichte

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06.08.11
Autor: Klaus Duwe

Und zu mir kommt der Mann mit dem Hammer, wo noch 35 km zu laufen sind. Mir tut alles weh, der Kopf ist heiß. Heute werde ich das Ziel nicht erreichen, das ist schon mal klar. Die Frage ist nur, wo steige ich aus? 

Vier Becher Wasser kippe ich in mich rein, bevor es über einen Steg an das nördliche Warnowufer und dort auf einem Rad- und Gehweg Richtung Gehlsdorf geht. Der Blick auf die Stadt und den Hafen ist herrlich, dunkle Wolken verheißen jedoch Unheil.

Ich muss mich ablenken und quatsche Cindy an. Sonst ist niemand in der Nähe. „Ich bin nicht gut drauf heute“, ist das erste, was sie mir mitzuteilen hat. Das passt ja. Dann können wir uns nachher die Taxikosten teilen.  Den Grund für mein Dilemma kenne ich. Jetzt will ich wissen, warum Cindy in der Krise steckt.


Cindy’s Story


Die heute 32jährige Berlinerin gilt als unsportlich, ehe sie einen Bekannten zum Marathon in ihrer Heimatstadt begleitet. Noch blöder als laufen findet sie, anderen dabei zuzusehen. Sie beschließt, im nächsten Jahr aktiv dabei zu sein und beginnt bei null mit dem Training. Sie schafft den Marathon und ist begeistert – von sich und dem Sport. Gleich sucht sie sich eine neue Herausforderung. Triathlon, ein Ironman, das wär’s. Wie’s geht, weiß sie ja: Ziele setzen und trainieren.

Am 10. Juli war es soweit, sie startet bei der Challenge Roth und kommt ins Ziel. Unglaublich. In 36 Monaten von der  Zuschauerin  zur Ironwoman.  Auch der Bekannte, dem Cindy seinerzeit beim Marathon zugejubelt hat, ist beeindruckt und will jetzt nachziehen. Cindy  will ihn wieder unterstützen, aber nicht an, sondern auf der Strecke. Aber zunächst hat sie noch mit den Nachwirkungen ihrer diesjährigen Premiere zu kämpfen.

Während sie mir erzählt, mache ich ein paar Fotos, bestaune immer wieder den schönen Blick auf die Stadt, auf Schiffe und Häfen, habe Spaß mit Zuschauern und merke nicht, wie die Zeit vergeht und wie ich immer schneller werde. Cindy verkabelt sich wieder und lässt mich rennen.

Die Strecke ist flach, die Wege sind geteert, teils sind es Schotterpisten, aber sehr gut zu laufen. Wir sehen viel plattes Land, Wiesen und Getreidefelder. Manchmal kommt man auch durch eine Wohnsiedlung, wo die Anwohner bei jedem Läufer Bierflasche und Grillbesteck  zur Seite tun, um begeistert Beifall zu klatschen. 

Die ersten Marathonis kommen mir entgegen. Es wird immer dunkler. Schon um 20.00 Uhr sind keine vernünftigen Fotos mehr möglich. Von irgendwo her hört man es donnern, dicke Tropfen fallen. „Mensch“, denke ich, „gerade rechtzeitig. Da vorne ist der Tunnel.“

 

Die Entscheidung

 

Der 790 m lange Warnowtunnel verbindet die beiden Ufer der Warnow und verkürzt die Zufahrt von der Autobahn aus Berlin zur Ostsee und nach Warnemünde. Pläne für eine solche Verbindung gab es schon lange. Aber erst 1994, nach einer Gesetzesnovelle, konnte mit der konkreten Planung der ersten privat finanzierten, gebauten und betriebenen Fahrstrecke in Deutschland begonnen werden. 3,20 Euro bezahlt man für einen PKW im Sommer. Heute ist eine Röhre für die Läufer reserviert.

Nassgeschwitzt und manchmal etwas leidend, aber sonst eher unauffällig, sehen die ersten Läufer aus, die mir im Tunnel entgegen kommen. Das ändert sich. Klatschnass rennen sie in den rettenden Tunnel, denn der Himmel hat innerhalb von Minuten sämtliche Schleusen geöffnet, es blitzt und donnert zum Fürchten. Seit meiner „Flucht nach Innsbruck“ habe ich sowas nicht mehr erlebt.

„Ich soll da raus? Nie im Leben!“ Ich stehe am Tunnelausgang, ziehe mir zwar meine Jacke über, bin aber nicht gewillt, mich freiwillig den Naturgewalten auszusetzen.

Was sind die Alternativen? Zurück? Und dann? Gibt es ein Shuttle in die Stadt? Nein, erfahre ich hinterher. Ein Läufer in signalfarbenem Hemd rennt nach kurzem Zögern weiter. Soll er doch. Ich gehe zur Seite, die entgegenkommenden Läufer spritzen mich nass. Dann aber, was ist das denn? Cindy kommt durch den Tunnel gedüst, erkennt mich aber  in meiner schwarzen Tarnkleidung nicht und rennt ohne auch nur das geringste erkennbare Zögern in oben kurz und unten dreiviertel in die Sintflut.

Will ich sie retten, oder mich nur nicht lumpen lassen? Egal, nichts wie hinterher. Es dauert nur einen Augenblick und ich bin nass bis auf die Haut. Damit sind alle Probleme gelöst. Ich kann mich wieder ums Wesentliche, das Laufen, kümmern. Das ist nicht einfach. Die Straße erscheint einem als geschlossene Wasserfläche, die aber unterschiedliche, nicht erkennbare Tiefen hat.  Auch das stört nach dem zweiten Eintauchen ins knöcheltiefe Wasser nicht mehr. Cindy sagt mir, dass das ihre einzigen Schuhe sind. Mit ihnen muss sie morgen nach Berlin.

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