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Laufberichte

Ganz Hannover aus dem Häuschen

 

Vor mir die Sehnder Bahnhofstreppe. Einen Augenlidschlag lang zögere Ich. Die fleißigen M4Y-LeserInnen werden sich vermutlich an Klaus Duwe's Artikel aus dem Vorjahr erinnern, in dem er schweren Herzens mitteilen musste, dass ich mir bei einem Sturz an besagter Treppe das Wadenbein gebrochen hatte und somit nicht an der letztjährigen Auflage des HAJ Hannover Marathon teilnehmen konnte.

Im Hier und Jetzt, gut ein Jahr später, verfolgen mich lediglich etwas missmutige Gefühle. Dann der entscheidende Moment: Sicheren Schrittes und  mehrere Stufen auf einmal nehmend überwinde ich die Treppe, stehe kein Deut keuchend oben und genieße die ersten Glücksgefühle an diesem frühmorgendlichen Sonntag. Jawoll, geschafft, habe Ich mir redlich verdient! Aber es kommt ja noch besser: Nach zwei Jahren nehme ich endlich wieder an einem der größten Straßenlaufveranstaltungen Deutschlands und dem schlichtweg größten Straßenfest der niedersächsischen Landeshauptstadt teil.

 

Samstag/Familientag

 

 

Meine Startunterlagen hatte ich mir bereits am Vortag in der Shoppingmeile neben dem Veranstaltungsgelände, dem Expo-Messezelt, besorgt. Seit jeher bieten dort regionale und nationale Aussteller aus dem Bereichen Sport, Fitness und Gesundheit ihre neuesten Trends an. Im überdimensionierten transparenten Plastikbeutel sind zwei Gel's, Schwamm, Starternummer, Mika Timing Chip, Infomaterial und eine Finisher-Postkarte der Citipost. Wow! Nicht gerade üppig.  Dann finde ich noch ein exklusives, dunkelblaues HAJ Hannover Marathon-Armband. Es gesellt sich fortan zu meinem hellblauen Brocken-Challenge Armband.  

 

Bist Du der Marco?

 

Während Ich am Bahngleis auf den Zug Richtung Hannover warte und noch überlege, die Mika Tracking App am Handy zu installieren, so dass mich Freunde und Familie per GPS Live-Tracking verfolgen können, werde ich von einem weiteren Sehnder angesprochen. „Hi, ich bin der Thomas. Du bist doch der Marco, oder?“. Ein wenig gedankenverloren schüttele ich bloß den Kopf, aber Thomas lässt nicht locker und verwickelt mich in ein Gespräch. Schnell stellen wir beiden fest, dass unsere Frauen in der Vergangenheit bereits Bekanntschaft in der örtlichen Krabbelgruppe gemacht hatten und wir uns wohl auch schon mehrmals - wenn auch nur flüchtig - begegnet sind. „Klein ist doch die Welt“, stellen wir lachend fest, während wir den Zug betreten. Eine um-die-Ecken-Bekanntschaft scheint sich anzubahnen.

Von Thomas erfahre Ich, dass er bislang keine große Wettkampferfahrung gemacht hat. „Vor 9 Jahren bin ich mal Halbmarathon in Berlin gelaufen...auf Inlinern“, grinst er. „Nun habe Ich für meinen ersten Marathon trainiert“. Während wir recht ausgiebig rumklönen, hält die Bahn auch schon wieder an. Wie, wir sind tatsächlich schon in Hannover? Plötzlich meldet sich bei mir die Pasta-Party vom Vortag, der Magen rumort. „Verdammt, Ich muss mal dringend wohin!“

 


Ein kühler Gruß

 

Vom Hannover Hbf aus schlendern wir beiden zunächst über die Karmarschstraße vorbei an Hannover Markthalle, dem Landtag sowie dem Platz der Göttinger Sieben. Als wir schließlich Friedrichswall erreichen, erblicken wir unmittelbar zu unserer Linken den noch so gut wie menschenleeren Trammplatz sowie das Neue Rathaus. Es ist halb Acht und die ersten Sonnenstrahlen tauchen den frühen Frühlingsmorgen in ein mildes Orange. Unser erster Anlaufpunkt ist die LKW-Kolonne in der Willy-Brandt-Allee, denn hier werden die Kleiderbeutel während des Laufs verwahrt. Mit wenigen Handgriffen nestelt Thomas Starternummer und Zeitchip zurecht. Der Typ ist echt fix!

„So Mario, ich wollt noch kurz zu meiner virtuellen Laufgruppe, denen mal persönlich Hallo sagen. Wir sehen uns sicherlich auf der Strecke?“. „Ich bin mir ziemlich sicher, das wir uns während des Laufs noch mal begegnen werden, Thomas“. Ich wünsche Ihm ganz viel Erfolg bei seinem ersten Marathon. „Das packst Du! Zielzeit vier Stunden, Ja? Denk dran: trinken, trinken, trinken, an jedem einzelnen VP“, gebe Ich Ihm noch ein wenig Klugscheißerei mit auf dem Weg.

Währenddessen meldet sich gut hörbar der Moderator zu Wort und begrüßt alle TeilnehmerInnen des heutigen Lauf-Spektakels. „Aktuell liegen die Temperaturen bei noch frischen neun Grad, sollen aber schnell bis auf sonnig-warme 19 Grad ansteigen...“ Ich nicke Thomas nochmals zu, ziehe mich dann um und flaniere ebenfalls zurück Richtung Veranstaltungsgelände.

 

Mitgefangen, mitgehangen

 

In der Haupthalle des Rathauses herrscht noch die sprichwörtliche Ruhe vor dem Gewusel. Auch an den Nachmelde-Tischen sowie Infoständen ist kaum was los. Hier und dort stehen jedoch bereits kleinere Grüppchen zusammen und schnacken ausgelassen. Ich mache einige Fotos und werde beinahe von einer Gruppe gelber Ballonträger überrollt. „Ach sieh mal an, der Mario. Na, wie läuft's?“. Der gute HaWe Rehers scheint überall am Start zu sein. Erst gestern noch beim 5. OSnabrücker PiesBERG-Ultra-Marathon (mittlerweile 60 km mit 1837 HM und 3354 Treppenstufen) und heute als Pacemaker in Hannover. Respekt!

 

 

„Du weißt ja, HaWe, im Vorjahr hatte Ich mir die Wade auf der Bahnhofstreppe gebrochen, als Ich zum vierten PUM anreisen wollte...“. Er winkt unvermittelt ab! „Ach, Schnick-Schnack! Macht doch nix, aber 2018 bist Du dann dabei, ne?“, grinst er. „Puh, HaWe, wieder einen Doppeldecker? Osnabrück und Hannover an einem Wochenende abfrühstücken? Das könnte Ich...hmm...vielleicht...“, erwidere ich, während ich nachdenklich an meinem Kinnbart herum zupfe. „Na, so ist's doch recht, Mario. Wir sehen uns dann also 2018!“, entgegnet er, klopft mir noch mal beschwichtigend auf die Schulter und verschwindet mit seinem gelben Ballon. Ein gewitzter Schachspieler, der gute HaWe. Tja, Mario: berührt, geführt!


Außerordentliches Laufspektakel

 

Nach den Starts der Skater und Handbiker wird es Zeit, dass ich mich ebenfalls einreihe. Wo ist eigentlich Thomas? Ich bin wieder einmal freudig-nervös. Das beweisen meine schamlos herunter gekauten Fingernägel. Warum ist das jedes Mal so? Mittlerweile ist es zehn vor Neun und Ich stehe wie stets aufgeregt und erwartungsvoll in meinem Startblock, um dann mit einer Kamera bewaffnet in die Schlacht zu ziehen. Warum stehe ich eigentlich in C? Egal. Die Stimmung hier in Hannover ist wie immer der helle Wahnsinn und will auch in diesem Jahr nicht mit Superlativen und Rekorden geizen.

Seit 1991 findet der Hannover Marathon nun schon statt und hat bis weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus, ja sogar international, ein beispielhaftes Ansehen erworben. Er zählt zu den größten (und mit gut 20m Höhenunterschied auch zu den flachsten) Laufveranstaltungen Deutschlands. Wenige Tage vor der Veranstaltung stand zudem fest, das mehr als 22000 Läufer, Walker und Inline-Skater aus über 90 Nationen auf den verschiedenen Strecken an den Start gehen. Das gab es in den 27 Jahren noch nie! Das mit dem „Silber Label“ des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF ausgezeichnete Event ist geradezu prädestiniert für Bestzeiten-Sammler. Und was ich persönlich ganz toll finde: Hier wird die Königsdisziplin in nur einer großen Runde gelaufen, nicht in Zweien, wie es bei manch anderen Städte-Marathons der Fall ist.

 

Start und Ziel: Friedrichswall

 

„Noch zehn Sekunden...!“, ertönt es. Irgendwo über uns kreist ein Hubschrauber des NDR. Ein erwartungsvolles Raunen geht durch die Menge, es wird bereits im Vorfeld geklatscht, jubiliert und freudig geschrien. Ein Hauch von Anspannung fällt allmählich ab und macht Platz für die tausendfache Lauffreude, welche um mich herum zu spüren ist. Ja, da lacht das Läuferherz! Ich zücke meine Kamera, denn jeden Moment geht es los.

 

 

Das vordere Läuferfeld setzt sich zügig in Bewegung, bis auch unser Startblock von der Welle mitgerissen wird. Nicht wenige Kandidaten lassen nun Ihre Hüllen fallen und werfen T-Shirts, Jacken oder Mützen auf den Wiesenstreifen am Straßenrand. Genau, so entsorgt man Altkleider richtig. Endlich wieder Platz im Kleiderschrank. Wie stets hefte Ich mich zunächst an einen Pacemaker. Die auf dem gelben Ballon abgebildete Finisher-Zeit von „03:45“ entspricht zwar als laufender Reporter nicht so ganz meiner Vorstellung eines nonchalanten Marathons...aber ein Versuch ist es wert.

Während Ich an der Waterloo-Säule mit Siegesgöttin Victoria vorbei sprinte, entfernt sich zusehends der Ballon. Ich heule Ihm nicht hinterher. Aber irgendwie spüre ich einen giftigen Blick im Nacken. Ich befürchte, die gute Dame da oben findet meine Leistung nach dem ersten Kilometer bereits nicht so pralle. Eigentlich schade: Die regelmäßigen Aufstiege hoch zur Aufsichtsplattform, die einst der Verkehrsverein sonntags gegen einen Groschenbetrag ermöglichte, sind seit Jahren aus Personalmangel eingestellt. Im Inneren des 3,75 Meter starken Säulenschafts führt wohl eine sagenumwobene Treppe mit 190 Stufen auf die Aussichtsplattform. Wer Probleme mit dem Treppensteigen oder Höhenangst hat, für den bleibt der Aufstieg versperrt. Komisch, gerade kribbelt, wie auf Kommando, meine rechte Wade.

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Informationen: ADAC Marathon Hannover
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