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Laufberichte

Zum Glück wird nichts geändert

12.05.12
Autor: Klaus Duwe

Ich garantiere Euch: Zu „Keep on running“ oder so was könnte der Starter sein ganzes Magazin verballern. Keiner würde loslaufen. Aber nach dem Schneewalzer, da  geht’s zur Sache. Und ich garantiere Euch als weiteres: Jede und jeder (wieder außer mir), die/der hier startet, könnte auch 72 km laufen. Sie und er wollen es nur nicht. Und jetzt weiß jeder, warum.

Wie gedopt rennt das Feld am tiefsten Punkt des Ortes durch das Spalier der vielen Zuschauer los. Die Pulsmesser piepsen und signalisieren neue Höchstwerte. Ist man endlich oben auf der Bundesstraße in Richtung Eisfeld, muss so mancher erst mal wieder runterkommen. Rätselhaft, warum man nicht hier startet. Man würde die Steigung sparen und der Marathon hätte die übliche Länge. Rätselhaft auch, weshalb man seinerzeit vor 36 Jahren, als man die „Kurzdistanz“ (zu Anfang 45 km) einführte, nicht einfach einen Startplatz auf der „normalen“ Strecke suchte, sondern einen ganz separaten Kurs mit Start in entgegengesetzter Richtung. Beim Rennsteiglauf ist halt vieles anders - und bleibt anders. So ist das Versprechen von Marcus, "es wird nichts geändert", zu verstehen. Damit der Lauf ein besonderer bleibt.

In der Hauptstadt oder anderswo würde man amüsiert lächeln über die 8 Mio. Euro, die die Läufer samt Begleiter in die Region bringen.  Für den Thüringer Wald ist der Rennsteiglauf aber fast schon ein Konjunkturprogramm.  Außer Tourismus und die Überbleibsel einer einst florierenden Glasindustrie ist wirtschaftlich hier nicht viel geboten.


…. und in 32 Wochen ist Weihnachten


Gestern habe ich mir bei 28 Grad Hitze in dem kleinen Geschäft hier rechts am Ortsausgang angeschaut, wie Christbaumkugeln gemacht werden.  Heute, bei gerade mal 6 Grad, ist Weihnachten schon deutlich näher gerückt. 

Ich war nicht der einzige Rennsteigläufer, der sich in der kleinen aber feinen Manufaktur umgesehen hat. Kenner kommen jedes Jahr hier her. Und das nicht nur, um ihren Weihnachtsschmuck um ein paar Kostbarkeiten zu ergänzen, sondern auch, um sich eine der extra gefertigten Glücksmurmeln abzuholen. Außerdem gibt es jedes Jahr ein besonderes Rennsteiglauf-Souvenir. Alles handmade, selbstverständlich. 

Willi Greiner-Mai, ein echter fotoscheuer Thüringer Eigenbrötler, aber auch ein echter Künstler, ist ein direkter Nachfahre des Glasbläsers Christian Günter Greiner-Mai, der als Mitbegründer der Lauschaer Glaskunst gilt. Der Brauch, zu Weihnachten eine Tanne mit Früchten zu schmücken, war in Thüringen nicht sehr verbreitet, weil in dem rauen Klima kein Obstbau möglich war. Greiner-Mai fertigte aber für verschiedene Schmuckhersteller Früchte aus Glas an und kam irgendwann auf die Idee, mit diesen seinen Weihnachtsbaum zu schmücken.  Die Idee kam gut an und verbreitete sich schnell.  Sein Christbaumschmuck wird 1848 erstmals urkundlich erwähnt.

Qualität spielte schon immer eine große Rolle. So wurden die meisten Formen von Anfang an aus Porzellan und nicht aus Holz gefertigt. Diese Original-Formen sind vielfach noch vorhanden. Deshalb kann man hier noch Christbaumschmuck in historischem Design, mundgeblasen und handbemalt kaufen.

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Wer einmal gesehen hat, welcher Aufwand, welche handwerkliche und künstlerische Fertigkeiten in einer einzigen hier hergestellten Weihnachtskugel stecken, wird über den Preis erstaunt sein.  Plötzlich ist das in Baumärkten und Warenhäusern billig angebotene Massenprodukt das in Wahrheit teure!


Von der B 281 auf den Rennsteig


So, inzwischen haben wir uns auf der bequemen Verkehrsstraße warm- und freigelaufen. Das Feld hat sich sortiert und soweit auseinander gezogen, dass man bei der Steinheider Hütte (km 6) nach ausgiebiger Getränkeaufnahme auf den Rennsteig einbiegen kann. 

Der dunkle Tannenwald verschluckt die Läufer. Thüringer Waldluft - die Städter  atmen durch.  Die nächsten Kilometer sind repräsentativ für die gesamte Strecke. Mal geht es rauf, mal runter, mal sind die Wege breit, mal sind sie schmal. Nur flach sind sie selten.  Die Anstiege addieren sich auf 637 m, abwärts geht es 706 m. Ein Bergmarathon hat andere Dimensionen, eine „schnelle“ Strecke auch. 

Einige Anstiege sind ziemlich steil, lang sind sie nicht. Beim ersten dieser Kategorie, bei Limbach (km 8), schalte ich ohne zu Zögern auf Gehschritt um. Am Ende der Steigung steht auf einem Baumstumpf eine blonde Frau. Ich habe sie schon einmal gesehen. Vor zwei Jahren, an gleicher Stelle. „Noch hier oder schon wieder?“, frage ich. Sie lacht: „Wie Du!“


Dem Rennsteig die Treue


Es wird flach, die Meute läuft. Das Erlebnis eben ist auch typisch für den Rennsteiglauf. Ich begegne heute noch weiteren Leuten, die jedes Jahr an gleicher Stelle irgendeine Aufgabe erfüllen oder nur aus Spaß und Freude an der Strecke stehen. Ein anderes Kapitel sind die Traditionsläufer.

Viele Veranstalter geben für  eine 10malige Teilnahme Privilegien oder besondere Auszeichnungen aus. Beim Rennsteiglauf muss man 25 erfolgreiche Teilnahmen nachweisen, um in die Liste mit der Überschrift „Dem Rennsteig die Treue“ zu kommen. Trotzdem sind dort vor diesem Lauf 763 Namen verzeichnet. In Worten: Siebenhundertdreiundsechzig! Ich behaupte: Das ist einmalig, das ist Weltrekord. Spitzenreiter ist übrigens Hans-Georg Kremer, Initiator und Mitbegründer. Er war bisher  jedes Jahr auf irgendeiner Strecke dabei.  Aber auch was dahinter kommt, ist sensationell: 52 Läufer/innen haben mind. 35 Teilnahmen und 258 (!) mind. 30 Teilnahmen. Einer von ihnen läuft vor mir. Ein Zettel auf dem Rücken weist ihn als 53jährig aus. Er ist zum 35. Mal dabei und meint: „Es geht weiter!!!“.  Später begegne ich einer Familie, die mit Kind und Kegel auf zusammen über 60 Teilnahmen kommt. Rennsteig pur.

 
 

Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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