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Laufberichte

Mitte Mai ist Rennsteigzeit

19.05.07

AGeschichten zum Jubiläum

 

Der Termin steht für mich, sowie für viele andere Läufer, fest in meinem Laufkalender. Es gibt kaum einen anderen Lauf, der eine so wunderschöne und herausfordernde Strecke bietet, wie diese Traditionsveranstaltung in Thüringen.

So machte ich mich auf den Weg aus dem Ruhrgebiet Richtung Eisenach.

Es ist Samstagmorgen 05:30 Uhr, als 1801 Supermarathonläufer ( 1734 werden das Ziel erreichen )  auf dem Marktplatz in Eisenach stehen. Noch leicht fröstelnd sehen wir in den blauen Himmel und haben die Gewissheit, es wird ein warmer Tag.

Im Startbereich befinden sich auch Läufer, bei denen ich mich frage: „Wie wollen die 72,7km laufen ?“. Geschminkt und in modischem Gymnastiklook (samt Hallengymnastikschuhen ) stehen sie im vorderen Bereich. Doch schnell löst sich die Frage – ein Fernsehteam der Serie "Dr. Kleist" dreht mit den Schauspielern eine Szene beim Start. Die Schauspieler laufen dabei natürlich nur die ersten Meter mit.

Um Punkt 6 Uhr fällt dann der Startschuss und das Rennsteiglied ertönt. Wie bei Ultraläufen üblich, gehen die meisten Läufer mit einem ruhigen Tempo das Rennen an. Nach kurzer Zeit laufen wir durch das einzig noch erhaltene Stadttor, das Nikolaitor. Eisenach, die Stadt im Westen Thüringens, ist vielen durch die Wartburg bekannt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Im Mittelalter war sie Sitz der Landgrafen von Thüringen und Martin Luther übersetzte dort das Neue Testament. 


Nachdem wir am Ortsrand von Eisenach sind, geht’s auch schon bergauf. Wir laufen in Serpentinen hoch zum Streckenpunkt oberhalb der „Hohe Sonne“. Hier beginnt der eigentliche Lauf über den Rennsteig.  Der Weg selbst hat hier von seinem Ausgangspunkt in Hörschel schon 15km hinter sich.

Jahrelang wurde der Lauf hier an der Hohen Sonne gestartet. Besonders zu erwähnen ist der nie entdeckte Heckenschütze, der Jahr für Jahr das Rennen vor dem eigentlichen Startschuss in Bewegung setzte. Heute ist hier an der Hohen Sonne ein kleiner Biergarten direkt neben dem alten, mittlerweile dem Verfall ausgesetzten, großen Gebäude des alten Ausflugrestaurants. Wir Läufer sind hier erst einmal froh, ein kleines bisschen auf flacher Strecke weiterzulaufen. Die ersten 8 Kilometer bis hier waren doch sehr anspruchsvoll.

Es geht weiter auf idyllischen Waldwegen Richtung Glasbachwiese. Diese alte Siedlung, auf der bei Ausgrabungen der Grundriss einer Dorfkirche freigelegt wurde, liegt nur unweit entfernt von der Stelle, an der Martin Luthers fingierte Gefangennahme und Entführung auf die Wartburg stattfand.

Wir laufen weiter Richtung großer Inselberg. Unterwegs geht’s immer wieder vorbei an Grenzsteinen. Am gesamten Rennsteig gibt es mehr als 1000 Grenzsteine, darunter auch 13 Dreiherrensteine. Diese dienten früher der Trennung einer Vielzahl thüringischer Grafschaften und Herzogtümer. An die Dreiherrensteinen grenzten drei oder vier Hoheitsgebiete.

Ein weiteres Mal genieße ich die lockere Stimmung unter den Läufern. Man unterhält sich über vergangene Läufe und sieht viele bekannte Gesichter von der Harzquerung vor 3 Wochen.

Es geht nun weiter auf den ersten Berg des Laufes. Der Große Inselberg mit seinen 916m ist nun schon 700 Hm höher als der Startort Eisenach. Wir haben ca. 25km in den Beinen und man merkt die Beanspruchung. Die steilen Stellen werden nun von mir und den meisten Läufern um mich herum gegangen. Kraftsparen – es sind noch 50 km bis zum Ziel.

Der große Inselberg ist zwar nur der siebthöchste Berg Thüringens, jedoch durch seine Gestalt einer der markantesten Punkte im Thüringer Wald. Der Berg war früher häufiges Ziel von Ausflügen der Schüler um J. Chr. Fr. GutsMuths. Der Namensgeber des Rennsteiglaufes und Begründer der neuzeitlichen Körpererziehung startete hier auch seine ersten Rennsteigläufe zur Salzmannschen Erziehungsanstalt in Schnepfenthal. Der Inselberg schmückte auch die erste Medaille des Laufes.


Nachdem ich beim steilen Abstieg gehörig aufpassen muss und das Herunterlaufen in den Knien und in der Wirbelsäule Schmerzen verursacht, geht es auf federndem Waldböden weiter zur Grenzwiese, die auch unter dem Namen „Kleiner Inselberg“ bekannt ist. Im Mittelalter war hier eine bedeutende Burg zu finden,  eine Exklave von Hessen und später von Preußen im Sachsen-Gothaer Land.

War im Vorjahr die Stimmung trotz des schlechten Wetters hier gut, wird die Grenzwiese in diesem Jahr bei strahlendem Sonnenschein zur Stimmungsoase. Begeisterte Zuschauer feuern uns an. Eine Verpflegungsstelle, die wie üblich am Rennsteig perfekter nicht sein kann, läßt mich die doch schon müden Beine vergessen. Schleim, Schmalzstullen, Cola, isotonische Getränke und Obst  - alles kann man hier finden.


Es geht weiter über nicht ganz so hügelige Wege aber durch wunderschöne Wälder zum Heuberghaus. Hier starteten 1975 in der Nacht um 01:00 Uhr ca. 800 Läufer und Wanderer zum 3. GutsMuths-Rennsteiglauf. Die Strecke war damals noch 80 km lang und durfte nur von Männern gelaufen werden. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, erreichen doch in diesem Jahr 209 Frauen das Ziel.

Ich habe mein erstes Tief überwunden, als ich bei KM 37 auf die Ebertswiese laufe. Die Hälfte der Strecke ist geschafft! Es läuft bei mir zwar nicht so gut wie letztes Jahr, aber mein Motto lautet: „Dabei sein ist alles und ins Ziel kommen das Höchste“.

 

Kurz nach der Verpflegungsstelle geht es auch schon wieder bergauf. Hier ist für mich an Laufen nicht mehr zu denken. Viele Läufer fragen sich beim Marschieren,  wie wohl der Sieger, dem bei 5:20 Stunden keine Zeit für Spaziergänge bleibt, hier  hoch gekommen ist.

 

Nach ca. 45 km erreicht man die Neuhöfer Wiese. Eine weitere Verpflegungsstelle steht für uns bereit. Auf der Neuhöfer Wiese war bis ins 19. Jahrhundert ein Viehhof gelegen. Der Weg verläuft weiter bergauf und bergab. Ich unterhalte mich mit einem Läufer aus Hamburg, der mir doch tatsächlich erzählt, er hätte nicht gewusst, wie viele Berge der Thüringer Wald hat. Schon interessant, wie „vorbereitet“ manche Läufer an so eine Strecke gehen. Die Laufberichte bei marathon4you kennt halt doch nicht jeder.

 

Nach 54 km erreicht man den Grenzadler. Hier kann man mit Zeitnahme aus dem Rennen aussteigen. Ich habe zwar zwischendurch gerätselt, ob ich es heute schaffen werde, doch als ich den Grenzadler erreiche, ist dieser Gedanke schon lange wieder verflogen. Hier ist durch die günstige Erreichbarkeit gute Stimmung garantiert. 

 

Getränke und Essen werden aus stabilen Holzhäuschen gereicht. Dies war nicht immer so – Im Jahre 1980 hatte ein Verantwortlicher der Organisation die Idee, hier oben ein Bewirtungszelt aufzustellen. Die Idee war nicht schlecht – jedoch hatte er nicht an die starken Windböen gedacht, die den Thüringer Wald häufig heimsuchen. So auch an diesem Tag - die gesamte Konstruktion brach zusammen.

 

Hat man den Grenzadler erst einmal erreicht, kann einem eigentlich nicht mehr viel passieren. Es sind nur noch knapp 20 km – die Distanz eines lockeren Trainingslaufes. Wenn hier bloß nicht diese vielen Steigungen wären.

 

Der Beerberg, Thüringens höchste Erhebung mit 973 m, wartet noch. Hier findet man auch die Gedenktafel für Julius von Plänckner (auch wenn auf der Platte Justus zu lesen ist ). Er war Artillerieoffizier beim Herzog in Ghota und forschte zugleich im Bereich der Geologie und Geographie. So schrieb er auch die erste ausführliche Beschreibung des Höhenweges durch den Thüringer Wald.

 

Von hier, das weiss ich noch aus dem Vorjahr, geht es fast nur noch bergab bis zur letzten Verpflegungsstelle dem „Bierfleck“. In Ruhe trinke ich ein leckeres, kühles Köstritzer Schwarzbier, bevor ich nur noch bergab bis ins Ziel auf die große Wiese in Schmiedefeld rolle.

 

72,7 erlebnisreiche Kilometer mit viel Tradition liegen hinter mir – ich bin überglücklich, das Ziel erreicht zu haben. Es ist mittlerweile sehr warm und ich freue mich über einen Platz im Schatten.

 

Abends fahre ich nochmal nach Schmiedefeld wegen der großen Party im Festzelt, die ebenfalls Tradition hat und zum Rennsteiglauf gehört wie der Schleim. Als ich um 19:45 Uhr das Zelt erreiche, sitzt fast niemand auf den Bierbänken. Alle stehen auf Bänken und Tischen, schunkeln und klatschen zur Live-Musik. Schöner kann man so einen Tag nicht ausklingen lassen.

Bis nächstes Jahr, Rennsteig!

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Streckenbeschreibung:

Anspruchsvoller Kurs durch den Thüringer Wald.

Zeitnahme:

Champion-Chip


Rahmenprogramm:

Kloßparty am Vorabend, Party im Zelt nach dem Rennen – ein absolutes Muss, aber eine Geduldsprobe

Weitere Veranstaltungen:

Von Walking über Wandern bis zu unterschiedlichsten Laufdistanzen findet hier jeder was. Die Hauptstrecke „der lange Kanten“ hat 72,7 km

Auszeichnung:

Jeder Finisher bekommt eine Medaille, Supermarathonläufer zusätzlich ein Funktions-Finisher-Shirt, bei allen anderen Disziplinen gibt es eine Anstecknadel

Verpflegung:

Es gibt hier einfach alles – besser verpflegt kann man nicht werden.

 

Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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