Der Termin steht für mich, sowie für viele andere Läufer, fest in meinem Laufkalender. Es gibt kaum einen anderen Lauf, der eine so wunderschöne und herausfordernde Strecke bietet, wie diese Traditionsveranstaltung in Thüringen.
So machte ich mich auf den Weg aus dem Ruhrgebiet Richtung Eisenach.
Es ist Samstagmorgen 05:30 Uhr, als 1801 Supermarathonläufer ( 1734 werden das Ziel erreichen ) auf dem Marktplatz in Eisenach stehen. Noch leicht fröstelnd sehen wir in den blauen Himmel und haben die Gewissheit, es wird ein warmer Tag.
Im Startbereich befinden sich auch Läufer, bei denen ich mich frage: „Wie wollen die 72,7km laufen ?“. Geschminkt und in modischem Gymnastiklook (samt Hallengymnastikschuhen ) stehen sie im vorderen Bereich. Doch schnell löst sich die Frage – ein Fernsehteam der Serie "Dr. Kleist" dreht mit den Schauspielern eine Szene beim Start. Die Schauspieler laufen dabei natürlich nur die ersten Meter mit.
Um Punkt 6 Uhr fällt dann der Startschuss und das Rennsteiglied ertönt. Wie bei Ultraläufen üblich, gehen die meisten Läufer mit einem ruhigen Tempo das Rennen an. Nach kurzer Zeit laufen wir durch das einzig noch erhaltene Stadttor, das Nikolaitor. Eisenach, die Stadt im Westen Thüringens, ist vielen durch die Wartburg bekannt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Im Mittelalter war sie Sitz der Landgrafen von Thüringen und Martin Luther übersetzte dort das Neue Testament.
Kurz nach der Verpflegungsstelle geht es auch schon wieder bergauf. Hier ist für mich an Laufen nicht mehr zu denken. Viele Läufer fragen sich beim Marschieren, wie wohl der Sieger, dem bei 5:20 Stunden keine Zeit für Spaziergänge bleibt, hier hoch gekommen ist.
Nach ca. 45 km erreicht man die Neuhöfer Wiese. Eine weitere Verpflegungsstelle steht für uns bereit. Auf der Neuhöfer Wiese war bis ins 19. Jahrhundert ein Viehhof gelegen. Der Weg verläuft weiter bergauf und bergab. Ich unterhalte mich mit einem Läufer aus Hamburg, der mir doch tatsächlich erzählt, er hätte nicht gewusst, wie viele Berge der Thüringer Wald hat. Schon interessant, wie „vorbereitet“ manche Läufer an so eine Strecke gehen. Die Laufberichte bei marathon4you kennt halt doch nicht jeder.
Nach 54 km erreicht man den Grenzadler. Hier kann man mit Zeitnahme aus dem Rennen aussteigen. Ich habe zwar zwischendurch gerätselt, ob ich es heute schaffen werde, doch als ich den Grenzadler erreiche, ist dieser Gedanke schon lange wieder verflogen. Hier ist durch die günstige Erreichbarkeit gute Stimmung garantiert.
Getränke und Essen werden aus stabilen Holzhäuschen gereicht. Dies war nicht immer so – Im Jahre 1980 hatte ein Verantwortlicher der Organisation die Idee, hier oben ein Bewirtungszelt aufzustellen. Die Idee war nicht schlecht – jedoch hatte er nicht an die starken Windböen gedacht, die den Thüringer Wald häufig heimsuchen. So auch an diesem Tag - die gesamte Konstruktion brach zusammen.
Hat man den Grenzadler erst einmal erreicht, kann einem eigentlich nicht mehr viel passieren. Es sind nur noch knapp 20 km – die Distanz eines lockeren Trainingslaufes. Wenn hier bloß nicht diese vielen Steigungen wären.
Der Beerberg, Thüringens höchste Erhebung mit 973 m, wartet noch. Hier findet man auch die Gedenktafel für Julius von Plänckner (auch wenn auf der Platte Justus zu lesen ist ). Er war Artillerieoffizier beim Herzog in Ghota und forschte zugleich im Bereich der Geologie und Geographie. So schrieb er auch die erste ausführliche Beschreibung des Höhenweges durch den Thüringer Wald.
Von hier, das weiss ich noch aus dem Vorjahr, geht es fast nur noch bergab bis zur letzten Verpflegungsstelle dem „Bierfleck“. In Ruhe trinke ich ein leckeres, kühles Köstritzer Schwarzbier, bevor ich nur noch bergab bis ins Ziel auf die große Wiese in Schmiedefeld rolle.
72,7 erlebnisreiche Kilometer mit viel Tradition liegen hinter mir – ich bin überglücklich, das Ziel erreicht zu haben. Es ist mittlerweile sehr warm und ich freue mich über einen Platz im Schatten.
Abends fahre ich nochmal nach Schmiedefeld wegen der großen Party im Festzelt, die ebenfalls Tradition hat und zum Rennsteiglauf gehört wie der Schleim. Als ich um 19:45 Uhr das Zelt erreiche, sitzt fast niemand auf den Bierbänken. Alle stehen auf Bänken und Tischen, schunkeln und klatschen zur Live-Musik. Schöner kann man so einen Tag nicht ausklingen lassen.
Bis nächstes Jahr, Rennsteig!
Anspruchsvoller Kurs durch den Thüringer Wald.
Zeitnahme:
Champion-Chip
Kloßparty am Vorabend, Party im Zelt nach dem Rennen – ein absolutes Muss, aber eine Geduldsprobe
Weitere Veranstaltungen:
Von Walking über Wandern bis zu unterschiedlichsten Laufdistanzen findet hier jeder was. Die Hauptstrecke „der lange Kanten“ hat 72,7 km
Auszeichnung:
Jeder Finisher bekommt eine Medaille, Supermarathonläufer zusätzlich ein Funktions-Finisher-Shirt, bei allen anderen Disziplinen gibt es eine Anstecknadel
Verpflegung:
Es gibt hier einfach alles – besser verpflegt kann man nicht werden.