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Laufberichte

Heftig laufen und kräftig feiern

21.05.11

 

Erste Etappe zur Hohen Sonne

 

Wie in einen Flaschenhals drängen die Läufer vom weiten Rund des Marktplatzes in die vergleichsweise enge Karlsstraße. Aber es geht ausgesprochen gesittet zu, denn jeder weiß: Hier wird das Rennen nicht entschieden. Nur ein paar Hundert Meter lang klappern die Schritte über das Pflaster der Eisenacher Flaniermeile, füllen die Fußgängerzone für wenige Minuten mit prallem Leben - dann ist der Spuk vorbei. Vorbei am Lutherdenkmal geht es durch das wuchtige Nikolaitor, ein Relikt der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Gleich dahinter: Eine scharfe Rechtskurve und schon zieht sich die Straße in langen Serpentinen beständig den Hang hinauf, hinein in den Eisenacher Stadtwald, der den Läuferstrom verschluckt und Eisenach die morgendliche Ruhe zurück gibt.

Auf dem zunächst noch breiten Asphalt entzerrt sich der Läuferpulk bereits. Und das ist gut so: Denn etwa bei km 1,5 weicht der Fahrweg einem deutlich schmaleren Naturweg und wenn es eine Stelle gäbe, wo man eine kleine Stauwarnung geben müsste, dann ist das hier. Aber wieder zeigt sich: Niemand drängelt oder meint den “Turbo” anwerfen zu müssen. 

Auf den verbleibenden gut 71 km ist nun die Natur, genauer gesagt der Wald in all seinen Facetten, das beherrschende Element unseres Laufs. Die nächste Ansiedelung, die diesen Namen verdient,  werde ich erst wieder im Ziel sehen. Daran, dass der Rennsteiglauf nicht nur ein Naturerlebnis ist, sondern auch durch ein Mittelgebirge führt, werden wir von Anfang an nachdrücklich erinnert: Kräftige Steigungen lassen uns schnell an Höhe gewinnen. Aber die nehmen fast alle im Moment noch ganz locker.

Nur kurz gibt der Wald einen Blick frei auf die unter uns liegenden Randbezirke von Eisenach. Und schon tauchen wir wieder in den dichten Laubwald ein. Mal rauf, mal runter geht es den weichen Naturweg entlang. Die Orientierung habe ich schnell verloren. Aber was soll’s: Frisch ist die Morgenluft, frisch ist das Grün um uns herum, und frisch sind auch wir noch - ein einziger Laufgenuss.  Am Waldsportplatz bei km 6,9 gibt es erstmals Gelegenheit, die Flüssigkeitsreserven aufzustocken. Doch richtig Durst haben erst wenige.

Einen besonderen Punkt markiert kurz darauf der km 7,4 oberhalb der sogenannten “Hohen Sonne”. Einige Zuschauer erwarten uns hier und begrüßen uns lautstark. Denn erst hier stoßen wir auf den Weg, dem der Lauf seinen Namen verdankt: den Rennsteig. Die ersten 240 Höhenmeter haben wir bis hier hin auch schon bewältigt.

 

Auf dem Rennsteig zum Großen Inselsberg

 

Der Rennsteig zieht sich als historischer Grenz- und Höhenweg fast 170 km lang durch den Thüringer Wald, ausgehend von Hörschel bei Eisenach bis nach  Blankenstein im Frankenwald. Einst zogen Kaufleute und Handwerker hier entlang, stritten aber auch Fürsten und Könige um die Vorherrschaft. Heute tummeln sich um die 100.000 Wanderer alljährlich auf Deutschlands meistbegangenem Weitwanderweg und folgen dem großen weißen “R” als Streckenmarke. Warum der Rennsteig so heißt, weiß man bis heute nicht so ganz genau. Plausibel erscheint eine Deutung im Sinne des althochdeutschen “renniweg”, wie ein Lauf- und Reitweg im Gegensatz zu einem Heeresweg bezeichnet wurde. Bis ins 16. Jahrhundert reichen die verwitterten Grenz-und Gedenksteine zurück, die entlang des Weges immer wieder an vergangene Zeiten erinnern.

In stetigem leichtem Auf und Ab, aber immer auch mal wieder ganz eben, geht es auf der hervorragend gepflegten Naturtrasse des Rennsteigs dahin. Dass die Berganpassagen überwiegen, merke ich kaum. Das intensive warme Licht der aufgehenden Sonne lässt das grüne Laub erstrahlen; endlos sind die langen Schatten der hohen schlanken Baumstämme im Meer der Gräser, Moose und Farne. Nur ab und zu gibt der Wald einen weiten Blick über das sanft geschwungene Bergland und die tiefliegende Ebene frei, vor allem dort, wo noch breite Schneisen an das Wüten des Orkans Kyrill vor vier Jahren erinnern.

Nach einer weiteren Getränkestation bei km 12,5 erwartet uns auf der Glasbachwiese bei km 18 die erste Verpflegungsstelle mit klassischer Rennsteigverköstigung. Aber dazu noch später.

Die nächsten Kilometer gehören zu den anspruchsvollsten unseres Kurses, zu den schönsten aber auch. Wir laufen über einen wurzeligen Pfad durch dichtes Nadelgehölz. Wer hier nicht aufpasst, landet schnell auf der Nase. Andererseits ist der federnde Waldboden als Laufunterlage einfach herrlich. Wer etwas Cross-Feeling sucht, kommt hier auf seine Kosten. Geht es erst noch relativ flach dahin, nimmt die Steigung im weiteren Verlauf immer mehr zu. Ab der Brotteröder Hütte (22,8 km) sind auf den nächsten gut 2,5 km 190 Höhenmeter über den Oberen Beerberg bis zum Großen Inselsberg zu überwinden. Laubwald verdrängt zusehends die Nadelbäume, und  auch dieser wird mit zunehmender Höhe knorriger und lichter.

Der 916 m hohe Große Inselsberg ist eine der höchsten Erhebungen des Thüringer Waldes und bei km 25,5 der zweithöchste Punkt unserer Laufstrecke. Im Vergleich zu Alpengipfeln ist er zwar nur ein Berglein. Wenn man ihn läuferisch erobern muss, sieht man den Gipfelsturm aber doch mit etwas anderen Augen. Er ist zudem die einzige Erhebung entlang der Strecke, die rein optisch auch als Berg wahrnehmbar ist, fast schon so etwas wie eine Berginsel im Hügelmeer. Die Aussicht von oben ist so gut, dass hier gleich zwei Berggasthöfe ihr Auskommen finden. Leider trübt der leicht diesige Himmel die Sicht ein wenig. Die exponierte Lage des Gipfels nutzen aber auch andere.  Allerdings sind die alles überragenden Radio- und TV-Sendetürme optisch nicht unbedingt das, was man mit Gipfelidylle in Verbindung bringt. 

 
 

Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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