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Laufberichte

Einmal Rennsteig, immer Rennsteig

 

Das thüringische Eisenach liegt idyllisch inmitten von 4 Tälern und zu Füßen der Wartburg. Gerade im Lutherjahr 2017 hat die Burg eine besondere Bedeutung, denn hier übersetzte Luther das Neue Testament in die deutsche Sprache. Diese deutsche Bibel war die Grundlage für eine einheitliche deutsche Schriftsprache. Bis heute gehören viele, der von Luther bei der Übersetzung verwendeten Worte und Redewendungen, zum sprichwörtlichen deutschen Sprachgut. Die mächtige, sehr gut erhaltene Burg zieht deshalb jährlich tausende von Touristen an und ist UNESCO Weltkulturerbe.

Eisenach hat aber noch mehr zu bieten. Namhafte Firmen der Automobilindustrie sowie deren Zulieferer sind hier ansässig und eine schöne Altstadt lädt zum Einkaufen und Flanieren ein. Außerdem können zahlreiche Schlösser, Kirchen und Museen besichtigt werden. Darüber hinaus ist hier die Natur nie weit: neben zahlreichen Gärten und Parks liegt das Werratal westlich vor den Toren der Stadt. Südlich findet man die Drachenschlucht und der Thüringer Wald zieht sich fast bis hinunter ins Stadtgebiet. Hier am Mittellauf der Werra, oder besser vom Eisenacher Stadtteil Hörschel bis zum Oberlauf der Saale bei Blankenstein, verläuft der 169,3 km lange Rennsteig, als Höhenweg über den Kamm des Thüringer Waldes und des Thüringer Schiefergebirges sowie teilweise durch den nördlichen Frankenwald.

Der Rennsteig ist schon lange einer der beliebtesten deutschen Wanderwege und seit 1973 auch Austragungsort des legendären Rennsteiglaufs. Über 18 000 Starter haben zur 45. Auflage des Rennsteiglaufes gemeldet. Der Halbmarathon ist mit 7600 Startplätzen der stärkste Lauf und bereits seit langem ausgebucht. Knapp 2 400 Supermarathonvoranmelder und 3.700 Marathonis werden ergänzt durch Wanderer sowie die Kinder und Jugendlichen der Juniorläufe.

Die Startnummernausgabe für den 73,5 km langen Supermarathon ist im historischen Gebäude der Stadtverwaltung, direkt am zentralen Platz, dem Markt, untergebracht. Obwohl wir früh dran sind, herrscht hier geschäftiges Treiben, ohne aber in Stress auszuarten. Die freundlichen Helfer versehen unsere Startertaschen gleich mit den jeweiligen Startnummern. Diese können dann als wasserdichte Kleiderbeutel am nächsten Morgen vor dem Start abgegeben werden.

Auf dem Markt vor dem Rathaus und der Kirche ist, wie jedes Jahr, ein Festzelt aufgebaut. Noch ist nichts los. Allein die Helfer wuseln hin und her, um alles für die um 17 Uhr startende legendäre Kloßparty vorzubereiten. Dafür sind die Straßen-Cafés rund um den Markt stark frequentiert. Ein beliebter Treffpunkt für Freunde und Bekannte. Die Startertasche weist die Träger als Gleichgesinnte aus und ein Gespräch kommt schnell in Gang.

 

 

Um 17 Uhr wird die Kloßparty eröffnet. Das leckere Essen mit Klößen, Fleisch und Rotkohl ist im Startgeld inbegriffen und als Einstimmung auf den Lauf einmalig. Alle Läufer an den Tischen sind guter Stimmung. Kein Wunder, dass sich das Zelt ruck zuck füllt. Während auf der Bühne die Küchencrew vorgestellt wird, geht ein kräftiger Schauer nieder. Es soll heute nicht der letzte sein, doch laut einheimischer Experten ist für Samstag kein Regen zu erwarten.

Am nächsten Morgen heißt es zeitig aufstehen. Start ist um 6 Uhr auf dem Markt. Temperaturen um 12 Grad und Morgensonne sind auch für kurze Hose und Shirt bereits angenehm. Unser Weg führt zunächst zu den gelben Lkw's des Sponsors, die unsere Taschen nach Schmiedefeld bringen. Die Abgabe ist unproblematisch und bestens geregelt. Der historische Marktplatz quillt über von der bunten Menschenmenge. 2500 Läufer von denen jeder sein eigenes Ziel, seine eigenen Erwartungen und Hoffnungen hat, warten auf den Startschuss. Ein Hubschrauber mit Fernsehteam an Bord kreist schon eine Weile über uns.  Hinter dem großen Startbanner haben sich die Schnellen postiert. Norbert und ich suchen ein Plätzchen im hinteren Feld. Hier ist die Stimmung locker, denn alle haben genug Zeit, um das Ziel bis 20 Uhr zu erreichen.

 

 

Dann wird es spannend. Der Start steht unmittelbar bevor. Es wird herunter gezählt und pünktlich um 6 Uhr gestartet. Es dauert allerdings ein Weilchen, bis wir die Startlinie überqueren können. Dank Zeitmessung mit Chip ist das egal. Ich genieße den Jubel der Fans, die rechts und links die gesamte Karlstraße entlang stehen. Man muss nur aufpassen, dass man nicht vor lauter Umherschauen dem Vordermann auf die Füße tritt, da es im Feld momentan noch sehr eng zugeht. Schnell erreichen wir den Karlsplatz, passieren das Luther Denkmal und laufen durch das Nikolaitor auf die Bahnhofstraße. Dann führen Serpentinen steil nach oben.

Die meisten gehen. Zu steil ist die Straße und zu groß der Respekt vor der Strecke, die noch vor uns liegt. Außerdem ist es rutschig, denn das Kopfsteinpflaster ist  aufgrund des letzten Regens rutschig – und außerdem ziemlich uneben. Oben angekommen, verlassen wir die Straße und biegen auf einen Waldweg ein. An dieser Engstelle bildet sich regelmäßig ein Stau. Die meisten kennen das schon und warten geduldig bis es weitergeht.

Dann lichtet sich der Wald und Eisenach liegt zu unseren Füßen. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel. Schnell wird es wärmer. Auf der anderen Seite des Weges thront das monumentale 33 Meter hohe Burschenschaftsdenkmal. Es ist jenen gewidmet, die im 19. Jahrhundert unter Einsatz ihres Lebens für Einheit und Freiheit in Deutschland eintraten. Hier steht eine kleine Fangruppe und feuert die Läufer an. Wir freuen uns und laufen winkend vorbei.

 

 

Der nun folgende Weg ist nicht ohne: tiefe Pfützen trennen den Weg in Pfade, die, wenn man trockene Schuhe behalten will, tunlichst nicht verlassen sollte. Entspannter wird es dann im Wald. Hier ist das Wasser schon ziemlich eingezogen und man kommt gut voran. Die meisten laufen hier die kleinen Steigungen noch hoch. Ich ziehe es vor, bereits erste Gehpausen einzulegen. An einer Stelle öffnet sich der Wald und wer die Stelle kennt, hält hier kurz inne: beim Blick zurück erhebt sich die Wartburg majestätisch aus einem Meer von Wald. Der Anblick ist grandios. Bis km 5 sind die einzelnen Kilometer noch beschildert. Ab jetzt werden, bis auf die letzten 3, nur noch alle 5 km angezeigt.

Am Waldsportplatz bei km 6,4 liegt die erste Getränkestation. Die vorderen Tische sind bereits leergeräumt. Hektisch greife ich den ersten Becher Wasser, aus Angst ich könnte nichts mehr bekommen. An den nächsten Tischen gibt es allerdings doch noch mehr als ausreichend Tee und Wasser. Sogar diverses Obst wird schon angeboten. Ich erinnere mich, dass am Rennsteig noch nie jemand verhungert oder verdurstet ist. 500 m weiter an der Hohen Sonne kreuzen wir die B19, um dann sofort wieder im Wald zu verschwinden. Ab jetzt laufen wir offiziell auf dem Rennsteig und haben seit dem Start bereits 200 Hm geschafft.

Der Rennsteig verläuft meist im Wald. Wir waren vor zwei Jahren das letzte Mal hier. Mir fällt auf, dass sich seither einiges getan hat. Neue Rastplätze wurden erstellt, die Markierungen erneuert, große Hinweistafeln angebracht und Wege erneuert. Immer wieder zweigen Wege ab. Die sogenannten „Rennsteig-Leitern“ führen zu den Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Umgebung. Für den Tourismus wird einiges getan.

Die Helfer an der Getränkestation Ascherbrück bei km 12,7 haben ordentlich zu tun. Wie ein Schwarm wild gewordener Bienen fallen die Läufer über das Getränkeangebot her. Den Helfern scheinen die lobenden Worte der Läufer zu gefallen. Oben am Ende des folgenden Anstiegs, hinter km 15 mitten im Wald, liegt eine Station der Bergwacht. Die Helfer feuern uns an. Mittlerweile hat sich die Sonne hinter dichten Wolken versteckt und der Wald liegt im feuchten Nebel. Zum Laufen ist das ganz angenehm.

 

 

Km 18, auf der Glasbachwiese gibt es das ganze Menü: Äpfel, Bananen, Zitronen, Schmalz- und Butterbrote, liebevoll mit Schnittlauch bestreut. Und dann natürlich den legendären (Hafer)schleim. Der ist lecker und so nur beim Rennsteiglauf zu bekommen. Lauffreund Uwe hat mit Martina und Ute zwei Rennsteignovizinen im Schlepptau. Die kleine Gruppe ist super gelaunt. Wir machen schnell ein paar Erinnerungsfotos.

Nun folgt der erste richtige Singletrail, der prompt in eine Wurzelstrecke mündet. Bergauf muss man ganz schön die Füße heben. Nach den 100 Hm Anstieg zur Hirschbalzwiese und weiter zur nächsten Getränkestelle Dreiherrenstein bin ich ein bisschen außer Puste. Hier bei km 20,6 wird jeder vorbeikommenden Frau ihre aktuelle Platzierung angesagt. Ich bin 396ste, kann mich gar nicht erinnern, dass ich schon mal so weit hinten war! Noch satt vom Schleim und verzichte ich an der VP auf nachtanken.

Nach dem Gefälle folgt jetzt der 5 km lange Anstieg zum großen Inselsberg. Dieser wird zwar immer wieder durch kleine Bergabpassagen unterbrochen, tendenziell geht es aber dennoch bergauf. Carsten, M4Y-Neuzugang,  ist hier ein willkommener Begleiter. Es gibt viel zu erzählen und so vergeht der Aufstieg wie im Flug. Kurz unterhalb des Gipfels wird es dann noch einmal richtig steil. Beim km 25 Schild kann man dann bereits die drei markanten Türme erkennen. Mit 916,5 m ist der Große Inselsberg der vierthöchste Berg Thüringens und die zweithöchste Erhebung beim Rennsteiglauf. Oben steht eine Abordnung des Thüringen Ultra aus Fröttstädt und feiert jeden, der hier den Gipfel erreicht.

Es geht über eine Zeitmessmatte,  dann hat man Gelegenheit, die großartige Aussicht zu genießen. Nicht wenige zücken ihr Handy, um den Augenblick festzuhalten. Hinter dem Parkplatz der Gaststätte geht es scharf rechts auf die hölzerne Treppe, über weitere Parkplätze und dann bergab. Auf 1,3 km Länge verlieren wir fast 200 Hm. Es ist so steil, dass ich mit kleinen Schritten hinunter trippeln muss. Das Gefälle scheint kein Ende zu nehmen. Ich sehne mich bereits nach der nächsten Steigung, da höre ich Musik. Die Verpflegungsstation Grenzwiese bei km 26,8 ist erreicht. Es gibt nun zusätzlich auch noch belegte Brote.

 

 

Bis zur Getränkestation Possenröder Kreuz bei km 33,6 geht es immer wieder rauf und runter. Wenn sich der Wald öffnet, hat man einen tollen Blick auf die Höhenzüge des Thüringer Waldes. Wir passieren einen der neuen Aussichtstürme, die am Rennsteig gebaut wurden. Diese zwischen drei und acht Meter hohen Stahlkonstruktionen sind überdacht und mit Lärchenholz verkleidet und passen gut in die Landschaft. Jeder soll um die 125.000 Euro gekostet haben. Ich finde, das hat sich gelohnt, verzichte allerdings auf den Aufstieg.

Wir laufen nun auf einer Betonstraße, der weiche Wanderweg liegt rechts in Sichtweite. In meinen ersten Rennsteigjahren ist man noch auf diesem angenehmen Single Trail gelaufen. Kurz überlege ich die Alternative, bleibe dann auf der Straße; man weiß ja nie, ob sich nicht doch etwas am Streckenverlauf geändert hat. Aber es hat sich nichts geändert und die Wege werden wieder zusammengeführt. Hinter km 30 überqueren wir von Helfern gesichert eine Straße. Anfänglich noch auf Asphalt, werden wir gleich wieder auf weichen Waldweg geleitet. Den matschigen Stellen weichen wir elegant aus.

Es geht jetzt auf Mittag zu. Am Possenröder Kreuz, bei km 33,1, gibt es heute Livemusik. Eine Kapelle intoniert rustikale Blasmusik. Ich stärke mich mit Cola und Banane. Noch lange habe ich die Polka im Ohr. In 3,8 km Entfernung liegt bereits die Ebertswiese und somit haben wir die Hälfte der Strecke geschafft. Irgendwie zieht es sich jetzt. Der Wald ist zwar wunderbar, die Aussicht herrlich, die Temperaturen optimal und die Läufer nett. Aber bei mir will es nicht so recht vorwärts gehen.

Gefühlt müsste ich schon längst bei der ersehnten Halbzeit angekommen sein, da kündigt ein Schild die nächste VP in 1000 Meter Entfernung an. Das ist noch weit und außerdem geht es bergauf. Endlich höre ich Musik und Sprecheransagen. Dann hinter der nächsten Kurve sehe die Ebertswiese unterhalb, vor mir liegen. Beschwingt laufe ich den breiten Weg hinunter. Es geht über die nächste Zeitmessmatte. 37,5 km sind nun geschafft. Der Sprecher sagt mich an. Ich steuere auf den Stand mit dem Schleim zu, hole mir einen vollen Becher davon und lasse mich auf einem Bänkchen nieder.

Hier geht es wie auf einem Jahrmarkt zu. An den Ständen werden übersichtlich die verschiedenen Spezialitäten angeboten. Die heißen Brühwürstchen aus dem Kessel sind allerdings nicht mein Fall. Andere freuen sich, etwas Richtiges zwischen die Zähne zu bekommen. Als ob Schmalzbrote nichts Richtiges wären. Irgendwann muss ich aber weiter. Der Weg führt erneut bergauf. Dann geht es wellig weiter bis zur Getränkestation Neue Ausspanne.

Die Helferinnen bieten ihre Bananen als echte „Thüringische Spezialität“ an. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Vor Jahren entstand so das geflügelte Wort von der gelben, vegetarischen Bratwurst. Etwas Abseits werden richtige Thüringer Rostbratwürste für die Helfer gegrillt. Vermutlich würde ich auch eine bekommen. Aber wie gesagt: das ist nichts für mich. Es geht wieder bergauf. Hinter einer Kurve öffnet sich der Wald und macht einer weiten Wiesenfläche Platz. Gerade jetzt kommt die Maisonne mit voller Kraft hervor. Ich beeile mich, um schnell den Schatten im Wald zu erreichen.

Ich überhole Didi, einen bekannten, stark sehbehinderten Läufer, mit Sabine als Guide. Im Vorbeilaufen lobe ich ihn, weil er so gut vorankommt. Er gibt das Kompliment an seine Begleiterin weiter, die ihn scheinbar optimal führt. An der VP Neuhofer Wiesen, km 45,4, werden kleine geräucherte Würste mit Brot angeboten. Ich bleibe bei Schmalzbrot mit Salz und Schleim. Auf einem Bänkchen ruhen sich gut gelaunte Läufer aus. In der Mitte sitzt eine andere Sabine, die sich richtig freut, denn seit drei Kilometern ist sie nun Ultraläuferin.

Der weitere Weg verläuft durch ein Feuchtgebiet. Trotz der ausgiebigen Regenfälle der vergangenen Tage ist der Weg aber weitgehend trocken. Rechts und links liegen unauffällig ein paar Tümpel. Es geht hinauf zum Aussichtspunkt Hoher Schorn. Bänke laden zum Verweilen ein und zwei Retter der Bergwacht stehen auf ihrem Posten.

 

 

Nach einem angenehmen Bergabstück sehe ich bereits die nächste Steigung; da zweigt der Weg auf einmal scharf rechts ab. Die Pfeile auf dem Boden sind nicht zu übersehen. Kurz laufen wir auf einem unwegsamen Trail, dann geht es erneut steil bergauf. Oben hängt, etwas versteckt, das km 50 Schild. An der Getränkestelle Gustav-Freytag-Stein gibt es eine große digitale Uhr. Sie zeigt 13Uhr16. Das bedeutet, ich bin jetzt bereits 7h16 unterwegs. Das reicht niemals mehr für eine Zielzeit unter 10 Stunden. Meine Motivation ist trotz netter Helfer auf einem Tiefpunkt.

Bis zum Grenzadler sollte es eigentlich ein Katzensprung sein. Trotzdem komme ich jetzt kaum voran. Der Grenzadler bei Oberhof bezeichnet den mannshohen Grenzstein mit preußischem Adler, der die frühere Grenze auf der Schützenwiese zwischen Preußen und Kurhessen kennzeichnet. Heutzutage ist der Name mit bekannten Wintersportstätten verbunden: dem Biathlonstadion, einer Rodelbahn, dem Skihang und etwas weiter unten zwei Skisprungschanzen. Zweimal überqueren wir die Rollerskatingstrecke, die im Sommer den Biathlethen und Langläufern als Trainingsstrecke dient. Dann kommt das riesige Wintersportareal in Sicht.

Die abgesperrte Laufstrecke führt über die Parkplatzzufahrt zur Skisporthalle. Es gibt eine weitere Zeitmessmatte für die Supermarathonläufer. Hier besteht für die Läufer auch die Möglichkeit, mit Wertung auszusteigen, denn vom Veranstalter wird ein Transport mit Kleinbussen zum Zielort Schmiedefeld bereitgestellt. Sprecher begrüßen jeden Läufer.

Eine kurze Rast mit Schleim und Nutellabrot, dann bin ich wieder auf dem Weg. Es geht am km 55 Schild vorbei, bergauf. Manfred kommt von hinten. Wir haben selten Gelegenheit, uns mal richtig zu unterhalten. Heute sind wir stressfrei und nutzen diese Chance. Nach dem langen Anstieg sind wir dann froh über etwas Abwechslung bergab.

Unten überqueren wir die B 247 auf einer futuristischen Bogenbrücke. Hier befindet sich das Rondell, ein steinerner Obelisk als Denkmal der Verkehrsgeschichte an der Kreuzung der B 247 mit dem Rennsteig. Der Name Rondell kommt von einem runden Rasenstück, das früher den Obelisken umgab. Hier stehen Schaulustige, die klatschen und tröten. Im Vorbeilaufen rufen zwei Mädels: „Ihr seht aber noch gut aus!“ Manfred ruft zurück: „Ihr müsstet uns mal sehen, wenn wir nicht laufen!“

 

 

Bis zur Getränkestelle Sommerwiese bei km 58,2 geht es wellig weiter. Lautes Gejodel begrüßt uns schon von weitem. Ich kann nicht erkennen, woher dieser bayrische Gruß kommt. Erneut greife ich zu Schmalzbrot. Außerdem gibt es jetzt dunkles Köstritzer Bier. Das hat mich hier bereits in den letzten Jahren auf den letzten Kilometer beflügelt. Die Helferin bietet auch noch Cola dazu an. Das kann nicht schaden. Am Ende der Verpflegungsstelle hat ein Mann eine große Musikanlage aufgebaut. Es ertönen afrikanische Rhythmen.

Nun folgt ein weniger schönes Stück: der breite Weg ist im Winter wohl eine Loipe (km 60). Ohne Schnee wirkt der erdige, steinige Weg ziemlich trostlos. Es geht wellig dahin, tendenziell aber hinunter. Unversehens zweigt es dann aber wieder auf einen netten, für den Rennsteig typischen, Waldweg ab und das Laufen macht gleich viel mehr Spaß, obwohl es nun erneut bergauf geht. Die Bergretter winken und wünschen einen schönen Restweg. Schilder weisen auf das Biosphärengebiet hin, das sich um den Gipfel des Großen Beerberges erstreckt. Bald haben wir den höchsten Punkt der Strecke mit 973 m erreicht. Nanu, wurde das Hinweisschild vergessen? Ich kann es nirgendwo entdecken. Trotzdem genieße ich im Vorbeilaufen „Plänckners Aussicht“.

Jetzt geht es bergab und der Weg ist schön zu laufen. Oberhalb auf der Straße fährt gerade eine Transferbus, der bereits gefinishte Läufer zu ihrem Ausgangspunkt zurückbringt. Sie winken und ich winke zurück. Vor der VP Schmücke ist bergab eine Wiese zu überqueren. Der löchrige Untergrund fordert einem nochmal alles ab. Dann geht es über die nächste Zeitmessung zur VP. Es gibt wieder Köstritzer und die Brote sind wunderbar appetitlich angerichtet. Ich schnappe mir etwas und lasse mich auf ein Bänkchen nieder.

Nach einer kurzen Pause überqueren wir die Straße, auf einem Singletrail hüpfe ich, nun wieder flott, parallel der Straße bergab. Anschließend kommt ein breiter Weg. Es geht stetig weiter runter. Das km 65 Schild kommt. Trails wechseln nun ab mit extrem steinigen Wanderpfaden. Insgesamt tut die Abwechslung gut, aber der anspruchsvolle Untergrund fordert nochmals volle Konzentration.

Schon eine Weile folgen wir den Schildern des Halbmarathons, bei dem jeder einzelne Kilometer ausgewiesen ist. Mittlerweile kann ich Läufer um Läufer überholen. Erstaunlich viele gehen. Bei km 16 (Halbmarathon) kommt der letzte Anstieg und danach bei km 68 die letzte Getränkestation Kreuzwege. Da ich nun schon mal bei Bier bin, bleibe ich auch dabei. Ich halte mich aber nicht mehr auf und trinke im Weitergehen. Den Becher kann ich in einen der vielen Müllsäcke einwerfen. Ein breiter Waldweg schlängelt sich sanft nach unten am km 69 Schild vorbei. Manfred hatte ich bei einer der letzten VPs verloren, nun taucht er plötzlich wieder vor mir auf. Im Vorbeilaufen sammle ich ihn ein. In stiller Übereinkunft beschließen wir, den restlichen Weg gemeinsam zurückzulegen, wir sind beide ziemlich platt.

Weiter vorne war mal der Schmiedefelder Skilift. An dieser baumlosen Stelle kann man einen Blick auf den heißersehnten Zielort werfen. Es geht nochmals über eine Straße und links auf einen kleinen Weg. Die kurze Steigung gehen wir hinauf.

 

 

Die letzten Kilometer ziehen sich oft. Zu zweit geht es aber tatsächlich besser. Vorne kommt ein großer roter Torbogen, der leider noch nicht unser Zieltor ist. Er kündigt aber, beschallt von lauter Musik, den letzten Kilometer an. Die Anwohner klatschen und beglückwünschen uns bereits. Die Weiche für den Zieleinlauf der verschiedenen Wettbewerbe kommt in Sicht. Noch eine Kurve und wir sehen das Ziel. Der Anblick ist gigantisch. Vorne ist der lange Zielkorridor und dann bereits das Zielbanner. Dahinter auf der Anhöhe die Wiese mit den Wohnmobilen. Das muss man einfach selbst erlebt haben. An den Absperrungen stehen immer noch viele Zuschauer und klatschen und jubeln. Wir sind nur noch ein paar Meter vom Ziel entfernt, da werde wir bereits angesagt.

 

 

Manfred wird von seiner Frau erwartet. Sie hat den Marathon gefinisht und bereits die Medaille um. Stolz nehmen wir unsere Medaillen in Empfang. Norbert ist ebenfalls da und beglückwünscht mich. Er ist bereits geduscht und hat sich massieren lassen. Er nimmt mir jetzt meine Startnummer ab, um damit meinen Kleiderbeutel abzuholen.

Aufmerksame Helfer schenken unbegrenzt Wasser, Apfelsaft und Cola aus, sowie Apfelstücke. Ich genieße die schöne Stimmung mit den immer noch ständig einlaufenden Finishern. Außerhalb des Zielbereichs gibt es für den Bon auf der Startnummer jeweils noch eine Flasche Köstritzer und das heiß begehrte Finisher Shirt. Die Gemüsesuppe, die es im Festzelt auch noch gibt, lassen wir allerdings aus, dafür spendiert mir Norbert eine Thüringer Rostbratwurst. Jetzt muss ich ja nicht mehr laufen.

Dann gehen wir hinunter in den Ort, wo die Transferbusse abfahren. Die Fahrkarten für 10 Euro haben wir bereits gestern bei der Startnummernausgabe gekauft. Man kann sie aber auch beim Fahrer bekommen. Bequem lassen wir uns zurück nach Eisenach chauffieren und können es dabei wieder kaum fassen, wie lange die Fahrt mit dem Bus doch dauert. Das alles haben wir schließlich heute zu Fuß zurückgelegt.

 

Fazit:

Der 45. Rennsteiglauf ist Geschichte und wird nicht unser letzter gewesen sein. Ich liebe diesen Lauf. Er ist für mich ein durchorganisiertes Großereignis mit familiärem Ambiente, das den Spagat von Tradition und Moderne perfekt meistert. Norbert meint ja, wir kämen nur wegen der Verpflegung, aber die Strecke ist schon auch ganz schön. Ich finde, der Rennsteig ist der perfekte Lauf für den Einstieg in die Trailsaison und gleichzeitig einer der Saisonhöhepunkte.

 

Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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