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Laufberichte

Asphalt und/oder Trail

 

Nach drei Mal Supermarathon will ich heuer auch einmal die „normale“ Marathonstrecke kennenlernen. Den kürzeren Lauf gibt es seit 1977 und findet somit heuer zum 38. Mal statt. Zunächst war die Strecke 45 km lang, ab 1992 wurde sie verkürzt auf 43,5 km. Ab heuer ist es genau die klassische Marathondistanz von 42,195 km. Die Strecke wurde ganz neu vermessen und dabei wurde auch festgestellt, dass der Kurs wohl früher auch nicht ganz 43,5 Kilometer lang war. So viel kürzer ist die Strecke jetzt also nicht, falls sich wer Hoffnung auf deutlich schnellere Zeiten macht. Lediglich an zwei Stellen wurde der Kurs leicht verändert.

Einige behaupten ja, dass die Marathonstrecke im Vergleich zum SM der landschaftlich reizvollere Abschnitt des Rennsteigs ist. Alleine schon deshalb wähle ich diesmal die kürzere Strecke und werde das in Augenschein nehmen und mir ein eigenes Urteil bilden. Außerdem will ich Greppi begleiten, damit sich der Bub nicht ganz allein in der großen Rennsteig-Welt zurechtfinden muss. So bekommt er gleich die richtige Einweisung von mir.

Kurzfristig noch eine Unterkunft am Zielort Schmiedefeld oder im Startort Neuhaus zu bekommen, ist fast unmöglich, das weiß eigentlich jeder, der schon öfters beim Rennsteiglauf am Start war. Als einzige Alternative bietet sich für Starter beim Marathon die Gemeinschaftsunterkunft in der Schule in Neuhaus an, die direkt neben dem Startplatz an der GutsMuths-Halle liegt. Hier gibt es vorab keine Anmeldemöglichkeit, Man kann einfach hinfahren und einchecken. Anschließend kann man es sich in der Turnhalle bequem machen. Greppis und meine Sache sind  diese pfadfindermäßige Gemeinschaftsquartiere nicht unbedingt, so nächtigen wir bereits in der Nähe von Coburg, also noch in Bayern.

In Nachhinein stellt sich das für uns als wirklich hervorragende Alternative heraus und kann ich durchaus bei einer Anreise aus Bayern oder Süddeutschland von Nürnberg kommend weiterempfehlen. Bis Neuhaus und auch Schmiedefeld sind es jeweils nur eine gute halbe Stunde zu fahren, so können wir sogar noch die Kloßparty ganz unproblematisch am Freitagabend in der GutsMuths-Halle in Neuhaus mitnehmen.

Die Halle ist am Abend proppenvoll und so müssen wir natürlich auch eine längere Schlange vor der Essensausgabe in Kauf nehmen. In Neuhaus gibt es traditonell Rindsroulade mit den berühmten Thüringer Kartoffelklößen und Blaukraut, während ja in Eisenach beim Fleisch als Variante immer Gulasch angeboten wird. Schmecken tut es überall gut.

Zwischen zwei Anreise-Varianten kann man am Samstag als „Auswärtiger“ wählen. Entweder man parkt seine Karre gleich am Start in Neuhaus. Dann hat man die Möglichkeit, nach dem Zieleinlauf stündlich mit einem gratis Pendelverkehr per Bus zurück nach Neuhaus zu gelangen. Das wird aber nur bis 19 Uhr angeboten und der letzte Shuttle für die Nachtschwärmer kostet 7 Euro.

Wir bevorzugen das aber genau umgekehrt, parken unser Auto am Samstagmorgen gleich direkt in Schmiedefeld und nehmen den Bus um 6:30 Uhr nach Neuhaus. Problematisch ist hierbei das Parkangebot in Schmiedefeld. Wir haben aber gerade noch Glück und können einen Parkplatz ganz in der Nähe der Bushaltestelle ergattern. Wer das auch einmal so handhaben will, bitte etwas Zeit für Parkplatzsuche und einen evtl. längeren Anmarsch zur Haltestellte einplanen.



Oft ist es noch nicht vorgekommen in der 44-jährigen Rennsteiglaufgeschichte: Kein Unwetter, kein Regen und auch keine Kälte. Das berühmt-berüchtigte Rennsteiglaufwetter eben, das ich bei meinen drei Teilnehmen auch immer so wechselhaft erlebt habe, obwohl am Vorabend immer noch herrlichstes Wetter herrschte. Aber heute sieht es wirklich super aus, wir werden perfektes Laufwetter bekommen mit viel Sonne, aber auch etwas durchwachsen mit Wolken, einer leichten Brise und um die 20 Grad. Bereits am Morgen ist es gut auszuhalten vor dem Startplatz und so ist es auch kein Wunder, dass die Stimmung hier schnell am Siedepunkt ist. Das Prozedere ist hier immer das gleiche: Ohne Rennsteiglied und Schneewalzer wird nicht gestartet. Ich komme nicht drum rum, auch an einer Schunkelrunde teilzunehmen.

Der Veranstalter ist noch begeisterter als sonst, es gibt nämlich einen neuen Starterrekord zu vermelden, was man sich im Übrigen auch erhofft hatte durch die Korrektur der Strecke auf 42,195 km. Am Start stehen fast 3.300 Läufer und Läuferinnen. Nur zu DDR-Zeiten gab es mehr, da zählte man auch schon mal 5.000 Sportler. Aber nicht nur der Marathon boomt, bei der kompletten Rennsteiglauf-Veranstaltung konnten erstmals über 18.000 Anmeldungen verbucht werden.
Jetzt wird aber gelaufen, pünktlich geht’s um 9:00 Uhr los. Die ersten beiden Kilometer führen zwischen ein ganz ansehnliches Zuschauerspalier durch Neuhaus. Von Beginn an geht es deutlich ansteigend los, erst am Ortsende flacht dann alles wieder ab. Einen gravierenden Unterschied zum Supermarathon kann ich gleich zu Beginn ausmachen: Beim Marathon werden auch einige Kilometer auf Teerstraßen absolviert. So befinden wir uns nach dem Ortschild erst einmal für mehrere Kilometer auf der B 281 Richtung Steinheid.

Aber sehr erfreulich für mich ist, ich bekomme gleich die Möglichkeit zu wählen: Asphalt oder Trail? Neben der Bundesstraße führt nämlich auch ein schmaler Wanderpfad entlang. Die meisten im Starterfeld beschäftigt diese Frage zwar nicht, sondern rollen sich erst einmal gemütlich auf der topfebenen Teerstraße ein. Aber ein paar Unentwegte, vielleicht auch Trailfreunde wie ich, wählen die weichere Alternative. Nach ein paar hundert Metern ist diese Möglichkeit aber auch schon wieder vorbei und wir müssen alle auf die Straße. Viele Rennsteigläufer kann man ausmachen mit dem aufgemalten Rennsteig-Logo auf ihren Wadeln.

Ein scharfer U-Turn führt uns nach 5 km schön bergab zum ersten Getränkeposten an der Steinheider Hütte. Für einen Trailrun kann man bis hierher ein ordentliches Tempo anschlagen. Wenig später ist es aber dann mit dem Speedrunning vorbei, wir verlassen bei km 6 die Bundesstraße und biegen ab auf den geschotterten Rennsteig Skiwanderweg, dem wir etwa 2 Kilometer folgen.



Ab Limbach (km 8,2) führt uns eine erste ernsthaftere Steigung direkt auf den Rennsteig und ab hier ist die Strecke dann auch so richtig nach meinem Geschmack, mit herrlichen schmalen Wegen und Trails. Natürlich muss man da etwas mehr auf den Boden achten, aber es macht doch gleich viel mehr Spaß.
Wer dazu noch Zeit hat, die Augen nicht nur auf die teilweise ruppigen Wege zu richten, kann an diesem Abschnitt viele der wunderschönen alten Grenzsteine bewundern, teils mit tollen Wappen und Ornamenten darauf. Seit dem 16. Jahrhundert wurde der Rennsteig durch Grenzsteine markiert, da er über etwa. 80 km auch eine Landesgrenze war. Über tausend der Ländergrenzsteine sollen heute noch vorhanden sein, der älteste datiert von 1513. Für mich taugen sie heute auch als tolle Fotomotive.



An der Sandsteinpyramide des Dreistromstein haben wir ziemlich genau ein Viertel unserer Distanz absolviert. Die meisten laufen achtlos an diesem wunderschönen Monument vorbei. Dabei ist diese Stelle einmalig in Deutschland. Das hier in dem Gebiet besonders reichlich fallende Niederschlagswasser fließt mit der Elbe, dem Main und dem Rhein gleich drei verschiedenen Strömen zu.

Kurz danach kommt die erste Vollverpflegungsstelle bei km 10,6 und können vom berühmten Rennsteigschleim kosten. Das Rezept des Haferschleims ist ein gut gehütetes Geheimnis und wurde 1973 vom Jenaer Sportmediziner Jochen Scheibe entwickelt. Bei vorangegangenen Testläufen testete man damals auch andere Mixturen und Speisen, diese erwiesen sich aber teilweise als völlig ungeeignet. In einem Haferschleim in Wasser gekocht, angereichert mit Kochsalz, Vitamin-C und Traubenzucker, fand man die optimale Lösung.

Beim ersten Praxiseinsatz 1973, als vier Läufer versuchen wollten, so weit wie möglich auf dem Rennsteig zu laufen, wurde diese Mischung dann an fast allen Verpflegungsstellen getrunken. Allerdings fiel es den Akteuren zunehmend schwerer, dieses medizinisch durchdachte Stärkungsgetränk runterzuschlucken. Bei der Verzehnfachung der Menge gegenüber den Testläufen muss ein Rechenfehler bei der Mengenzusammensetzung passiert sein. Das Getränk war einfach viel zu salzig.

Da der gesamte Rennsteig eine Wasserscheide ist, hatten die Läufer auch keine Chance, zwischendurch an einer Quelle zusätzlich Wasser zu sich zu nehmen. Ein Betreuer erbarmte sich seinerzeit und besorgte in einer Gaststätte alkoholfreie Getränke. Wäre dies nicht geschehen, würde es vielleicht heute gar keinen Rennsteiglauf geben, da sie eventuell vorher ihren Lauf verzweifelt abgebrochen hätten. So schafften sie es fast bis nach Masserberg. Vorher wurde aber der versalzene Schleim ausgekippt.

In den folgenden Jahren wurden die Schleim-Rezepte mehrfach nach neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen abgewandelt und durch Anreicherung mit Obstsäften, Zitrone oder Heidelbeeren besonders schmackhaft gemacht. Leider gibt es die Fruchtvarianten hier nicht.

Kurz nach km 17 passieren wir den Dreiherrenstein an der Hohen Heide. Er ist zwar etwas mickerig und nicht so imposant, wie manche andere, die ich schon auf meinem Speicherchip habe, dafür umso bedeutender. Er wurde 1846 gesetzt und markiert die Grenze zwischen drei Herzog- und Fürstentümern. Es gab ursprünglich nur 13 Dreiherrensteine entlang des Rennsteiges.

Auf dem Gipfel des Eselsbergs erreichen wir direkt unter dem 33 m hohen Aussichtsturm die nächste große Versorgungsstation. Schleim gibt es hier auch, aber leider wieder nur pur. Gibt es die Frucht- Variationen vielleicht nur beim Supermarathon? Für einige ist die Behandlung ihrer malträtierten Muskulatur wichtiger, dafür wird von Physiotherapeuten gesorgt. Wer sich länger hier aufhalten will, der bekommt mit zünftiger Blasmusik auch Unterhaltung geboten. Mein Fall ist das nicht, schnell einen Schleim und eine Wurststulle und nix wie weg.



In Masserberg sind für uns genau 19 km durch.  Am 12. Mai 1973 hatten die Jungs deutlich mehr auf dem Tacho. Hier endete der erste offizielle Lauf, der als 100-km-GutsMuths-Gedenklauf den Weg in die Rennsteiglauf-Geschichte fand. Die Strecke führte von der Hohen Sonne bei Eisenach bis hier her.

 

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Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf
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