Der kleiner Junge steht hoch oben auf der Mauer und blickt hinunter auf den Rhein mit seinen zahlreichen Schiffen, dem kleinen Hafen und der imposanten Brücke. Er ist etwa 4 Jahre alt und der Liebling aller Mainzer. Wegen seiner roten Stiefel wird er „Stiefelchen“ gerufen, oder in seiner Sprache: „Caligula“.
Als Kaiser, mit 28 Jahren, gondelt Caligula mal den Main hinauf, mal den Rhein hinab und schickt als exotische Trophäe ein paar Miesmuscheln von der Nordsee nach Rom. Ansonsten genoß er das Leben in vollen Zügen, weswegen der Mainzer Statthalter versuchte, ihn zu vergiften.
Der römische Kriegshafen befand sich damals etwa 150 Meter westlich der Rheingoldhalle, in der jetzigen Strasse Am Brand. Dort wo sich jetzt die Tagesklinik befindet, in der man sich wunderbar seine Marathonfersen operieren lassen kann.
Der rot-weisse Turm am Startplatz, gegenüber der Rheingoldhalle ist nicht aus römischer Zeit. Es stammt aus dem 13.Jahrhundert, als dem Rhein schon 150 Meter Land abgerungen war. Es ist der Eisenturm, so benannt, weil hier der Marktplatz für Eisen war.
Alexander ist ein schräger, lieber Typ. Er kommt mit dem Fahrrad aus dem Elsass,, Weinkiepe auf dem Rücken. Warum er einen Bauhelm trägt, bleibt mir rätselhaft, er erzählt von seiner Hütte in den Vogesen mit fließendem Naturwasser. Jochen kenn ich vom Marathon du Vignoble d`Alsace. Sehr empfehlenswert, also der Marathon.
Mein Bericht geht heute über die Festung Mainz. Kam zur Römischen Zeit der Druck aus dem germanischen Osten, so kam danach der Druck aus dem Westen, von unseren Nachbarn.
Wie oft die Franzosen vor Mainz standen, kann auch Michèl nicht beantworten. Er war selbst in der Besatzungszone in Deutschland stationiert gewesen. Als Napoleon verkleidet, ist er nun der aktivste Friedensbote, den ich kenne. Wenn er auch aus gesundheitlichen Gründen selten noch einen Marathon durchlaufen kann, so reist er doch durch ganz Deutschland um uns Läufer anzufeuern. Die schönste Story ist die, als er beim Obama eingeladen war, er ihn aber nicht erkannte. Alle Amies im Smoking und er als Napoleon. Die Zeitungen titelten damals: „Wer ist der Schwarze neben Napoleon!“
Die Rheinstrasse, auf der wir uns nun in die Startblöcke einreihen, lag vor der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Schon vor dem Fall des Limes 259/260 erhielt Mainz eine Stadtbefestigung.
Man muss schon frühzeitig in die Startblöcke gehen. Wie jedes Mal scheue ich mich, über die Absperrgitter zu springen, das Gedränge ist groß, weswegen die Teilnehmerzahl streng limitiert ist.
Start 9:30. Super Stimmung, wir sind ja auch in Mainz. Nach wenigen Metern ist linker Hand der Landtag aus dem 18.Jahrhundert zu sehen. In der napoleonischen Besatzungzeit, als Mainz 16 Jahre lang zum französischen Kaiserreich gehörte, war hier die Residenz des Korsen.
Viele französische Redewendungen und Wörter sind aufgrund des Jahrhunderte währenden französischen Drangs zum Rhein in der Mainzer Mundart geblieben: „Mach emol e bisje dusman!“ Von doucement, langsam angehen. Das ist heute meine Vorgabe, denn es wird heiss werden.
Gleich nach dem Landtag sieht man das kurfürstliche Schloss. Eigentlich wohnte der Erzbischof direkt am Dom, aber da gab es mal ziemlich Knies mit den Bürgern, also baute er 1480 hier seine Burg. Rechter Hand das Schlosstor, direkt am Ufer . Was für uns wie ein stolzer Zaun aussieht sind die Reste der „Bundesfestung“ (1816-1866), Reste des gewaltigen Zauns, direkt am Ufer, mit den Sandsteinportalen, sind von der Rheingoldhalle bis zur Kamponiere (ehem. Festung, rechts) vorhanden.Wir haben jetzt km 1 passiert.
Auf Grund des Napoleonischen Druckes gründete sich der Deutsche Bund. Die Mainzer Bürger litten über die Jahrhunderte unter den Plünderungen der Soldaten. 1830 war wieder so weit. Die Pariser Julirevolution machte es erforderlich, die Anzahl der österrreichischen und preussischen Soldaten zu verstärken. In den folgenden Jahren wurde Mainz zur Bundesfestung ausgebaut: Fort Weisenau, Favorite, Montebello, Reduit, Hechtsheim, Zahlbach, Marienborn, Stahlberg, Malakoff, Bretzenheim, Kirchof, Peters-Aue und zahlreiche Kasernen und Magazine wurden gebaut.
Auf der Strecke Richtung Mombach, am Industriehafen vorbei, freue ich mich schon auf das Werksgelände der Firma Schott. Da ist super Stimmung, und die Werksfeuerwehr wird uns in der zweiten Runde allerbeste Kühlung spendieren. Ganz früher stellte man hier sogenannte Fernsehkolben her, später natürlich das Laborglas, nun aber konzentriert man sich voll und ganz auf die Photovoltaik. Die Schottwerke waren eigentlich in Jena beheimatet gewesen, aber nach dem letzten Krieg nahmen die Amerikaner die Spezialisten mit nach Mainz (der Zug der 41 Glasmacher) und gründeten hier die Werke.
Wie kaum ein anderer linksrheinischer Ort wurde Mombach während der Jahrhunderte durch die Franzosen immer wieder besetzt und geplündert, da das Dorf für die Belagerung von Mainz strategisch wichtig war. An einigen alten Scheunen sind noch Elemente der alten Stadtbefestigung zu sehen. Stimmungshochburg an der nördlichen Wende des Marathonkurses.
Wir durchlaufen die Mainzer Neustadt. Bis zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 durfte hier nicht gebaut werden, um anrückenden Truppen keinen Schutz zu bieten. Doch die Wohnungen in Mainz waren hoffnungslos überfüllt, es gab keine Sanitäranlagen und Seuchen drohten. Das militärische Sperrgebiet rund um Mainz war siebenmal größer als die Stadt selbst. Da kam es nur gelegen, daß nun die Festung Metz nach dem gewonnenen Krieg als neues Bollwerk gegen Frankreich fungierte. Die ehemaligen Festungswälle, die hier im sogenannten Gartenfeld standen, wurden niedergerissen und neue Häuser mit Hilfe der Reparationszahlungen entstanden (Gründerzeit).