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Laufberichte

Für Fortgeschrittene

23.06.07

"Usgab Nummerer füffi,“ die Veranstaltung hat sich etabliert

 

Graubünden Marathon. Der härteste Marathon der Welt. Lauferlebnisse für Fortgeschrittene. Von Chur über die Lenzerheide aufs Rothorn. 42,195 Kilometer; +2682/-402 Höhenmeter; Laufen zwischen 585 Meter und 2865 Meter Seehöhe. So charakterisiert eine kurze Beschreibung den Lauf in der Zeitungsbeilage auf der ersten Seite. 

 

Wo liegt eigentlich Chur? Einfach gesagt, auf halber Strecke zwischen München und Mailand. Es liegt am Rhein und ist etwa 70 Kilometer vom Dreiländereck Schweiz, Österreich und Deutschland entfernt. Chur ist die Hauptstadt des Kantons Graubünden und hat neuerdings die Bezeichnung „Chur, die Alpenstadt.“ Hier fanden Wissenschaftler 5000 Jahre alte Siedlungsspuren. Damit ist Chur die älteste Stadt der Schweiz. Um 15 vor Christus marschierten hier die Römer ein und machten den Ort im Jahr 284 zur Provinzhauptstadt. Der Beitritt der Bündner zur Eidgenossenschaft wurde 1803 vollzogen, 17 Jahre später wurde Chur Kantonshauptstadt. Heute leben hier 35000 Menschen.

 

Was gibt es zum Lauf zu berichten. Nun, für Surfer ist der Link www.graubuenden-marathon.ch nützlich, denn alle Informationen können dort abgerufen werden. Eine Anmeldung via Datasport mit direkter Bezahlung (Kreditkarte oder per Lastschrift bei deutschem Konto) ist auch eingerichtet.

Aufgrund eines kurzfristigen Termines bei unserer Feuerwehr kann ich erst in der Nacht auf Samstag anreisen. Der Vorteil des geringen Verkehrs steht jedoch entgegen, dass es ein höheres Unfallrisiko gibt.  Stichwort Sekundenschlaf. Ich plane, ein Stück zu fahren und dann bei den ersten Ermüdungserscheinungen den Autositz auf Liegeposition zu stellen.

 

Müde werde ich nicht, sondern immer aufgekratzter, je näher ich dem Ziel komme. Meine Fahrt über Lindau, Bregenz und Feldkirch geht via Autobahn schnell. Auf die Frage des Zöllners am Grenzübergang Feldkirch/Liechtenstein „wohin?“ und meiner entsprechender Antwort lacht er und wünscht „Viel Erfolg!“

 

Bei der Durchfahrt von Chur um 02.00 Uhr morgens sind noch zahlreiche Leute in den Straßen unterwegs. Eine gute halbe Stunde später bin ich auf der Lenzerheide und parke mein Auto an der Talstation der Rothornbahn. Einige Wohnmobile stehen schon da, durch die geöffnete Schiebetür kann ich sogar einen schlafenden Sportler im Scheinwerferlicht erkennen. Guats Nächtle.

 

Nach gut drei Stunden Ruhezeit wird, salopp gesagt, aus dem Rucksack gefrühstückt. Zwei Semmeln mit Marmelade reichen. Der Postbus kommt pünktlich. Die Läufer dürfen ihn kostenlos benutzen. „Auf Wiederluaga,“ sagt der Busfahrer an der Endstation, dann lacht er ins Mikrophon: „Ich wünsch an guata Marsch!“ Wir steigen am Omnibusbahnhof aus, ein futuristischer Bau, wo im Untergeschoss noch der Bahnhof integriert ist. Unser Weg zum Startgelände auf der Quaderwiese ist ausgeschildert.

 

Für die Startgebühr von 95 CHF (Nachmeldung plus 20 CHF) erhalten wir nicht nur ein unvergessliches Laufabenteuer, sondern auch ein neonfarbenes Funktionsshirt, ein Diplom (via Internet), Gutschein für die Nudelparty, freie Postbusbenutzung Chur/Lenzerheide/Bivio/Davos, eine Medaille und natürlich den Rücktransport vom Rothorn mit der Bahn. Ausgesetzte Preisgelder, gestaffelt von 500 bis 1500 CHF, jeweils für Damen und Herren, sorgen dann auch für internationale Beteiligung.

 

Auf der Quaderwiese haben sich gegen 07.45 Uhr bereits erste Sportler versammelt. Ich erhalte meine Unterlagen in Sekundenschnelle. Meine Frage für die eigene Bekleidung stellt sich heute besonders schwierig dar: Momentan noch bedeckt, hier in Chur so knapp 15 Grad, vorhergesagte Nullgradgrenze bei 3000 Meter. Ganz kurz zu laufen, ist für den Läufer im Mittelfeld riskant. Einmal ausgekühlt auf der Höhe, da wirst du nicht mehr warm und eine Erkältung ist wohl noch das geringste Übel. Ich denke, eine Radlerhose, Handschuhe in der Hüfttasche und ein zusätzliches langärmeliges Shirt um die Hüfte ist eine zweckmäßige Wahl. Der Wetterfrosch und auch der Ansager verkündet im Tagesverlauf Wetterbesserung.

 

Als erstes bekanntes Gesicht läuft mir der Erwin Bittel über den Weg, der davon ausgegangen ist, dass der Start auf der Lenzerheide erfolgt. Seine Fehlinformation hat er gerade noch bemerkt. Da empfehle ich das Studium der Ausschreibung und der letzten Informationen. Als nächstes sehen wir beide Klaus Duwe und Thomas Schmidtkonz. Mit dem Klaus bin ich mir einig, dass eine solche Herausforderung eine Nervosität wie beim ersten Marathon hervorruft. Die Startzeit, 09.15 Uhr, rückt immer näher. Den  Zuschauern und den Läufern werden dann noch einige Favoriten vorgestellt.

 

Startschuss. Ich stehe noch oben und mache noch zwei, drei Bilder. Das Läuferfeld setzt sich ohne Hektik in Bewegung. Wir durchlaufen die schöne Altstadt Chur (585 Meter). In der Fussgängerzone der Poststraße sehen wir viele Zunft- und Bürgerhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Fast an jedem Fenster hängen Fahnen. Sehr schnell verlassen wir aber Chur und machen bereits die ersten Höhenmeter auf asphaltierter Strasse gut. Da muss ich einen bekannten Läufer überholen. Es ist der Klaus, der wohl einen Schnellstart hingelegt hat. Oder habe ich wieder einmal viel Zeit beim Fotografieren verloren? Ich beschreibe ihm kurz den nächsten Weg. Der motorisierte Verkehr und die Rhätische Bahn nach Arosa teilen sich hier die Fahrbahn.

 

Chur ist ein wichtiger Eisenbahnknoten, da die von Norden kommende Normalspur endet und die Weiterreise auf der Schmalspur der Rhätischen Bahn weitergeht. Von Chur sind dann Orte wie St. Moritz, Pantresina, Davos und Arosa erreichbar. Ja, und die Rhätische Bahn beendet mit einem lauten Pfiff unseren Ratsch. Wir können gerade noch die Gleise nach rechts überqueren. Meiersboden (630 m), hier ist eine Zivilschutzanlage untergebracht, der Asphalt endet und die Steigung wird auf der Naturstraße stärker. Klaus schickt mich vor, ich wünsche ihm viel Spaß und ein gesundes Wiedersehen auf dem Rothorn.

 

Kilometer 4,6. Kurhaus Passugg (765 Meter), die erste Verpflegung mit Iso und Wasser wartet. Die Helfer rödeln, da wir bereits eifrig zugreifen. Ein paar Meter später verengt sich der Weg und wir haben ein paar Treppen bergab zu bewältigen. Die Quittung folgt aber auf dem Fuß, denn eine scharfe Rampe bringt das Gros des Feldes in den Gehschritt. Ich auch. Später können wir wieder laufen. Der Weg ändert sich mehrmals in seiner Beschaffenheit. Wurzeln, Steine, ein paar Mal auch Sprungeinlagen über Wasserläufe, auch ein Stück Grasweg ist darunter.

 

An der nächsten Tankstelle im Helltobel (Kilometer 8,1, 1030 Meter) können wir bereits die ersten Berge mit Altschneeauflage sehen. Bei meinen Verfolgern sorgt mitunter meine selbstgebastelte Rückennummer mit der Aufschrift „Quäl Dich Du Sau“ für Aufmerksamkeit und Gelächter. Bei Kilometer 10 fallen mir vier Frauen auf. „Habt heute viel Spaß,“ rufe ich ihnen zu. Darunter ist Sonja Baselgia-Bläsi aus Lenz, für sie ist das heute wohl ein Heimspiel. Auf der steilen Rampe nach Churwalden bearbeitet eine Frau eine Kuhglocke.

 

Bis Churwalden haben wir uns bereits fast 650 Höhenmeter erarbeitet, denn der Ort mit 1200 Einwohnern liegt auf 1237 Meter Seehöhe. Der Ort ist vom Fremdenverkehr im Sommer wie Winter stark abhängig. Wenn wir nach Norden schauen, dann können wir auf die längste Rodelbahn der Welt auf Schienen (3,1 Kilometer lang) schauen, die vom Sportgebiet Pradaschier direkt in den Ort führt. Bis zum 12. Jahrhundert trug die Ansiedelung den Namen Aschera (lateinisch: acer = Ahorn). Der jetzige Name tauchte erst im 16. Jahrhundert auf. Bei Kilometer 11,8 gibt’s wieder was zum Futtern, neben Flüssigem greife ich zu Riegel und Gel.

 

Bei Kilometer 12 biegen wir links von der Hauptstraße ab. Jetzt führt uns der Weg wieder in den Wald, später auf Almwiesen. Prachtvoll sind die blühenden Almwiesen anzusehen. Mir fallen zwei Läufer mit ihrem orangen Trikots auf. Es sind Oli und Steff. Der eine ist wohl ein laufender Fahrer, abgebildet auf dem Rücken ist ein Renner mit Lenkrad. Oder ham’s dem den Lappen (Führerschein) gnumma? Und der andere will’s wohl gemütlich, er hat eine Schnecke auf seinem Trikot. Eine Saugstelle (oder Saufstelle?) ist bei Büel (1522 Meter, Kilometer 15,5) eingerichtet. Unser Weg bleibt steigend.

 

Kennt Ihr den Unterschied zwischen einer Beiz/Beizli und einer Boazn? Mit dem Gebrauch des richtigen Artikels bei der Beiz bin ich mir nicht sicher. Nun, auf dem bisherigen Weg habe ich bereits mehrere Beizlis gesehen. Es handelt sich hierbei wohl um Einkehr- und Degustationsmöglichkeiten in den Schweizer Bergen. Ja und der andere Begriff, „a Boazn“ kommt aus dem Oberbayerischen und bezeichnet eine Wirtschaft oder ein Wirtshaus, wo weniger auf Schlemmerfreuden Wert gelegt wird, eher doch auf den Genuss flüssiger, alkoholhaltiger Nahrung mit der Folge eines rustikaleren Umganges miteinander. Wieder was glernt.

 

Foppa-Pass, hinter Kilometerschild 17, die erste langgezogene Steigung von Chur herauf endet. Knapp 1200 Höhenmeter liegen hinter uns. Bei der Trinkstelle Foppa (1754 Meter, Kilometer 17,6) sind Kinder beim Getränkeverteilen und Becher sammeln eifrig dabei. Auf den vier Kilometern verlieren wir gut 200 Höhenmeter. Auf asphaltierter Bergstrasse lasse ich es rollen, doch dann geht es scharf rechts auf einen Grasweg mit entsprechenden unebenen Stellen. Vorsicht ist nötig, denn der Untergrund ist noch feucht und teilweise auch rutschig.

 

Bei Kilometer 20 ist ein kurzer Wiesentrail zu absolvieren, das Gefälle nimmt im folgenden Kilometer noch zu. Wir haben das Hochtal der Lenzerheide erreicht. Ab hier folgt das zweite Streckendrittel, eine kupierte und abwechlungsreiche Strecke mit kurzen Steigungen und Gefällen, die mir außerordentlich gut gefällt.

 

In Parpan (Kilometer 23,5, 1509 Meter) laufen wir neben der Kirche durch ein modernes Tor eines der Sponsoren. Da werden wir auch über Lautsprecher namentlich angekündigt. Kurz nach dem Tor finden wir wieder eine Tankstelle. Wir verlassen Parpan, es wird schön schattig im folgenden Waldstück, aber dafür müssen wir aufpassen, denn der Kurs gleicht einem Crosstrail, zahlreiche Wurzeln und Steine, auch einige Wasserlöcher und Sumpfstellen wollen beachtet werden. Keiner will sich hier verletzen.

 

In Valbella (Kilometer 27,4, 1486 Meter) laufen wir dann an den Igl Lai (Heidsee), den wir fast vollständig umrunden. Im Wasser sehe ich zwei Schwimmer, die da durchackern. Ich denke, ohne Neoprenanzug ist das wohl kaum zu bewerkstelligen, das Wasser ist wohl viel zu kalt. Später macht uns Peter Kaupp mit seinem Didgeridoo Musik. Wer aber glaubt, es geht eben um den Heidsee, der täuscht sich, denn der Kurs ist weiterhin wellig. Mittlerweile sind wir im rätoromanischen Teil der Schweiz angelangt. Ob hier noch jemand diese Sprache versteht, weiß ich natürlich nicht. Rund 60000 Personen sprechen und verstehen noch die vierte Landessprache der Schweiz. Im anschließenden Campingplatz am Igl Lai werden wir von Urlaubern angefeuert und weitergetrieben.

 

Durch eine Unterführung ersparen wir uns die Überquerung der Voa Principala, der Hauptstrasse, und wir sind nun in Sichtweite der Talstation der Rothornbahn. Ich sehe mein Auto. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mein langes Shirt hier zwischengelagert.

 

Nach einem kurzen Waldstück laufen wir nach Lenzerheide (1458 Meter) hinein. Wir umrunden das Schulgelände. Für die 20 Meilen-Läufer ist hier Feierabend, Marathonis können hier mit Ansage auch aufhören. Von einem Moderator werde ich angekündigt. Ich winke ihm zu und weise auf meinen Spruch am Rücken hin. Er liest es über die Anlage vor, muss laut lachen und sagt: „Das hat dem Läufer ein Kollege mitgegeben.“ Das habe ich schon selbst ausgeheckt. Der folgende Verpflegungstisch ist wieder reichlich gedeckt. Ich nehme Cola und Iso und spüle damit das Gel hinunter.

 

Lenzerheide selbst gehört politisch zur Gemeinde Vaz/Obervaz. Trotz des deutschen Namens liegt die Lenzerheide im romanischen Sprachgebiet und heißt auf Romanisch Lai. Bereits 1903 wurde hier der erste Skikurs durchgeführt. Der eigentliche Aufschwung im Tourismus begann erst etwa 20 Jahre später. Heute spielt daneben noch die Landwirtschaft und das Baugewerbe eine wichtige wirtschaftliche Rolle.

 

Es folgt das letzte Drittel, der Anstieg zum Rothorn, auf gut elf Kilometer Weg sind noch rund 1400 Höhenmeter verteilt. Ich komme kurzzeitig mit Adrian Schilt ins Gespräch, der vom letztjährigen Jungfraumarathon schwärmt. Heute will er sich auch Zeit lassen, der Genuss steht für ihn im Vordergrund.

 

Vor der Verpflegung Wasserfall (Kilometer 33,5, 1800 Meter) höre ich schon Musik. Das lasse ich eine Läuferin wissen: „Jetzt samma gleich beim Wasserfall. Oder vielleicht hamma schon Halluzinationen.“ Aber ich habe mich nicht getäuscht. Auf einer Anhöhe steht Joe Tscharner mit seiner Quetschn und spielt uns auf. Ich kippe mir ein Isogetränk hinter die Binde.

 

Jetzt folgt ein rund zwei Kilometer Singletrail ohne nennenswerte Steigungen. Das tut gut, dass ich wieder ins Laufen komme und so die Beine lockern kann. Doch aufgepasst, Steine und Wurzeln lauern. Vor der Mittelstation werden wir mit klassischen Weisen „weitergegeigt“. Nun, so schlimm war’s aber nicht. Die drei Musiker mit Kontrabass, Gitarre und Geige helfen uns auf der kurzen Rampe zur Mittelstation hoch.

 

Bei der Mittelstation (Kilometer 35,4; 1883 Meter) ist der Verpflegungstisch wieder reichlich gedeckt. Ich greife zu. Dann geht’s auf guter Bergautobahn weiter, auch Laufeinlagen sind möglich. Mittlerweile ist die Nebeldecke zum Greifen nah.

 

An der Alp Scharmoin ziehe ich mein langärmeliges Shirt an. Ein neuer blauer Speichersee erscheint, wo wir vorbeilaufen. Unsere Steigungsprozente werden wieder zweistellig. Ich beobachte einen Läufer, der immer wieder stehen bleibt und verschnauft. Ich will ihn fotografieren, da linkerhand hinter einer Einzäunung eine Kuh das ganze beobachtet. Da muss ich aber aufpassen, nicht dass mir der Weidezaun so wie in Kempten einen elektrischen Schlag verpasst. Am Weishornlift (2170 Meter, Kilometer 37,5) erhalten wir wieder Getränke. Die Helfer haben sogar noch Zeit gefunden, den Verpflegungstisch mit zwei Alpenrosensträußen zu verschönern. In einer Plastikschale sind Heidebeeren. Lecker. Und dann weiter!

 

Zunächst sehen wir ergrünende Skipisten mit vielen Alpenblumen, dann wird das ganze steiniger. Der Fahrweg wird immer ruppiger. Einige Wegstücke lassen sich noch belaufen. Ein Streckenposten hat seinen Jeep hier hoch gefahren und ist einsatzbereit. Nach Kilometerschild 38 folgt dann ein unglaublich schwieriger Streckenteil. Wir laufen unterhalb der Seilbahn durch die sogenannte Traverse. „Hier schaut’s aus wie in einer Steinwüste,“ sage ich einem Läufer und ernte Schweigen. Der ist wohl mehr mit sich selbst beschäftigt. Das Herz hämmert, die Luft ist knapp. Wer seine maximale Herzfrequenz sucht, kann hier sicher fündig werden.

 

Ich genieße weiterhin den Lauf, entdecke in dieser unwirtlichen Umgebung immer wieder kleine Blumen und kann fast nicht verstehen, wie diese Pflanzen hier überleben. Mitunter stehen wir im Nebel. Irgendwie merke ich, dass es mir warm vorkommt. Die Sonne ist durch den Nebel fast nicht sichtbar. Da kommt mir ein Gedanke und ich greife nach einem Stein am Weg, der „bacherlwarm“ ist. Aha, das mit der warmen Luft war nicht geträumt. Die Sonnenstrahlung durch den Nebel reicht, dass sich der Untergrund aufheizt.

 

Am Foil Cotschen (Kilometer 39,9; 2470 Meter) gibt’s noch mal reichliche Auswahl auf der Speisekarte. Der weitere Weg führt um einen Bergvorsprung. Das 40-Kilometerschild folgt. Der Nebel reißt auf. Weiter ansteigend. Wir sehen die letzte Verpflegung auf dem Grat. Alles geht. Für zwei, drei kurze Stücke kann ich noch mal laufen und komme so den Wandermarathonis vor mir etwas näher. Ich höre Klänge aus dem Alphorn. Bei der letzten Verpflegung bei Kilometer 41 (2660 Meter) gönne ich mir noch einen Becher.

 

Einem Fotografen zeige ich meine Rückennummer, er springt hinterher und fotografiert. Dann sehe ich den Alphornbläser. Es ist Andreas Michel, der inmitten einer Gänseblumenwiese steht und bei jedem Läufer dem Musikgerät ein paar Töne entlockt.

 

Wir sehen heute viele Gipfel. Im Kanton sollen 1000 Gipfel, 11000 Kilometer Wanderwege und 45 Hütten auf die Wanderer und Bergsteiger warten. Heuer feiert man hier 150 Jahre Alpinismus.

 

Die letzten Serpentinen, mittlerweile haben wir Sonnenschein. Ich kann noch einige Gegner einsammeln. Eine Haarnadelkurve nach der anderen. Ich schraube mich nach oben. Am Grat sitzen zahlreiche Zuschauer wie die Hühner „auf’m Stangerl“. Noch 200 Meter. Linkskurve, noch 100 Meter. Es geht auf dem Grat. Ich marschiere stramm und laufe die letzten Meter ins Ziel auf 2865 Meter Höhe. Vor der Zeitmessmatte bleib ich stehen und löse dann das Impuls für die Zeitnahme mit einem Standweitsprung aus. Allegra auf dem Rothorn. Die hart verdiente Medaille wird überreicht. Sodala, das war jetzt der fünfte Streich.

 

Am Ende der Treppe kommt ein Helfer mit einer Zange und will den Chip abnehmen. Da ich ihn in die Schnürung eingefädelt habe, übernimmt der Helfer die Arbeit und merkt nicht, dass er den verkehrten Schuh aufmacht. An der Verpflegungsstelle greife ich mir zwei Becher und hole mir meinen Rucksack. Schnell was Warmes anziehen. Später mache ich noch einen Abstecher zum eigentlichen Rothorngipfel, der gerade 100 Meter seitlich entfernt ist.

 

Ich kehre dann zurück ans Ziel, gerade rechtzeitig, da Thomas Schmidtkonz einläuft. Ich gehe ein Stück bergabwärts und genieße die Szenerie. Später bemerke ich den Klaus Duwe und fotografiere ihn. Er bemerkt mich noch nicht. Dann aber: „Anton, was machtst Du da. Spinnst Du?“ Ich antworte: „Ich habe Dich schon eine ganze Zeit beobachtet.“ Klaus freut sich riesig. Ich laufe noch zwei Mal vorneweg, um von ihm ein paar Bilder zu machen. Er lässt beim Zieldurchlauf einen Kampfschrei los.

 

Ja, und mit meiner Zeit bin ich hoch zufrieden, denn das Zeiteisen zeigt 5.36.38 Stunden (Platz 139). Da hab’ ich mich im Vergleich zu 2006 um mehr als eine halbe Stunde verbessert, den guten Bedingungen sei’s gedankt. Was wäre ohne die rund 100 Fotostopps, die brauchen halt a a bisserl Zeit, möglich gewesen. Aber ich wollte ja Spaß haben und mich nicht quälen. Dir Rückfahrt mit der Bergbahn geht relativ zügig ins Tal.

 

Es siegen Michael Barz (3.51.30 Stunden) vor Martin Cox (3.57.00) und Ueli Horisberger (3.58.34) bei den Herren. Bei den Damen gewinnt Stephanie Vollenweider (4.18.15) vor Claudia Helfenberger (4.26.29) und Ester Schneider (4.29.35).

 

Grüezi, a revair aus den schönen Graubündner Bergen.

 

Teilnehmer:

Marathon 342 Finisher. 20 Miles 108 Finisher. Rothorn Run 97 Finisher. Walking Bewerbe 930 Finisher.

 

Laufwettbewerbe:

Marathon: Chur-Lenzerheide-Rothorn +2682 m / -402 m.
20 Meilen (32,2 Kilometer): Chur-Lenzerheide +1268 m / -402 m
Rothorn-Run (11,5 km): Lenzerheide-Rothorn +1414 m

 

Walkingwettbewerbe:

Rothorn Power Top (11,5 km): Lenzerheide-Rothorn +1414 m, mit

Zeitmessung


Rothorn Top (11,5 km): Lenzerheide-Rothorn +1414 m


Panorama (9,5 km): Lenzerheide-Heidsee-Spoina +243 m


Heidsee (5,5 km): Lenzerheide-Heidsee +29 m

 

Zeitnahme:

Per Chip von Datasport.

 

Auszeichnung:

Urkunde aus dem Internet, Finishershirt, Medaille. „Nur Bares ist Wahres“, das gilt für die schnellsten drei Männer und Frauen. Sachpreise für die Klassensieger.

 

Drumherum:

Duschmöglichkeit und Massage in der Mehrzweckhalle. Gepäcktransport zum Ziel. Gratisrücktransport vom Rothorn nach Lenzerheide mittels Rothornbahn und Shuttlebus. Organisierte Kinderbetreuung.

 

Verpflegung:

Alle fünf Kilometer Mineraldrinks, Wasser, Cola, Energieriegel, Weissbrot, Bananen, Gel und Bouillon. Am Aufstieg zum Rothorn sechs Verpflegungsstellen .

 

Zuschauer:

An gut erreichbaren Stellen viele Zuschauer, es gibt auch Streckenteile, wo kaum eine Menschenseele anzutreffen ist.

 

Fazit:

Ein schwerer Berglauf, den man mit großem Respekt vor der Topographie angehen sollte. Erfahrung am Berg kann für die Teilnahme nur von Nutzen sein. Viele Teilnehmer nutzten den LGT-Alpin-Marathon eine Woche zuvor als „Aufwärmprogramm“.

 

Informationen: Graubünden Marathon
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