Der 45. Göltzschtalmarathon, ein kleiner Ausflug, Jubiläen zuhauf und ein erster Test. Das ganze Drumherum von mir und dem Lauf gibt es hier. Der (Marathon)Frühlings ist da.
Nach dem Freitagsgeschäft mache ich mich auf die Anfahrt ins Vogtland. Wer mal ein Kfz-Zeichen mit einem V sieht, das kommt dann aus dem Vogtland. Und das liegt an der Ecke Bayern, Sachsen, Thüringen und Tschechien. Mit der Jugendherberge Schöneck treffe ich keine schlechte Wahl, denn nicht mal 30 Minuten dauert die Anfahrt am Wettkampftag. Nur, so berichtet mir der Herbergsvater, ein paar Tage vorher zeigte sich Petrus noch grauslig, denn er es noch mal schneien lassen und der Schnee blieb auch noch liegen.
Ich bin gut in der Zeit bei der Anreise und drehe noch einen kleinen Umweg zur Goeltzschtalbrücke. Das Viadukt über die Göltzsch gilt als Wahrzeichen des Vogtlandes. 26 Millionen Ziegelsteine wurden auf der 574 Meter langen Brücke verbaut. In rund 78 Meter Höhe führt die Eisenbahnlinie Leipzig – Hof über das Tal. Die Sächsisch-Bayerische Eisenbahn-Compagnie begann 1846 mit dem Bau, fünf Jahre später wurde die Verbindung eingeweiht. Das Bauwerk ist heute noch die weltweit größte Ziegelbrücke. Ein Ausflug auf eines der oberen Brückenrampen ist nicht möglich, denn der Steg über die Göltzsch ist für Fußgänger gesperrt.
Gut ausgeschlafen mache ich mich am nächsten Tag auf die Anfahrt nach Lengenfeld. Das Start- und Zielgelände am Stadion des VfB Lengenfeld am nördlichen Ortsausgang ist gut ausgeschildert. Parkplätze sind genügend vorhanden. Ja, und mehr als 50 Meter braucht der faule Marathoni auch nicht laufen, bis er seine Startnummer in der Hand hat.
Im Wettkampfbüro ist der laufende Reporter schon bekannt, auch wenn mein letzter Start hier vor acht Jahren war. Es dauert nur Augenblicke, dann treffe ich Rainer Milek, der als Gesamtleiter auftritt. Übrigens, die Vogtländer machen das sehr routiniert, trotzdem herzlich und familiär.
Zum 45. Mal wird der Marathon veranstaltet und damit ist man gleich nach dem Essener Marathon und dem im Schwarzwald der drittälteste Marathon in Deutschland. Und was noch zu erwähnen ist: der Rainer organisiert den Lauf von Anfang an und wird daher besonders geehrt.
Der rückläufigen Teilnehmerzahlen wegen legt man seit diesem Jahr den Göltzschtallauf (früher immer im Frühjahr) und den Göltzschtalmarathon (bisher im Oktober) zu einer Veranstaltung zusammen. Und das ist gut, denn es wird mit über 450 Teilnahmen auf allen Strecken einen neuen Rekord geben.
Was ist denn alles geboten? Außer dem Marathon gibt es einen 10-Kilometer-Lauf und ein Halbmarathon, NordicWalking über 10 und 21,1 Kilometer ist ebenfalls möglich. Schließlich kann der Nachwuchs noch auf eine fünf Kilometer lange Strecke gehen.
Aufgrund des Hochwassers im Vorjahr muss auch die Streckenführung im Stadion geändert werden, denn jenseits des Stadions fließt die Göltzsch und die hat die Sandlaufbahn auf der Gegengerade zum Teil mitgenommen. Jetzt sieht man da einige Erdhaufen, die Renovierung ist am Anlaufen.
Kurz vor dem Start ruft dann die Stimme des Vogtlands, der Sportreporter Rainer Zimmermann, zum Hauptlauf auf. Und dann wird er noch selbst geehrt, denn 40 Jahre ist er am Moderieren. Mit Kaffee und etwas Rauch, ich ertappe ihn dabei, hält er die Spannung hoch und sorgt auch für die richtige Musik.
Während man das Feld bis zur Startlinie noch einige Zentimeter zurück drängt, darf ich vor der Markierung stehenbleiben, um meinen Schuss zum Startschuss genau um 11.00 Uhr zu setzen. Wir laufen 100 Meter im Stadion, um am Ende das Sportgelände zu verlassen. Ein wenig eng ist es, doch dann biegen wir schon auf einen Radweg ein. Übrigens, wer sich bis einige Tage vor dem Lauf anmeldet, zahlt 25 EUR für den ganzen Marathon. Der Halbe kostet zehn, und der Zehner fünf Euro. Für die ersten aller Klassen warten später Urkunden, Pokale und Sachpreise. Finishermedaillen erhalten die Ausdauerläufer über 42 und 21 Kilometer.
Links und rechts des Radweges blühen viele kleine Waldblumen. Die gelbe Blüte der Forsythie geben der Natur einen deutlichen Farbtupfer. Julius vom K9, ein Schäferhund, zieht sein Herrchen über die Strecke. Den Hund hängt zwar jetzt schon die Zunge raus, aber das ist normal, so der gezogene Gert Michel aus Oelsnitz.
Frühzeitig zieht sich dann das Feld auseinander. Nach einer guten Viertelstunde kommt die Spitze der Zehnkilometerläufer bereits entgegen. Zuerst nur vereinzelt, doch dann im Bereich einer überdachten Brücke wird der Gegenverkehr stärker. Kurz zuvor können wir verpflegen: Wasser, Iso, Cola und Bananen liegen für uns aus. Die eifrigen Helfer reichen uns die Becher zu. Eine Pylone markiert schließlich den Wendepunkt. Sofort wird es im Feld lichter.
Etwa einen halben Kilometer nordswestlich der Ortschaft Weißensand sehen wir eine weitere Göltzschtalbrücke, diesmal die der Autobahn 73, die das Tal in 35 Meter Höhe mittels fünf Bögen überspannt. Ein wenig wellig gestaltet sich hier der Kurs.
Wer in einem historischen Fachwerkbau urlauben will, dem bietet das „Alte Teichwärterhaus“ eine gute Möglichkeit. 1831 wurde es erbaut, damit die früheren Teichwärter ihrem Job nachgehen konnten und schnell vor Ort bei einer Störung waren. Heute ist die Unterkunft modern ausgestattet.
Mittlerweile haben wir das Asphaltband verlassen und laufen auf der ehemaligen Bahntrasse, die Lengenfeld mit Mylau verbunden hat. Wie woanders auch, wurden die früheren Verkehrswege als Fuß- und Radwanderwege für die Naherholung erschlossen. Recht idyllisch wird es bei Käppels Floßteiche, ein Erholungsgelände, wo der Zutritt eigens erlaubt ist. Hungrige Gäste können diesen in der Bruzelhütte angehen. Interessierte Naturliebhaber können ihre Neugier auf dem einen Kilometer langen Natur- und Fischlehrpfad nachgehen. Julius, der Hund, hat die Badesaison schon eröffnet, denn er steigt aus dem Wasser und macht Herrchen und Mitläufer nass, als er sich schüttelt.
Kurz nach dem Ortsteil Mühlwand kommt mir schon die Spitze des Halbmarathonfeldes entgegen. Ich halte meine Augen offen und erkenne erst sehr spät den führenden Marathoni. Ja, es wird auf der zweiten Runde einsam werden, vermute ich. Aber wie in diesem Jahr so oft, will ich auf der ersten Hälfte gemächlich unterwegs sein und dann aufdrehen.
Der Kurs führt auf der Bahntrasse mehrmals über die Göltzsch, zuletzt bei Kilometer 10. Es sind übrigens alle Kilometer auf dem Boden markiert. Am Ortsrand von Mylau heißt es „Bitte wenden“, wir werden aufgeschrieben, und dann geht es zurück.
Kurzzeitig bin ich am Quasseln mit der W70er-Läuferin Margot Haupt aus Leipzig. Für sie heißt es Halbzeit. Ihren Mann, den Peter, hat sie erst im späten Alter zum Laufen gebracht. Und jetzt ist er ein paar Minuten vornedran, verrät sie. „Vielleicht erwische ihn noch.“ Und morgen wird „geguggt“ beim Marathon in Leipzig.
Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass die zweistelligen Startnummen die unsrigen sind. Tja, Marathonis sehe ich auf der anderen Seite nur sehr spärlich. Beim Rückweg stellt sich die Strecke ganz anders dar. So ist im Bereich des Alten Teichwärterhauses eine Steigung zu bewältigen, die mir beim Hinweg gar nicht aufgefallen ist. Die Mädels an den Tanken sind weiter eifrig mit der Zureiche dabei.
Zu den zwei Stunden Laufzeit fehlen mir nur einige wenige Minütchen, als ich ins Stadion einbiege. Vor der Tränke muss ich noch auf Höhe des Zieltranparentes um ein Hütchen herumlaufen. Die Pflicht ist nun erfüllt, es folgt die Kür.
Und ich will am Gaspedal reißen. Die zweite Runde soll deutlich schneller werden. Bilder habe ich schon genug im Kasten und will es daher rollen lassen. Mittlerweile sind die Kontakte unter den Läufern spärlicher geworden. Gefühlsmäßig bin ich genau im Mittelfeld. 35 Läufer sind nur auf der Marathonstrecke. Schade, dass es nicht mehr sind. Ihr verpasst da einen schönen Landschaftslauf.
Während vorne Druck gemacht wird, ist es im Mittelfeld ruhiger. Auf den Hinweg nach Mylau kann ich auf Thomas Hanns aus Lichtentanne und Henrik Haftmann aus Chemnitz auflaufen. Bei Henrik fällt mir auf, dass er genau wie ich, vor ein paar Jahren bei einer „Bruatshitz“ in Görlitz beim Europamarathon unterwegs war. Heute möchte er bei den günstigen Temperaturen um knapp 15 Grad seine Marke in Richtung vier Stunden drücken.
Doch ganz einfach ist das Höhenprofil nicht, denn rund 300 Höhenmeter sind auf der langen Strecke eingebaut. Schwierig werden jedoch nur die letzten Kilometer. Auf der Höhe der Floßteiche kommen mir die führenden drei Männer entgegen, alle noch in Sichtweite, da wird es noch spannend werden.
Kurz vor der Wende muss ich noch ein paar Meter Umweg einbauen, damit ich die Burg Mylau zu Gesicht bekomme. Ein Wegweiser zeigt kurz vor der Wende an, dass die gestern besichtigte Eisenbahnbrücke lediglich knapp zwei Kilometer am jenseitigen Ortsrand entfernt ist. Wende und zurück. Mit einem „Und Tschüss“ verabschiede ich mich von den beiden Helfern.
Für eine lustige Begebenheit bin ich immer zu haben. So mache ich an der letzten V-Stelle wieder einen Spaß und verlange Bier. Der Helfer sächselt dann: „Ham wa do.“ Und dann darf ich den Becher Wernesgrüner Pils abpumpen. Die Laufmuskulatur wird zwar augenblicklich schwer, aber bis zum Ziel werde ich wieder nüchtern. Nach hinten habe ich zwar Sichtkontakt auf einen Verfolger, aber vorne ist nichts zu sehen.
Und dann muss ich kurz vor dem Stadion lachen. Denn der Helfer hat kein Bier aus seiner Heimat, sondern das aus der friesischen-herben Region. Im Ziel lobt Rainer Zimmermann unser Portal und besonders den Autor, der sich auf der zweiten Runde noch um fünf Gesamtplätze verbessern hat.
Im Ziel bekomme ich die verdiente Medaille und das letzte Bier mit Alkohol. So hat sich mein Endspurt wenigstens noch rentiert. Nur der Kuchen ist inzwischen verputzt. Grillwürste sind dagegen noch im Angebot. Nach der Siegerehrung mache ich mich auf meinem Weiterweg auf dem Sachsen-Franken-Express. 2. Halt morgen in Bad Staffelstein.
Der Göltzschtalmarathon ist ein Genuss für den Natur- und Landschaftsläufer. Die Freundlichkeit der Helfer überzeugt, die Organisation funktioniert tadellos. Nur sind leider wenig Läufer auf der Marathonstrecke. Es wäre schade, wenn deshalb der Veranstalter die Lust verlieren würde. Also, April 2015 den Kalender studieren und einen Ausflug ins Vogtland buchen.