Es gibt viele verschiedene Marathons auf allen Kontinenten. In großen Städten, in kleinen Städten, in der Wüste, in den Tropen. Manche starten früh morgens, andere führen in die Nacht hinein. Einige gehen die Berge rauf, wieder andere rauf und runter.
Aber (fast) nur runter gibt es nur einen – den Pitztaler Gletschermarathon. Der Tourismusverband Pitztal hat ein echtes Alleinstellungsmerkmal für den vom ihm veranstalteten Marathon. Auf Marathondistanz führt der Lauf vom Fuße des Pitztalgletschers von Mandarfen am Talschluß durch das gesamte Pitztal bis nach Imst im Inntal. Dabei sind mehr als 1.000 Hm im Abstieg zu bewältigen. Und das vor der Kulisse der Pitztaler Bergwelt mit ihren mehr als 3.000m hohen Bergriesen. Fürwahr ein außerordentliches Marathonerlebnis.
Mich reizt der Marathon seit es ihn gibt. Also nix wie hin sage ich mir und reise mit Frank im Auto am Freitag an. Wir nehmen unser Quartier am Talende in Tieflehn, nur wenige Meter vom Start entfernt. Von unserem Quartier im Almhof bietet sich ein imposantes Bergpanorama. Nur - wo ist der Gletscher? Er ist hoch über uns. Um zum Pitztaler Gletscher zu gelangen, müssten wir noch weitere 1.000 Hm aufsteigen.
O.k., wir laufen somit im leicht übertragenem Sinne vom Gletscher nach Imst. Egal, die Bergwelt ist dennoch wunderschön. Alles ist hier im Pitztal noch recht urwüchsig. Die Auswirkungen des Skizirkus sind überschaubar.
Am Samstag machen wir noch rasch "zur Akklimatisierung" eine Wanderung hoch zum Rifflsee. Nach 600 Hm rauf und runter in 2 Stunden und 750g Käse von der Taschachalm schwerer im Gepäck fühlen wir uns gewappnet für den Lauf.
Der Veranstalter bietet für alle Teilnehmer am Renntag einen Shuttlebus von Imst zum Start nach Mandarfen. Wir müssen am Sonntag nach dem Lauf leider direkt nach Hause fahren und machen es daher umgekehrt. Nach unserer Bergtour fahren wir das Auto zum Zielgelände in Imst, parken es auf dem großen Parkplatz vor dem Schwimmbad und holen im benachbarten Sportzentrum, wo am Sonntag das Ziel sein wird, unsere Startunterlagen ab.
Im Zelt am Sportzentrum bekommen wir rasch unsere Startunterlagen und das Teilnehmerpräsent – einen Rucksack. Ein Finishershirt kann man sich für 19 € kaufen.
Wir schlendern ein wenig durch Imst. Leider regnet es und so machen wir uns mit dem Bus auf zur erstmals angebotenen Pasta-Party nach Wenns am Anfang des Pitztals. Der Bus ist für uns im Pitztal kostenfrei dank Gästekarte. Nur für das Stück vom Imst zum Beginn des Pitztals (Arzl) müssen wir zahlen.
Im neuen Pitz Park gibt es leckere Nudeln und die neuesten Infos zum Wetter. Es sieht gut aus. Wir haben Sonnenschein und in Imst über 20 Grad zu erwarten. Von Regen keine Spur. Das lässt hoffen.
Und wie vorhergesagt kommt es. Wir verlassen den Almhof in Tieflehn um 8.10 Uhr und schlendern zum Startbereich nach Mardarfen. Vor der Talstation der Rifflseebahn sehen wir schon die mehr als 200 Läufer. Wir geben unser Gepäck ab zum Transport nach Imst und freuen uns auf einen schönen Lauf durchs herrliche Pitztal.
Eine tolle Idee, ein Alpental in voller Länge vom Talschluss bis zum Talanfang zu durchlaufen denke ich, da fällt auch schon der Startschuss.
Oh, oh, bin ich etwa müde? Habe ich heute keine guten Beine? Nein, es kann nicht an der gestrigen Bergtour gelegen haben. Oder doch? Ich tue mich etwas schwer auf den ersten Metern, na sagen wir mal auf ersten 2 Kilometern. Aber es geht ja auch bergauf. Jawohl bergauf. Von Mandarfen laufen wir zur Talstation des Gletscherexpress nach Mittelberg. Hier ist das Pitztal nun wirklich zu Ende und der höchste Punkt des Laufes mit 1.740m Höhe ist erreicht.
Hilde Knef hatte Recht. Es geht ab jetzt in der Summe mehr als 1.000m talwärts. So mancher Teilnehmer mag sich eine neue persönliche Bestzeit durch das scheinbar leichtere Bergablaufen erhoffen. Wenn er/sie sich da nicht mal täuscht! So einfach ist das Abwärtslaufen auch nicht. Es belastet die Muskulatur und den gesamten Bewegungsapparat anders als gewohnt und wer es nicht im Training vorher schon ausreichend ins Programm eingebaut hat, wird schnell merken, wie "leicht" es ist. Und am nächsten Tag wird ein Muskelkater von Muskeln her grüßen, von denen man gar nicht wusste, dass man sie hat.
Ich hab meine Hausaufgaben gemacht und glaube nichts dergleichen zu befürchten zu haben. Aber erst einmal muss ich hinauf nach Mittelberg. Das Feld zieht sich rasch auseinander. Ich finde mich im hinteren Teil wieder.
Lag der Mittagskogel (3.162m) eben noch im schönsten Sonnenschein ohne Wolken hoch über uns, so ist nunmehr nichts zu sehen. Wolkenschwaden ziehen das Tal hinauf und versperren für kurze Zeit den Blick. Aber dann gewinnt die Sonne die Oberhand und wir haben freie Sicht auf all die Schönheiten des Pitztales.
Vom Gletscherexpress aus fällt das Laufen nunmehr abwärts wesentlich leichter. Ich komme langsam in den richtigen Laufschritt und trabe locker daher. Vor Mandarfen sehe ich ungewöhnliche Mitläuferinnen im Feld. Einige Kühe laufen auf der Straße mitten unter den Läufern, bis sie zur Seite abgedrängt werden. Eine nette Abwechslung.
Der Startbereich vor der Rifflseebahn wird passiert. Wir laufen auf der Straße. Diese ist die einzige Verbindung durch das gesamte Pitztal und nicht abgesperrt. Die Läufer sind gehalten, möglichst rechts zu laufen und auf den Verkehr zu achten. Es gibt keine Probleme. Anfangs sind nur wenige Fahrzeuge auf der Straße und alle nehmen Rücksicht. Das mag ich mir in Italien nicht vorstellen. Aber hier funktioniert es tadellos.
Teilweise laufen wir im Schatten. Das Tal ist hier recht eng und die Sonne kommt noch nicht über die hohen Berge in den Talgrund. Wir passieren einige kleine Weiler und Dörfer. Tieflehn, Plangeroß, Weißwald, Köfels, Trenkwald, Neurur, Weixmannstall, Stillebach, Piösmes, Scheibe bleiben hinter uns.
Vor Plangeroß gibt es die erste Verpflegung. Hier gibt es nur Wasser. Später werden dazu zu trinken Iso, in Arzl bei Km 36,4 Cola und zu essen Bananen und Melone angeboten.
Ich kann mich nicht satt sehen. Vor uns liegen schneebedeckt die Pitztaler Berge in schönster Sonne. Ein ähnlich schönes Bild bietet sich beim Blick zurück. Mir gefällt es ausgesprochen gut hier.
Das Bergablaufen macht Spaß, wir verlieren stetig an Höhe. Ich schaue immer wieder auf meine neue Laufuhr, die mir dank integrierter Höhenmessung stets die aktuelle Höhe anzeigt. Schöne Spielerei, die mir im Training und auch bei Bergtouren jedoch wichtige Informationen bietet.
Wir müssen mehrere Tunnels und Lawinenverbauungen durchlaufen. Bei einigen sieht man schon beim Hineinlaufen das Ende, andere sind etwas länger. Zuschauer haben wir nur wenige. Nur in den kleinen Ortschaften stehen einige Zuschauer an der Straße und feuern uns Läufer an. Die Stimmung unter den Läufern ist gut. Was anderes ist bei solch einer traumhaften Kulisse und so tollem Laufwetter zu erwarten?
Nach etwas über einer Stunde sind vor Piösmes bereits über 300 Hm vernichtet, wie mir ein Blick auf meine Uhr verrät.