Ich laufe nur selten einen Marathon mehrmals hintereinander. Aber beim Gletschermarathon im Pitztal hat es mir 2013 so gut gefallen, dass ich auch in diesem Jahr wieder dabei bin. Zumal ich ja "um die Ecke" Urlaub mache. Am Samstag fahre ich entspannt nach Imst. Hier ist das Ziel und hier gibt es am Sportzentrum die Startunterlagen. Ohne großes Gedränge erhalte ich rasch meinen Starterbeutel, darin sind ein Handtuch und ein Kräuter-Shampoo.
Mein Auto lasse ich am Sportzentrum stehen, am benachbarten Schwimmbad gibt es reichlich Parkplätze. Von hier fährt am Sonntag um 6.45 Uhr ein Shuttle-Bus die Marathonis zum Start nach Mandarfen. Ein guter Service, den ich jedoch nicht in Anspruch nehme. Stattdessen steige ich in den Linienbus und fahre ins Pitztal. In Wenns lege ich einen Zwischenstopp ein. Ab 17 Uhr steigt im Pitz Park Wenns die Pasta-Party. Den Gutschein für die Pasta-Party haben wir schon vorher per Mail erhalten.
Gut gestärkt fahre ich weiter mit dem Bus zu meinem Quartier im Reiterhof Almhof in Tieflehn. Von hier bis zum Start in Mandarfen sind es nur einige hundert Meter, so dass ich am Sonntag in aller Ruhe frühstücken kann. Im Almhof haben sich wieder einige Läufer einquartiert, die wie ich den Vorteil der Nähe zum Start nutzen möchten.
Diese Frage stellt sich mir wieder bei meiner Busfahrt ins Pitztal. Auf der Straße, die wir morgen laufen werden, sind die einzelnen Km mit Sprühfarbe markiert. Der Bus braucht für die Fahrt von Imst nach Mandarfen eine gute Stunde. Bange machen ist nicht, sage ich mir. Schließlich laufen wir talabwärts und haben etwas mehr als 1000 Hm zu vernichten. Ausschließlich abwärts geht es jedoch auch nicht. Es hat hier auch einige Gegenanstiege.
Mit dieser Streckenchararkteristik hat der Pitztaler Gletschermarathon ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Zumindest in Europa. In Jordanien z. B. führt der Dead Sea Marathon/Ultra abwärts vom Amman zum Toten Meer. Wir aber sind in den Alpen und ich freue mich auf einen Lauf in herrlicher Alpenlandschaft. Das Pitztal hat sich noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Die Täler sind tief eingeschnitten, die Berge weit über Dreitausend Meter hoch. Natur pur.
Der Almhof-Gastwirt erzählt mir beim Frühstück, dass seine Eltern erst 1958 dauerhaft in Tieflehn seßhaft wurden. Vorher kamen sie immer nur im Sommer, um das Vieh auf den Weiden zu halten. Mit dem Aufkommen des Tourismus haben sich auch im Pitztal die Lebensbedingungen wesentlich verändert.
Gerne würde ich noch mehr erfahren über die Geschichte des Tals. Es ist jedoch 8 Uhr und ich schlendere zum Start an der Talstation der Rifflseebahn. Oben leuchtet der Schnee auf den Bergen in der aufgehenden Sonne.
An der Talstation gebe ich meinen Kleiderbeutel ab. Vor dem gelben Startbanner warten die Läufer auf den Startschuss. An den Shirts sieht man, dass viel Wiederholungstäter dabei sind.
Alles ist überschaubar. Ich liebe diese Läufe mit familiärem Flair, die nicht überlaufen sind und wo es kein Gedränge und keine Hektik gibt. Unter den Läufern entdecke ich gleich zwei Bekannte vom Lauftreff in Engelskirchen, Ulla und Heinz-Werner freuen sich auf einen etwas anderen Landschaftslauf. Und natürlich sind auch weitere M4Y-Kollegen vor Ort. Aber ich bin der einzige „im Dienst“.
Es ist ein schöner Tag. Der Regen des Vortages hat sich verzogen und die Sonne lacht. Das wird richtig heiß heute. Aber noch haben wir Schatten. In die Sonne kommen wir noch früh genug.
Pünktlich um 8.30 Uhr fällt der Startschuss und es geht los. Und zwar aufwärts! Von Mandarfen laufen wir einen guten Km bis zum Talschluss. Unser Blick gehen hinauf zum imposanten Bergpanorama, das sich in der aufgehenden Sonne zeigt. Ich empfinde Vorfreude auf das, was noch kommen wird.
An der Talstation des Gletscherexpress wird mit einer Höhe von 1740m der höchste Punkt des Laufes erreicht. Das Feld ist schon weit auseinandergezogen. Das ganze Pitztal liegt nun vor uns und wartet darauf, durchlaufen zu werden.
Kurz vor Km 3 wird der Startplatz in Mandarfen passiert. Die Startschleife wäre geschafft. Vorbei geht es an Tieflehn. Ich schaue herüber zum Almhof. War wieder schön dort. Es geht direkt abwärts. Keine Schonung für die Muskulatur. Wer dieses Abwärtslaufen nicht gewohnt ist, wird sicher mit Muskelkater "belohnt". Spaß macht es trotzdem und ich habe es bei meinen Trainingsläufen im schönen Oberbergischen auch trainiert.
Da ich die Anforderungen der Streckenführung mit den Gegenanstiegen kenne, lasse ich es gemütlich angehen. Die späteren Anstiege in praller Sonne werden fordernd genug. Da möchte ich noch einige Körner haben. Wir laufen, abgesehen von einigen sonnigen Abschnitten, noch zumeist im Schatten. Das ist zwar noch frisch, aber nicht zu kalt.
Die Straße als einziger Verbindungsweg durchs Pitztal ist nicht gesperrt. Immer wieder fahren Autos und Busse an uns vorbei. Aber keiner tut dem anderen was. Wir Läufer halten uns schön rechts auf der Straße und die Autos passieren uns vorsichtig in gedrosseltem Tempo. Geht doch! Wäre z. B. in Italien so nicht machbar, denke ich mir.
Im Pitztal gibt es eine Vielzahl von kleinen Siedlungen, Orte und Weiler, u. a. Tieflehn, Plangeroß, Weißwald, Köfels, Trenkwald, Neurur, Weixmannstall, Stillebach, Piösmes, Scheibe, Schön, St. Leonhard. Der Blick voraus ist einfach großartig. Über den hohen Bergen links und rechts und voraus zeigt sich blauer Himmel ohne jede Wolke. Der Fotograf in mir freut sich. Der Läufer weiß, was ihn noch ob der Sonne erwartet. Und ich habe heute meine Kappe vergessen. Das heißt Sonne auf mein Haupt.
In Plangeroß kurz vor Km 5 gibt es die erste Verpflegungsstelle. Im Angebot ist hier nur Wasser. Später kommen Iso und zu essen Bananen und Melone dazu. Ich bin jedoch wieder autark dank meines Trinkrucksacks.
Immer wieder blicke ich nach links und rechts und zurück. Hinter uns liegt der Pitztaler Gletscher in der Sonne. Links und rechts stürzen viele Wasserfälle ins Tal hinab. Einfach schön. Eine traumhafte Kulisse. Das Laufen fällt mir - noch - leicht. Bergab läuft es im wahrsten Sinne des Wortes. Ich schaue immer wieder auf meine Pulsuhr. Die zeigt im Höhenmessmodus stets die aktuelle Höhe und ich sehe, wie es stetig abwärts geht. Sehr motivierend.