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Laufberichte

Vertraute Pfade verlassen

 

Als Ich Anfang des Jahres meine Wahlheimatstadt Hannover auf dem sogenannten „grünen Ring“, einem 80 km langen Rad – und Wanderweg, laufend umrundet hatte, war ich der Ansicht, die unterschiedlichsten Landschaftsräume und Wegbeschaffenheiten, die eine Region nun mal so mit sich bringt, bereits durch – und überquert zu haben. Ich hatte mich gründlich getäuscht. Warum? Zwischen Harz und Heide fand  am Sonntag, dem 21. Mai 2017, zum sechsten Mal ein Trail-Highlight statt, welches sich zwar in der Laufszene bereits etabliert, wohl aber noch nicht massiv genug herum gesprochen hatte. Die Rede ist hier vom Elm Super Trail (kurz: EST). Ich war jedenfalls überrascht, als ich am Veranstaltungstag hörte, dass bei einem Kontingent von 300 Startplätzen allein für den Wettbewerb 72 km Solo beispielsweise nur 39 Teilnehmer angemeldet waren.

Die Laufveranstaltung wird von dem Braunschweiger Extremsport-Verein Friends For Life (kurz: FFL) organisiert. Die FFL sind Ausdauersportler, welche seit mehr als 13 Jahren sehr gut organisiert und entsprechend aufgestellt sind. Seit Gründung wurden bereits viele spektakuläre Projekte umgesetzt – darunter eben auch der von den Mitgliedern gründlich ausgetüftelte EST. Zu den Ehrenmitgliedern zählen der Rolling Stones-Bassist Bill Wyman, die deutsche Rockikone Peter Maffay sowie Extremsegler und Abenteurer Arved Fuchs.

Ich will euch keinen Knopf an die Backe nähen, aber mit dem Lauf-Event wird die wohl facettenreichste Wegbeschaffenheit  in Norddeutschland angeboten: Feldwege, Wiesenwege, Waldwege, naturbelassene Wege, Radwege, Befestigte und unbefestigte Wege, Asphalt, Pflaster, Schotter, Gehwege, Reitwege, Wanderwege, Forstwirtschaftliche Wege, Trails unterschiedlichster Art, Länge und Größe...und ich könnte hier beinahe endlos so weitermachen.

Neben der traumhaft-schönen und variantenreichen Landschaft sollten auch die teilnehmenden, geschichtsträchtigen Ortschaften wie beispielsweise Warberg, Königslutter, Schöppenstedt sowie Schöningen nicht unerwähnt bleiben. Neben der Vielfältigkeit bietet der Kurs rund um den Elm und entlang seiner Ränder aus erhöhter Perspektive wechselvolle Ausblicke in alle vier Himmelsrichtungen. Wenn dann auch noch das Wetter wie an diesem herrlichen Sonntag stimmt, dann sollte man doch wohl annehmen, das sich FFL nicht retten können vor der Flut von Anmeldungen für die vier Disziplinen 72 km Solo, 72 km siebener Staffel, 72 km Run&Bike sowie 25 km. Am Vortag den Rennsteig gelaufen? Das war wohl ein Grund, jedoch kein Hindernis für einen der gut 200 Teilnehmer, welcher letztlich an den Start ging und den ich entlang der Strecke kennen lernen durfte.

Da Warberg (ein kleines Dorf in der näheren Umgebung von Helmstedt) von Hannover aus zügig mit dem Auto erreichbar st, standen ich, meine Frau sowie die Kinder schon bald im mittelalterlichen Burghof. Erstes Highlight der Strecke war bereits Start und Ziel des Ultra-Trail: Burg Warberg. Diese verfügt über weithin sichtbar hohe Mauern, eine Torbrücke, ein Herrenhaus (Palas) und einen großen Turm, dem Bergfried. Sie entspricht damit zu hundert Prozent den Vorstellungen späterer Generationen von einer mittelalterlichen Burganlage, obwohl im Innern verschiedene Um- und Neubauten – besonders in der Renaissance – stattgefunden haben.  Nach der Startnummernausgabe nebst schönem Finisher-Shirt und Halstuch trudelten nach und nach die übrigen Teilnehmer des EST ein.

Das Teilnehmerfeld war recht überschaubar. So wunderte es mich auch gar nicht, dass ich hier auf einige bekannte Gesichter wie Andreas Schulze vom ASFM Göttingen, Tanya Szech sowie Ralph Gerlach traf und man sich kurz und herzlich grüßte. In weniger als eine Stunde standen ich und die übrigen Teilnehmer der 72 km Disziplinen also kurz davor, das Gebiet der Samtgemeinde Nord-Elm, Norddeutschlands größtem Buchenwald, einmal zu umrunden. So ein Wahnsinns-Unterfangen konnten sich auch nur Gleichgesinnte ausdenken. Kurz vor 9 versammelten sich die Solo-Starter am Torbogen, die Spannung wuchs. Der Start der Siebener Staffeln würde eine halbe Stunde später beginnen, die 25 km Solo Läufer mussten sich gar noch zweieinhalb Stunden gedulden. Eine letzte, kurze Ansprache von Michael Strohmann, und schon ging es endlich über die Brücke auf die Heldenreise. Für einen Tag verließ Ich also mein vertrautes Heim und frönte erneut der inneren Sehnsucht: Laufen!

 

 

Zur Schunterquelle

 

Gleich vom Start weg verließen wir die Ortschaft über die sonnige Weide entlang des Güldenspringbachs bis zum Rand des Elm. Eine Zeit lang fuhr Frank Reintjes mit seinem Bike neben mir her. Auf meine Frage, warum er heute nicht am Start war, erzählte mir Frank (ebenfalls FFL-Mitglied) von dem Projekt 'Wir laufen nach Essen für soziale Projekte'. Hierbei laufen die FFLer in Kooperation mit der Eintracht Braunschweig Stiftung die historische Strecke von Braunschweig nach Essen zum letzten Auswärtsspiel bei Rot-Weiss Essen. Der Start erfolgt am 24.5.17 im Eintracht-Stadion und endet am 28.5.17 in Essen. Dort kommt es dann zum Spiel bei Rot-Weiss Essen zwischen beiden Traditionsmannschaften. Ziel ist es, mit diesem Lauf Spendengelder für weitere Projekte zu sammeln. In Braunschweig geht dieses Projekt zugunsten von "Antirassismus-Workshops mit Braunschweiger Schulen".

 

 

Schnell war auch schon der Buchenwald erreicht und verschluckte die knapp vierzig Teilnehmer. Der urig-wurzelige Waldweg währte zwar leider nur kurz, führte uns jedoch an den Rand des Elm entlang Richtung Räbke und belohnte dann fortwährend mit einem wahrhaft traumhaft-schönen Panorama. Wenig später folgte dann auch schon die erste Weggabelung des Tages. Hier hatten wir letztmalig die Qual der Wahl: links 25 km, rechts 72 km. Im Bereich des Ausflugslokals zur Schunterquelle in der Camping-Hochburg Räbke dann nach sechs Kilometern der erste kleine, aber feine VP. Die beiden freundlichen Helferinnen reichten uns Wasser, Eistee, Brezeln, Schoki.  Hier hatte ich erstmals die Gelegenheit, mit der Seniorenweltmeisterin im 100 Kilometer-Lauf, Anke Meinberg, ordentlich einen zu Bechern.  Eins wurde schnell klar an diesem herrlich-sonnigen Morgen: Die Temperaturen würden heute noch ordentlich nach oben schnellen, ich hatte mir daher geschworen, schon zu Beginn wie eine Bergziege zu saufen.

 

Downhill Dom

 

Das Teilnehmerfeld zog sich langsam auseinander. Entlang des Elm wurde es nun immer welliger. Das Panorama wurde dabei zu keinem Zeitpunkt langweilig, im Gegenteil. Es machte einfach sehr viel Freude, am Rand der Elm vorbei die Aussicht sowie die farblich wechselhafte Agrarlandschaft – Raps, Weide, Äcker und Wiesen - zu genießen. An der Kreisstraße von Lelm nach Langeleben bereits die nächste Verköstigung. Ich prostete den Versorgern zu und machte mich schnell wieder auf dem Weg. Unvermittelt sausten und sprinteten die ersten Run&Bike-Duos an mir vorbei und verloren sich irgendwann entlang des Waldrandes als kleine Punkte am sonnigen, bunt-welligen Horizont.

 

 

Noch immer befanden sich einige Teilnehmer allein oder in Zweier-Grüppchen vor und hinter mir, was mir die Chance gab, viele schöne Bilder zu machen. Da wir uns bald der nächsten Ortschaft näherten, führte der Kurs erneut ein Stück weit durch den Wald. Eine schnelle Downhill-Passage  führte uns bis vor dem berühmten Kaiserdom nach Königslutter und daran vorbei. Die dreischiffige, kreuzförmige Pfeilerbasiliska zählt zu den herausragenden Bauwerken der Romanik. Der Kreuzgang an der Südfront gilt als der schönste in Norddeutschland, der  rätselhafte Jagdfries an der Außenwand ist gar einzigartig in der romanischen Kunst. Warum? Wer einmal die Gelegenheit bekommt, sollte es sich ansehen, genauer gesagt das mittlere Bild, das einen an den Füßen gefesselten Jäger zeigt, dem zwei Hasen auch noch die Hände binden.  

Im Bereich des Museum für mechanische Musikinstrumente wartete jedenfalls schon der dritte VP mit meinen drei persönlichen Häschen - meine Frau sowie meine beiden Töchter. Ich kippte mir weitere Becher in den Rachen, drückte meine Liebsten kurz und winkte zum Abschied.

 

Tor zum Elm: Diana Ruh

 

Die Temperaturen kletterten nun merklich in die Höhe. Raus aus der Ortschaft und wieder hoch, zum Nordrand des Elm. Ein Radfahrer bretterte an mir vorbei. „Hey, freu Dich so wie ich: ab jetzt nur noch Abstiege!“, schrie er mir frech zu. „Erzähl das Deiner Mama!“, rief ich lachend zurück.

Auf idyllischen Wirtschaftswegen folgte nun ein herrliches Wechselspiel von gelbblühenden Feldern und kilometerlangen Baum-Alleen. Hier kam ich erneut mit der netten Anke ins Gespräch, während wir ein Weilchen zusammen liefen. Wir stellten schnell fest, dass wir uns diesem Jahr schon beim Springe-Deister-Marathon sowie dem Hannover-Marathon begegnet waren. „Hier bin ich schon ein fünftes Mal am Start, quasi Heimspiel,“ erzählte sie mir. Anke outete sich nebenher auch als Kreuzworträtsel-Ass. „Norddeutscher Höhenzug mit drei Buchstaben. Na? Genau, der Elm“, lachte die sonnengebräunte und stets gutgelaunte Läuferin.

 

 

Immer mal wieder kam es vor, dass uns auch Läufer der Disziplin Run&Bike überholten. Ja, ich schmiedete bereits eigene Pläne für eine solche Aktion. Oberhalb von Bornun erreichten wir dann im Bereich des Ausflugslokals Diana Ruh den nunmehr vierten VP. Dort hockte bereits der drahtige Sport-Fotojournalist Willi Schneider und legte Anke in den Fokus seiner Kamera. Es ist im Übrigen sehr schade, dass die auf dem Klapperberge und direkt am Waldrand gelegene und bekannte Waldgaststätte, die Diana Ruh, seit Saisonbeginn 2015 geschlossen ist. Für viele Wanderer, Läufer und Radfahrer war das Traditions-Lokal das Tor zum Elm und somit ein ganz besonderer Teil Bornumer Identität.

 


Brasilianisches Elmpanorama

 

Vor mir baute sich eine sonnenüberflutete, grüne Wand auf und ich folgte teils engen Trampelpfaden durch den mittlerweile westlichen Teil des Elm. Es folgten einige enge Singletrails durch den Wald, welche doch einige Aufmerksamkeit erforderten. Wichtig war lediglich, auf die Kreide-Markierung zu achten. Schnell war der nächste VP am Ortsrand von Destedt erreicht und das erste Drittel des EST geschafft. Schade, ich hätte gern ein Ründchen durch den gleichnamigen Schlosspark weiter nördlich gedreht. Die Anwohner applaudierten, zollten allen Läufern Respekt. Ich fand es ganz erstaunlich, wie viele Unterstützer involviert waren. „Bei diesem Lauf-Event kommt doch mindestens schon ein Helfer vom Roten Kreuz, der Freiwilligen Feuerwehr oder vom THW auf einen einzelnen Teilnehmer, so groß ist der Support des EST“, bemerkte zwischenzeitlich auch Anke.

Über ausgedehnte Feldwege, Landstraßen und Radwege führte der abwechslungsreiche Kurs durch Erkerode. Noch heute ist dort ein Steinbruch vorhanden, in dem viele Fossilien als Zeugen aus der Vergangenheit gefunden wurden, z.B. eine versteinerte Seelilie. Oberhalb der Straße zum Westhölzchen gönnte ich mir bei VP 7 wiederholt Salzsticks in Kombination mit Energie-Gel und mehreren Bechern Wasser sowie Eistee. Als Wenig-Trinker musste ich mich regelrecht dazu zwingen, das kühle Nass in den Rachen zu kippen. Deutlich angenehmer dagegen die kalten Nacken-Duschen aus den Wasserkanistern. Hier stand auch Micha Strohmann wieder, machte Fotos von den Ankömmlingen.

Ich gönnte mir keine große Atempause, wollte schnell weiter. Breite Forstwirtschaftswege wechselten mit gepflegten Schotterwegen. Von weitem zeichnete sich jedoch ab, dass mich der schattige Wald wieder ausspucken würde – wie gemein! Ich ärgerte mich nur kurz, denn entlang des südlichen Buchenwaldes entschädigte ein unvergleichlich weitläufiges Panorama: Harzblick mit Brocken! Könnte man durch die brasilianische Flagge wandern, müsste sich das anfühlen wie das Land südlich des Elms. „Unbeschreiblich...“, dachte ich ehrfürchtig. Der Harz schaffte es einmal mehr, mich in seinen Bann zu ziehen. Vierzig Kilometer Luftlinie bis zum Brocken, zum Greifen nah! Beinahe hätte ich bei all der Pracht den VP am Amplebener Berg übersehen. „Tolles Panorama, was? Wir können uns jedenfalls nicht beschweren“, bemerkten die Helferinnen am Stand, während sie meinem Blick folgten und dabei herzhaft lachten.

 

Gauner, Zechpreller und Beutelschneider

 

Ein sanfter, welliger Abstieg führte mich vom Elmhang in das unscheinbare Dörfchen Kneitlingen. Im Jahr 1300 soll genau hier Till Eulenspiegel geboren worden sein. Im Nachbardorf Ampleben wurde der umherstreifende Schalk in der Kapelle seines Taufpaten Till von Ütze, einem berüchtigten Raubritter, getauft. Auf dem Rückweg nach Kneitlingen fiel die ihn tragende Patin nach allzu heftigem Biergenuss in den stark verschmutzten Bach. Dabei wäre Till fast ertrunken.

In Kneitlingen angekommen, wurde das arme Kind in einem Kessel wieder sauber gewaschen. So wurde Eulenspiegel an einem Tag dreimal getauft. Seine Streiche galten zur damaligen Zeit als Taten eines Schelms, der aber ein Übeltäter war, Schaden anrichtete und zu bestrafen war. Der überwiegend vernichtenden Beurteilung nach war Till jemand, der verspottete, betrog und erpresste. Er ließ gelegentlich einen „sauren Furz“ oder er „schiss“ in den Senf. Um 1350 soll er in Mölln (Schleswig-Holstein) gestorben sein.  Und wie schon seine Taufe ging auch die Beerdigung nicht in der allgemein üblichen Form vonstatten – aber das mag jeder Interessierte in den 96 Historien einmal selbst nachlesen. Ich kann's nur jedem empfehlen.

 

 

Stadt der Streiche

 

Querfeldein über Stock und Stein! Weiter und immer weiter ging es unter blauem Himmel zwischen Feldern mit grünem Getreide im Wechsel mit strahlend gelb blühendem Raps. Dass Till Eulenspiegel im Süden des Elms noch dieser Tage eine wichtige Rolle spielt, kann man von den Wegweisern am Deutschen Haus in Schöppenstedt ableiten. Oder man besucht das hier nach ihm benannte Museum. Überhaupt hat das Örtchen schon einiges hinter sich.  Ganz besonders schrecklich litten die Menschen hier anlässlich einer Fehde im Jahre 1602, als die Braunschweiger den Ort wegen des im ganzen Lande bekannten und guten Mummebieres überfielen und die dortige Brauerei vernichteten. Ein Schelm, wer nun denken mag, dass die Schöppenstedter neben Buxtehude oder Krähwinkel närrische Leute seien.

Ich hatte jedenfalls die Marathon-Distanz in den Beinen und daher keinerlei Skrupel, als ich auf dem Elm-Asse-Platz ankam, die Gewandung der Schöppenstedter Helfer staunend zur Kenntnis nahm und ebenfalls den VP überfiel. Oh ja, ich hatte Brand, und zwar nicht zu knapp! Aber ich war auch genügsam, becherte lediglich Eistee und zelebrierte wiederholt mein Nackenduschen-Ritual.

 

Arne & Ingmar

 

Beinhart und närrisch zugleich ging es weiter. Zwischen Schöppenstedt und Eitzum lernte ich die beiden Spaßvögel Arne und Ingmar kennen. Beide waren stets um keinen lockeren Spruch verlegen. „Ihr seid gut drauf, Euch werd ich nen kurzen Absatz in meinem Bericht widmen.“ - „In Deinem Kondolenzschreiben, oder wo?“, witzelte Ingmar. Die Typen passten zur Gegend und konnten mich auf den nächsten Kilometern bestens unterhalten. Zwischenzeitlich fuhr auch der gute Willi an uns vorbei, stieg aus und machte ein Foto von unserem Dreiergespann.

Am Watzumer Häuschen am Elmer Waldrand, unweit von Eitzum, der nunmehr neunte VP. Lange hielten wir uns dort aber nicht auf, denn Arne war plötzlich verschwunden! Ich ließ mich von dem fixen Ingmar durch die nun sehr verzwickten, schmalen Trails im Wald leiten. „Ob der wohl Kacken gegangen ist, der müsste doch bald vor uns auftauchen...“, murmelte Ingmar wiederholt, drosselte aber nicht sein Tempo. Als der Zickzack-Trail dann irgendwann endete und uns beiden auf einem Wirtschaftsweg entließ, legte Ingmar einen weiteren Zahn zu. Ich ließ ihn von dannen ziehen, mir war es wichtiger, das Tempo zu halten und somit meine Reserven zu bewahren. Vorerst.


Beinhart

 

„Km 50! Ihr macht das prima!“, lobten uns die Helfer an der zehnten Versorgungsstation auf dem Wanderparkplatz am südlichen Elmrand in Groß Dahlum. Äußerlich versuchte ich noch locker zu wirken, innerlich ging gerade gar nichts mehr, alles schrie, jammerte und fluchte. Und trotzdem: ich wollte nicht langsamer werden und das Tempo seit dem Start auf Burg Warberg halten. Ich hatte bereits 50 Km in den Beinen und vor mir lag noch immer eine reizvolle Halbmarathondistanz. Das machte aber nichts, denn das war für mich auch gleichzeitig etwas, das ich mir wie ein Ziel vor Augen halten konnte.

Ich erhöhte daher nochmals leicht das Tempo, nahm fortan die nächsten Anstiege auch laufend in Angriff und konzentrierte mich einzig und allein auf, es trotz aller inneren Leiden und Widrigkeiten schaffen zu wollen. Die Wege wechselten nun häufig zwischen Forstwegen und Trails. Schon bald schloss ich zu Michael Wiese mit der Starternummer 8 auf. Wir kamen kurz ins Gespräch. Er erzählte mir, er sei gestern den Rennsteig gelaufen und würde das nun in den Beinen spüren. Ich musste schmunzeln. Beinharter und sympathischer Typ, der Micha.

Ich wollte es aber nun ebenfalls wissen und trotz der innerlichen, unsäglichen Leiden nicht vom Gas gehen. „Na komm, zieh durch, das sieht noch locker aus. Ich muss eben pinkeln gehen. Wir sehen uns im Ziel“, meinte er zuversichtlich. Also zog Ich weiter!

 

Mit Tunnelblick ins Ziel

 

Neben vielen langen Geraden durch die endlose Elm warteten auf den letzten Kilometern auch längere, leichte Anstiege auf mich. Irgendwann kam der Punkt, als der Tunnelblick bei mir vollends einsetzte und ich bestimmte Sinneseindrücke ausblendete. Normalerweise könnten Wanderer nun die schönsten Rotbuchen bestaunen, deren junge Blätter im Sonnenlicht des Mai herrlich hellgrün leuchteten. Aber ich nahm nur noch die unterschiedlichsten Farbtöne wahr: Grün stand wohl für Wald, Braun für Waldboden, dazwischen ich und der durchgehende Fokus aufs Ziel.

Ich kann mich auch noch daran erinnern, an den letzten VP wiederholt nach der Uhrzeit und den bereits gelaufen Kilometern gefragt zu haben. Oder an die aufmunternden Blicken mehrerer Helfer vom DRK. Oder an Willi, der mir unweit des Singplatzes westlich von Schöningen nochmals Kampfgeist einflößte.

 

 

Die letzten Kilometer waren keine Freude für die Beine, hier war nämlich nochmals Konzentration gefragt. Es warteten mehrere Downhill-Passagen durch recht üblen Modder und Morast auf mich. Die Konsistenz des Bodens war weich und schmierig. Dann endlich ließ ich das letzte, frische Buchengrün hinter mir, rannte die Weide hinunter nach Warberg. „Torbogen voraus, endlich!“, dachte ich erleichtert und überquerte auf dem Burghof die Matte der Zeiterfassung.

 

 

Nach acht Stunden und vierzig Minuten hatte ich den Elm einmal komplett umrundet und unzählige Eindrücke sammeln können. Ich sackte in den nächstbesten Stuhl, schnappte mir ein Erdinger und war mit mir und der Welt vorerst wieder einmal zufrieden.

 

Fazit

 

Einen Tag lang bot mir dieser Lauf-Event in meiner unmittelbaren Nähe die Möglichkeit, ein besonderes Abenteuer abseits der gewohnten Pfade des Alltagslebens zu erleben. Ich habe diese abwechslungsreiche Strecke sehr genossen. Liebes Friends for Life Team, ihr bietet mit dem EST den meiner Meinung nach schönsten Trail Norddeutschlands.  Ich freue mich schon auf 2018!

 

Informationen: Elm Super Trail
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