Mittlerweile ist der ebm-papst-Marathon volljährig geworden und im nächsten Jahr feiert man Jubiläum, nämlich den 20. Marathon. Seit 15 Jahren haben die Veranstalter einen finanziell starken Partner mit ebm-papst gefunden. Das Unternehmen aus Mulfingen ist weltweiter Marktführer bei Ventilatoren und Motoren und wollte ebenfalls wie der PSV einen Marathonlauf auf die Füße stellen. Zum Glück wurden beide handelseinig, den Plan gemeinsamen zu verwirklichen. Der frühere Hohenlohe-Marathon nannte sich fortan ebm-papst Marathon.
Lauftechnisch ist alles geboten: Marathon alleine oder im Duo, Halbmarathon, 10-Kilometer-Lauf, Inliner-Lauf, Handbike-Rennen, zwei verschieden lange Nordic Walking Strecken (ohne Zeitmessung) und einige Kinderläufe. Während für diese Wettbewerbe der Sonntag vorgesehen ist, steht der Samstag im Zeichen der Laufmesse, Nudelparty, Livemusik und Walkingbewerbe. Wer ein Schlafstatt benötigt, kann sich im Bildungszentrum Niedernhall einquartieren. Verschlafen dürfte dort allerdings unmöglich sein.
Wir wissen, dass die Schwaben sparen und das schlägt sich auch beim Startgeld nieder. Der lange Kanten kostet auf den letzten Drücker am PC 27 EUR. Dafür bekommst du nicht nur die übliche Versorgung, sondern auch Funktionsshirt, Medaille, Massage, Online-Urkunde und ein kostenloses Zieleinlaufbild. Die Zeitnahme führt mika-timing durch.
Die Strecke führt im Kochertal auf asphaltierten Straßen und Wegen mit nur wenigen Hügeln. Zu finden ist Niedernhall etwa 30, 40 Kilometer östlich von Heilbronn, die Autobahn 6 verläuft nicht weit entfernt. Ich bin am Tag zuvor noch für meinen Heimatverein unterwegs und so muss ich verdammt früh aufstehen, um vor der Sperrung der Kochertalstraße den Startort zu erreichen. Aber was macht man nicht alles für sein liebstes Hobby?
Auch vor unserem Start um 08.30 Uhr verläuft alles unaufgeregt. Sei es bei der Gepäckabgabe, in den Umkleiden oder bei der allerletzten Ent- äääh Besorgung, keine Hektik und keine Drängelei. Das geht dann so weit, dass die Spitzenläufer noch an die Startlinie gebeten werden müssen. Doch dann kommt der Countdown und Rainer Hundsdörfer, Vorsitzender der Geschäftsführung, schießt uns auf die Strecke. Die Marathonis und die Teams beginnen den sportlichen Tag nach dem Läufergottesdienst. Knapp 150 Marathonis und 50 Teams machen sich auf den Weg. Die Teams teilen sich den Marathon zu zweit auf (27 Kilometer und 15 Kilometer), eine gute Gelegenheit, hinein zu schnuppern.
Auf dem Brückenwiesenweg stehen die Zuschauer noch dicht an dicht und nach wenigen Metern durchlaufen wir die Altstadt. Knapp 4000 Einwohner zählt Niedernhall, die ihren Namen einer Salzquelle verdankt. Die erste urkundliche Erwähnung datiert aus 1037. Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Stadtmauer umschließt den Stadtkern zum größten Teil noch heute. Der 30jährige Krieg, die Kriege im Mittelalter und auch die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert überstand das Bauwerk ohne große Blessuren.
Im Zentrum führt dann der Kurs am Rathaus vorbei, das zu den besterhaltenen Bauwerken in Franken gehört. Aus dem Jahr 1477 stammt das Bauwerk, das heute Amtssitz des Bürgermeisters Achim Beck ist. Und der ist erst seit wenigen Wochen im Amt. Ein paar Meter weiter sehe ich das Götzenhaus, ein weiteres Schmuckstück mit fränkischem Fachwerk. Die ganze Altstadt steht unter Denkmalschutz.
Übrigens, die Niedernhaller nennt man gern Distelfinken. Warum? Aus einer Überlieferung soll ein Schultheiß einen Distelfinken gehalten haben. Der ist ihm dann entwischt. Der Schultheiß glaubte klug zu sein und ließ die Stadttore schließen, damit der Vogel nicht entkommen könne. Na ja, wenn Vögel Fußgänger wären, hätte das funktioniert. Aber so? Jedenfalls nennt man seitdem die Niedernhaller Distelfinken. Und die lachen drüber, wenn man sie so anspricht.
Wir überqueren den Kocher und dann wartet auf der Kochertalstraße die erste und gleichzeitig schwerste Steigung. Über die rund 20 Höhenmeter kann ein Bergläufer nur lachen, aber einige Mitläufer schwitzen schon wie die Bären.
Die Höhendifferenz bekommen wir gleich zurück und laufen gefällig nach Weißbach hinein. Die Trommelgruppe Percussion Abusua gibt uns den nötigen Drive für die nächsten Kilometer. Olaf Schmalfuß gibt gleich zu, dass er etwas zu schnell begonnen hat, als ich auf ihn auflaufe. „Außerdem bist du ein Jungspund und ich darf als Älterer langsam machen“, darf ich mir anhören. Ich werde mich später mit einem Kampfbild auf seinen letzten Kilometern revanchieren.
Eher etwas verhalten habe ich mein Tempo gewählt, denn letzte Woche in der Fränkischen Schweiz bin ich auf den letzten Kilometern eingegangen und das soll heute nicht passieren. So ist der 4-Stunden-Läufer in Sichtweite hinter mir. Ein weiterer Pacer mit Ziel 3.30 ist schon gar nicht mehr zu sehen. Es ist mit rund 16, 17 Grad nicht kalt, es sind eher gute Bedingungen für einen schnellen Lauf, zumal kein Wind stört. Im Tal hängen noch letzte Wolkenreste, die sich langsam auflösen.
Dann ist Musik zu hören, jedoch noch nichts zu sehen. Friedrich Franz vom Team Bittel, mit dem ich einige Kilometer Seite an Seite laufe, glaubt, die Musikanten stehen oberhalb der Straße. Doch dann kommen uns zwei Dudelsackpfeifer in schottischer Tracht auf dem Mittelstrich der Hauptstraße entgegen.
Auffallend viele Sanis stehen am Laufkurs. Sie sind nicht nur bereit, wenn nötig Hilfe zu leisten, sondern haben für uns auch freundliche Worte der Aufmunterung oder ein Klatschen parat. Danke. Sowohl in Forchtenberg als auch in Ernsbach, der nächsten Ortschaft, sind die Sambabands ein Zuschauermagnet.
In Ernsbach überqueren wir den Kocher, am Ende der Straße wartet mit ReBeat eine weitere Band. Der Bandleader schneidet mit Pfeife im Mund und Trommelstöcken in den Händen eine Grimasse, worauf mir vor lauter Lachen fast die Kamera aus den Händen fällt. Hier ist die Streckentrennung. Die Halben gehen gleich nach rechts und wir holen uns sechs Kilometer beim Wendepunkt in Sindringen. Von den Halbmarathonis ist jetzt noch nichts zu sehen, sie starten vierzig Minuten nach uns.
Es dauert nicht lange, dann kommen uns die Führenden des Duo-Marathons und Marathons entgegen. Auf einer Wiese grast eine Schar Gänse und nimmt erst Reißaus, als der Fotograf stehenbleibt. Na ja, Kirchweih ist nicht mehr weit. Ihr wisst, was ich meine. Am Ortsrand von Sindringen laufen wir um eine Beach Flag, die Zeit wird am Wendepunkt genommen und es geht zurück nach Ernsbach. Gut 13 Kilometer sind an der Wende schon gelaufen.