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Laufberichte

Als der Sommer Pause machte

29.07.06
Autor: Klaus Duwe

„Der fehlt mir noch!“

 

Das ist die Antwort von Joey Kelly auf die Frage, weshalb  er sich für den Swiss Alpine entschieden hat. Alle seine Freunde hätten die 78 Kilometer mittlerweile geschafft, er müsse jetzt einfach nachziehen. „Wie den Bieler 100er muss man den Swiss Alpine einfach gelaufen sein.“ Dem ist nichts hinzu zu fügen -  höchstens, dass den meisten einmal nicht reicht.

 

Ich gehöre in diesem Jahr auch zu den Wiederholungstätern. Nach einem abgebrochenen K 78 2004, der zum Glück damals noch als C 42 gewertet wurde, und meinem glücklichen Finish 2005 stehe ich jetzt wieder unter dem Startbogen im Stadion von Davos.

 

Das Wetter bezeichnen die Einen als „ideal“, ich nenne es „beschissen“, denn es regnet und es ist kalt. Und dafür finde ich kein anderes Wort, zumal in der Jahreszeit. Gut daran finde ich nur, dass es mit der Hitze vorbei ist, aber warum gleich wieder die Übertreibung in die andere Richtung? In der Nacht hat es örtlich so stark geregnet, dass die Laufstrecke teilweise nicht passierbar ist. Viele Helfer sind im Einsatz, um den Wettbewerb dennoch auf der Originalstrecke austragen zu können. Noch wisse man nichts über den  Zustand des Panoramatrails. Falls er nicht passierbar wäre, würde man die Strecke über die Alp Funtauna (wie K 42) umleiten, so die Informationen des OK-Chefs Andrea Tuffli am Morgen. Da würden sich zu dem Sauwetter auch noch 400 HM addieren.

 

Noch am Freitag ging man von viel schlechteren Voraussetzungen aus. Das nächtliche Gewitter mit dem Starkregen war nämlich für den Renntag vorher gesagt und Andrea Tuffli meinte, er habe in der Geschichte des Swiss Alpine noch nie ein so miserables Wetterbulletin in Händen gehabt. Dann will ich nicht weiter  meckern und mich mit über 1.000 anderen Läuferinnen und Läufer auf den Start und auf das Abendteuer K 78 freuen.

 

Die Einstimmung auf das Großereignis gestern in der Kongresshalle war wieder sehr gelungen. Bei der Abholung der Startunterlagen herrschte die gewohnt gute Stimmung, man traf sich beim Erdinger, machte an den Verkaufsständen das eine oder andere Schnäppchen, und ging schließlich zur Besinnung zu einem Gottesdienst der anderen Art. Es gab Musik und Tanz und den Auftritt von Mengesha Feyisa, des in der Schweiz lebenden Äthiopischen Läufers, der seine unglaubliche Geschichte erzählte.

 

Als Kind war so krank, dass er nur noch den Wunsch hatte, gesund zu werden oder aber schnell zu sterben. Kein Arzt konnte ihm helfen. In seiner Not fand er gegen den Widerstand seiner Familie Zugang zu Gott und Jesus und formulierte in Gebeten seinen Wunsch. Er wurde gesund und konnte  wieder gehen. Er genoss das neue Leben und war bald nur noch am Laufen. Sein Talent blieb nicht lange unentdeckt und Mengesha Feyisa wurde ein gefeierter Läufer, der weit in der Welt herum kam und in der Schweiz sesshaft wurde. Obwohl er die Mittelstrecken bevorzugte, war es ein Traum von ihm, einmal beim Swiss Alpine auf dem Siegertreppchen zu stehen. Er schaffte es, 2004 gewann er seinen ersten Marathonlauf (C42) und verwies dabei keinen geringeren als den Vorjahressieger Dabressa Disassa auf den zweiten Platz.

 

Nach der Messe konnte man sich an einem köstlichen Kuchen-, Obst- und Getränkebuffet bedienen. Das war ganz praktisch, denn das obligatorische Nudelessen in der Eishalle begann um 18.00 Uhr und bis dahin waren es noch zwei Stunden. Dort traf ich neben vielen Bekannten auch Rainer Schädlich. Er ist einer der Läufer, der alle 20 „Alpines“ erfolgreich bestanden hat und morgen zum 21. Mal an den Start geht. Im letzten Jahr hatte er noch 18 Kollegen mit gleichem Status. Zumindest einer davon fehlt in diesem Jahr, und das tut mir besonders leid: Heinz-Peter Römer.

 

Am Mikrofon heute früh im Sportzentrum der Schweizer Laufexperte Heinz Schild. Seit 46 Jahren ist er auf Laufsportveranstaltungen unterwegs und nicht nur zum Swiss Alpine hat er eine sehr enge Verbindung (schon von 1987 bis 1994 fungierte er hier als Speaker), sondern auch zum Jungfrau Marathon und zum Grand-Prix Bern, als deren Gründer er gilt. Darüber hinaus war er 23 Jahre Stadionsprecher beim Leichtathletikmeeting „Weltklasse Zürich.“

 

Mittlerweile gehen die Biker auf die Strecke, die den ersten Teil des Team-Wettbewerbes (Bike, Skate und Run) bestreiten. Dann wird es Ernst. Die Nervosität steigt. Der Regen hat nachgelassen, es nieselt nur noch. Die Wolken reichen bis auf die Wiesen, Berge sind keine zu sehen. Punkt acht Uhr dann der erlösende Startschuss.

 


Riesenjubel unter den Zuschauern, die wissen, dass heute neben den 78,5 Kilometern und 2320 Höhenmetern widrige äußere Bedingungen den Läuferinnen und Läufer zusetzen werden. Auch überall in der Stadt, die wir in einer großen Schleife durchlaufen, stehen die Menschen und bestaunen und beklatschen das bunte Läuferfeld.
 
Vom Start in Davos (1538 m) bis Filisur (1032 m) verlieren wir gut 500 Meter an Höhe. Wer sich aber auf einen temporeichen Abwärtslauf einrichtet, wird enttäuscht. Die Wege wechseln ständig, mal sind sie breit und bequem zu laufen, mal schmal, von Wurzeln durchzogen und steinig, mal geht es rauf, mal runter, mitunter auch ziemlich steil. Nicht umsonst geben die Veranstalter  für den 31 Kilometer langen Rennabschnitt eine Maximalzeit von 3:50 Stunden vor.

 

Aber zunächst erreichen wir bei Kilometer 12 Spina, wo die Alpines traditionell mit dem Geläut der großen Kuhglocken empfangen werden. Über der Straße haben die Bewohner ein großes Transparent angebracht: „Spina grüßt Euch“. Trinken nicht vergessen und weiter geht’s. Am nächsten Haus stehen trotz des schlechten Wetters die Bewohner an der Straße und feuern uns mit Glocken und Applaus an. Die Herzlichkeit geht unter die Haut.

 

Den Regen spür ich nicht mehr und zum Laufen sind die Temperaturen wirklich ideal. Ich hab Spaß, was will ich mehr. Auf der Brücke über den Wildbach heißt es aufpassen, das Holz ist rutschig. Die Läuferin vor mir hat eine große Margerite im Haar, das Markenzeichen von Daniela. Kennen gelernt  habe ich sie vor zwei Jahren am Bahnhof in Filisur. Wie eingangs erwähnt, hatte ich dort meinen Lauf beendet und wartete auf den Zug nach Davos. Dann kam sie, hängende Schultern, Handy am Ohr, dicke Tränen kullerten über das Gesicht. Sie hatte das Zeitlimit in Chants nicht geschafft. Letztes Jahr traf ich sie fast an gleicher Stelle. Am Ende hatte sie es wieder nicht geschafft. Ob ich ihr heute Glück bringe?

 

Nach einem lang gezogenen Anstieg (Rotschtobel 1700 m – km 15) geht es auf schmalem Pfad nach Monstein (1626 m – km 17). Malerisch steht links die Kirche „St. Peter“, 1896/97 im damals aktuellen Jugendstil erbaut. Die Kirche im Ort ist noch viel älter und stammt aus den Jahren 1668/69.
 
Jetzt mache ich die Bekanntschaft von Alice Coates. Sie kommt aus England und ist das vierte Mal beim Swiss Alpine. Dabei hat sie sich immer gesteigert. Angefangen hat es mit dem K 30, dann lief sie den C 42, den K 42 und heute den K 78. Wenn sie ihn schafft, will sie dabei bleiben. Lauftage sind ihr „day-off“, erzählt sie mir. Da nimmt sie frei von der Arbeit und der Familie. Manchmal sei ihr „day-off“ aber so anstrengend, dass sie danach wieder einen  „day-off“ brauche. Heute könne es ihr wieder passieren, fürchtet sie.

 

Es geht talwärts durch das wildromantische Landwassertal. Dunkle Wälder, steil aufragende Felswände, wilde Bäche und schmale Stege bilden die Kulisse. Bilder zum Staunen. Bei Kilometer 20 kommen wir bei Schmelzboden (1340) zur Verkehrsstraße und dann immer leicht abwärts dem Fluß entlang.

 

Höhepunkt ist schließlich zweifellos das Wiesner Viadukt (1195 m), das wir kurz nach dem Bahnhof (km 25) erreichen. Hier wird der Fluß in über 100 m Höhe parallel zur Bahnlinie überquert. Eines der meist fotografierten Motive auf der ganzen Strecke. 
 


Es geht noch einmal kurz steil bergan und dann nur noch abwärts bis Filisur (1032 m – km 31). Der Blick auf den Ort ist immer wieder schön. Nur der sonst türkisfarbene See ist ein dunkelbrauner Tümpel. Der Ort feiert die Alpines. Überall hängen Lautsprecher, über die die zahlreichen Zuschauer über den Rennverlauf und die Läuferinnen und Läufer informiert werden. Gleich bei den ersten Häusern stehen auch die ersten Zuschauer. Anerkennendes und Aufmunterndes rufen sie uns zu. Ich genieße die einmalige Atmosphäre in den engen Straßen des alten Städtchens. Um 12.30 wird hier der K 28 gestartet. Viele Aktive sind schon unterwegs, darunter auch eine Gruppe aus Gernsbach, wie ich an dem Trikotaufdruck erkenne. Ich stelle mich als gebürtiger Gernsbacher vor und bekomme dafür das Badener Lied gesungen.

 

Am Ortsausgang ist eine der ungezählten Verpflegungsstationen. Es gibt Wasser, Iso, Tee, Bananen und Riegel. Über die Hauptstraße geht es ein Stück abwärts ins Tal des Flüsschens Albula. Hier am Wasser ist es noch einen Tick kühler. Die Wolken hängen noch immer tief, aber es regnet nicht mehr. Ungefähr 7 Kilometer zieht sich der Weg dahin, erst ganz langsam und dann hinter Bellaluna steil ansteigend. Irgendwo davor steht der Hinweis „45 Kilometer“. Nach hiesiger Schreibweise heißt das, noch 45 Kilometer zu laufen. Mehr als ein Marathon. Es erschreckt mich nicht. Noch einmal geht es abwärts und ein Stück am Bach entlang, dann kommen wir auf einen schmalen Pfad, der uns ziemlich steil zur  Verkehrsstraße nach Bergün führt.

 

Der Blick zurück ins tiefe Tal ist atemberaubend. Nach zwei Kurven wird die Straße fast flach und ich trabe langsam wieder los. Gleich sehe ich den alten Ort mit der markanten romanischen Kirche. Um 12.35 Uhr bin ich am Kleiderdepot am Ortseingang. Per Lautsprecher und mit viel Applaus werden wir begrüßt. Ich wechsle mein Shirt und nehme meine Windjacke mit. Nach ausgiebiger Verpflegung mache ich mich auf den Weg. Der Sprecher macht schon jetzt darauf aufmerksam, dass um 13.00 Uhr hier Schluß ist. Wer später kommt, wird aus dem Rennen genommen.

 

Ich laufe in den 500-Seelen-Ort auf der ansteigenden Hauptstraße, rechts und links reihen sich Häuser mit Fassadenmalereien, Erkern und Fenstergittern, alle aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Obwohl ich ziemlich am Schluss des Läuferfeldes bin, sind noch immer viele Leute an der Straße, die die Läufer anfeuern und ihnen Glück wünschen.

 

Um 11.30 Uhr wurde in Bergün der K 42 gestartet, der nach einer Schleife um den Ort auf die Strecke des K 78 stößt. Zuerst ist der Weg ins Val Tuors noch geteert, dann wird er schmaler und steinig. Die Steigung ist aber moderat und ich laufe über weite Strecken. Rechts ist der tosende Gebirgsbach unser ständiger Begleiter.
 
Das Schild „35 Kilometer“, also 43 Kilometer gelaufen, macht mir bewusst, dass mehr als die Marathondistanz hinter mir liegt. Trotzdem kommt keine Müdigkeit auf. Alles Kopfsache, ich weiß, auf was ich mich eingelassen habe. Ich laufe bis Davos, und das sind noch 35 Kilometer. Basta.

 

Ich schließe zu Udo Wegmann und Dietmar Beiderbeck auf. Sie sind mit einem Seil verbunden. Udo trägt ein Schild auf dem Rücken mit der Aufschrift „Guide“, auf Dietmar’s Schild ist „Blind“ zu lesen. Das macht der blinde Wahl-Würzburger nun schon zum 10. Mal so - immer den K 78, immer im Ziel. Udo dagegen ist zum ersten Mal beim Swiss Alpin. Als er hörte, dass Dietmar’s Jubiläumslauf  mangels Führer auszufallen drohte, ist er spontan eingesprungen. „Ich wusste aber nicht, was da auf mich zukommt,“ sagt er respektvoll aber ohne Reue. Dietmar muss lachen und erzählt mir von einem anderen Abenteuer, dem Graubünden Marathon vor 4 Wochen, der auch ohne Handicap eine echte Herausforderung ist. 141 Marathons hat er insgesamt absolviert. 

 

Zwischenzeitlich regnet es wieder leicht. Wir erreichen die Almhütten von Davant (km 45) und wenig später Chants (1822 m – km 47). Um 13.50 Uhr bin da, um  14.15 Uhr ist Schluss. Etliche Touristen sind hier unterwegs und bilden mit den heimkehrenden Teamläufern eine ansehnliche Kulisse.  Alle machen uns Mut vor dem Aufstieg, der gleich nach der Überquerung des tosenden Baches beginnt.
 
Zuerst geht es ja noch ganz „gemütlich“ in Serpentinen bergauf, dann wird es steiler, steiniger und immer unwegsamer.  Je höher wir steigen, je dichter wird der Nebel. Berge sieht man keine. Alles konzentriert sich auf den Weg, die Steine und Wurzeln sind rutschig. Ich bin froh, dass ich meine Trailschuhe an den Füßen habe. Sie geben mir nicht nur guten Halt, sondern haben auch ein wasserdichtes Obermaterial. Bei anderen Schuhen hat man ja schon nasse Füße, wenn man bei solchem Wetter drei Schritte durch’s Gras läuft.

 

Die Wanderer, die uns entgegen kommen, sind da noch ganz anders ausgerüstet: hohe Bergschuhe, lange Hosen und dicke Anoracks mit Kaputze, dazu meist ein schwerer Rucksack. Anerkennend applaudieren sie den halbnackten Alpines und muntern sie auf. Etwas abseits hat sich Andy Mettler (der Herr der Bilder) postiert. Seit Jahren macht er im Auftrag des Veranstalters die Fotos vom Swiss Alpine, die später auf der Alpine-Website und in vielen Magazinen  zu sehen sind.

 

5,5 Kilometer sind es insgesamt von Chants zur Keschhütte. Dabei werden 810 Höhenmeter überwunden. Zwei Verpflegungsstellen sind eingerichtet. Die Leute dort machen (wie an allen anderen Verpflegungsstellen auch) einen tollen Job. Freundlich, hilfsbereit und immer gut gelaunt sind sie bei Wind, Regen und Kälte für die Läufer da. Ich denke mehr als einmal, dass ich nicht tauschen will. Um 15.20 Uhr bin ich oben auf der Keschhütte (2632 m – km 53), ich habe 20 Minuten Zeitreserve  retten können.  Mir geht es gut, ich habe keine Probleme und weiß deshalb, ich schaffe es. Der Druck ist weg, ich bin glücklich wie bei einem Zieleinlauf.

 

Beim Funkdienst informiere ich mich über den Rennverlauf  und erfahre, dass Moritz Boschung nach einem großartigen Lauf Zweiter geworden ist. „Nur Zweiter“ wird der sympathische Senner  von der Stoss Alp sagen, denn er wollte unbedingt gewinnen.

 

Gestern hat er den verblüfften Zuhörern erzählt, dass er außer den 11 Teilnahmen beim Swiss Alpin kaum Wettkämpfe macht. Auch mit dem Training ist es so eine Sache. „Meine Arbeit auf der Alm und meine Tiere halten mich auf Trapp,“ meinte er. Mit dem Sieg beim Swiss Alpine wollte er seine Laufkarriere krönen. Seinen vermeintlich stärksten Gegner, Mario Fattore, konnte er deutlich hinter sich lassen. Aber den Römer Giorgio Calcaterra hat er unterschätzt. Wie alle anderen auch, hat er dem Straßenläufer (Marathonbestzeit 2:13 Stunden) in den Bergen eine solche Leistung nicht zugetraut. Jedenfalls hat er es versäumt, als er nach einer fulminanten Aufholjagd hinauf zur Keschhütte und auf dem Panoramatrail zu ihm aufgeschlossen hatte,  weiter zu attackieren. Und so lief ihm Italiener davon, als es wieder flach wurde.

 

Ich muss weiter, hier weht ein ziemlicher Wind. Ich ziehe mir meine Jacke über und mache mich auf den Weg. Nach einem steilen Stück abwärts kommen wir auf den Panoramatrail. Sieben Kilometer zieht sich der schmale Pfad - mal rauf, mal runter – dahin. Der Boden ist aufgeweicht, die Steine nass und rutschig. Zahlreiche Bäche, die aufgrund des Regens breiter und tiefer sind als sonst, müssen überquert werden. Alles in Allem eine Zeit und Kraft raubende Angelegenheit. Ich mache gar nicht den Versuch, hier zu laufen und marschiere so gut und schnell es geht. Alle paar Meter ist eine Murmeltierhöhle. Aber keines der possierlichen Tiere ist zu sehen. Wahrscheinlich liegen sie mit Herzklopfen in der Höhle und sind froh, wenn der Alpine vorbei ist und die Wiesen wieder ihnen gehören.

 

Das Wetter wird besser. Links unten sehe ich im Sonnenlicht die Alp Funtauna und als ich nach einem kurzen Anstieg zum Scalettapass (2606 m – km 60) komme, lichtet sich der Nebel noch mehr. 20 Mal stand hier Beat Villiger und schaute den Alpines in die Augen, ein Fitnesstest im Schnelldurchlauf. Jetzt hat er sein Amt an Andy Grünenfelder abgegeben und ist heute selbst auf der Strecke (K42).  Außerdem gibt es hier eine tolle Verpflegung, selbstverständlich Sanitäter und auch Massagen. Bis auf die Sanitäter haben alle gut zu tun.

 

Jetzt kommt der für mich schwerste Teil der Strecke: fast 5 Kilometer und 600 HM abwärts nach Dürrboden. Teilweise geht es auf alpinen Pfaden recht steil nach unten. Das Wetter macht auch diese Passage nicht einfacher, und 60 anstrengende Kilometer haben ihre Spuren hinterlassen. Unfallfrei erreiche ich Dürrboden (2007 m – km 65). Cola ist jetzt mein bevorzugtes Getränk, nur noch Cola. 

 

Es geht durch's Dischmatal. Noch knapp 14 Kilometer sind zu laufen. Wellig, aber meist abwärts zieht sich der Weg dahin. Manchmal überqueren wir die in wechselnden Abständen parallel verlaufende Teerstraße, die ich gerne gegen den unebenen Wiesenweg tauschen würde. Immer wieder überhole ich einen Läufer. Eugen beklagt seine schmerzenden Beine. Meinen Einwand, dass damit alle zu tun haben, lässt er nicht gelten und ist überzeugt: „Solche Schmerzen wie ich hat keiner.“

 

Karsten Heine und Cornelius Schulze aus Leipzig sind da weniger zimperlich. Zwar wollen sie auch nicht mehr jeden Hügel hoch rennen, aber ihren Spaß haben sie bei ihrem ersten Swiss Alpine noch nicht verloren. Ähnlich sieht es der 18-jährige Sandro, der sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt.

 

Frank Bielefeld aus Bonn hat auf seiner Urlaubsreise nach Italien wie immer in den letzten 8 Jahren in Davos halt gemacht, um beim K 78 dabei zu sein. Aber heute ist nicht sein Tag. Er ist nur noch am Gehen, lässt sich aber zu einem kurzen Zwischenlauf überreden. Auch Kerstin im neuen Rennsteig-Finisher-Shirt war schon besser unterwegs, trabt aber unermüdlich Richtung Davos.

 

Endlich kriege ich Asphalt unter die Füße. Gleich wird alles leichter. Vor uns liegt Davos. Aber noch einmal geht es links bergauf in den Wald. Nicht lange und nicht steil, aber es tut weh. Dann geht es wieder leicht bergab. Erst noch 3, dann noch 2,5 Kilometer. Wir erreichen den Ort und laufen rechts auf die Straße Richtung Stadion. Die Menschen an der Straße klatschen und jubeln.

 

Gleich bin ich im Stadion. Die Kunststoffbahn ist die reinste Wohltat für die Füße. Erstaunlich viele Leute sind noch da. Sie wissen, dass die Alpines heute ein besonders schweres Rennen hinter sich haben. Die Stimmung ist großartig. Der Sprecher nennt jeden beim Namen und gratuliert.

 

Ich bin im Ziel und nur noch glücklich. Geschmückt mit der Medaille und dem Finisher-Shirt unter dem Arm (ich kann es nicht anziehen, es ist auch dieses Jahr zu klein) lasse ich mich an den Verpflegungsständen verwöhnen. So ganz nebenbei habe ich meine Zeit vom letzten Jahr um 20 Minuten verbessert, obwohl ich in Bergün noch fast 5 Minuten langsamer war.

 

Die anschließende Party im Eisstadion ist eine gute Idee. Es sind auch viele Promis da und die Sieger der Hauptrennen, aber eine richtig gute Stimmung will in dem großen Raum nicht aufkommen. Die Alpines sind müde.

 

Wer noch wissen will, wie es dann am Sonntag mit dem Wetter weiter ging: strahlend blauer Himmel.

 

 

 

Informationen: Davos X-Trails
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