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Laufberichte

Comrades 2007

17.06.07

„Eberhard, das hast Du gut gemacht!“

 

Da gibt es doch tatsächlich einen wunderschönen Ultramarathon in Südafrika mit 12.000 Teilnehmern, davon gerade einmal 414 internationale Starter, 24 davon aus Deutschland. Wieso sind das so wenige ausländische Teilnehmer? Sage mir niemand, dass das zu teuer sei. Der New York Marathon ist sicher mehr als doppelt so teuer. Auf Leute, ab nach Südafrika und den Comrades Marathon mitgemacht, ihr versäumt sonst einen unvergleichlichen Lauf!

 

An und für sich bin ich ja ein eher bescheidener Mensch, der seine Taten meist zurückhaltend bewertet. Bei passender Gelegenheit aber muss auch ich auf meine Leistungen hinweisen und der Comrades gehört dazu. Wie sagte Uwe aus der Truppe der deutschen Teilnehmer am Morgen nach dem Lauf zu mir: „Jetzt kann ich es Dir ja sagen. Aber vor dem Rennen hätte ich keinen Cent auf Dich gewettet, dass Du bei diesem Lauf in der Zeit ankommst. Deine Zeiten in Biel waren so, dass ein Durchkommen beim Comrades eigentlich nicht möglich war.“

 

Ich nahm ihm das überhaupt nicht übel, denn objektiv betrachtet hatte er recht, waren meine Chancen tatsächlich nicht übermäßig groß, betrachtet man nur die Zeiten: Biel 2005 in 15:15h, Biel 2006 in 13:46h, beim Heilbronn Marathon dieses Jahr jämmerlich eingebrochen (5:41h) und bei den 100 km rund um Jena 14 Tage vor dem Comrades mit mehr als 20 Stunden eine indiskutable Leistung.

 

Ich habe es aber trotzdem geschafft, bei dem angeblich größten Ultralauf der Welt rechtzeitig ins Ziel zu kommen und muss sagen: „Eberhard, das hast Du gut gemacht!“ Nun, dieser Erfolg war hart erarbeitet und Zeiten sagen eben nicht alles aus. Ich selbst habe immer an meine Chance geglaubt, wusste ich doch, welches Potential ich habe, wo meine Schwächen liegen und wie ich sie umgehen kann.

 

Genug der Beweihräucherung, zum Thema! Der Comrades Marathon in Südafrika ist ein Traditionslauf über 89 km mit Teilnehmerzahlen seit den letzten 15 Jahren zwischen 10 und 15 Tausend. Im Jahr 1921 fand er das erste Mal statt und war den gefallenen Kameraden (Comrades) des ersten Weltkrieges gewidmet. Seitdem – mit Ausnahme der Jahre des 2. Weltkrieges - werden die 89 Kilometer zwischen den Städten Durban und Pietermaritzburg zurückgelegt, wobei die Laufrichtung jedes Jahr wechselt. Durban liegt am Meer, Pietermartitzburg nördlich davon im Landesinnern auf 650 m Höhe. Man könnte also annehmen, dass der sogenannte Down-Run von Pietermaritzburg nach Durban leichter ist, verliert man doch insgesamt 650 m an Höhe. Dem ist aber nicht so, behaupten zumindest alle, die beide Richtungen bereits gelaufen sind. Weil der Up-Run aufgrund einer etwas anderen Streckenführung beim Start und Ziel kürzer ist (ca. 3 km), sind auch die Zeiten in beiden Richtungen etwa gleich.

 

Egal, Klaus Duwe hatte sich den Down-Run ausgesucht, weil er sich nur da die Chance ausrechnete, in der Zeit anzukommen. Für die 89 km hat man exakt 12 Stunden, genauer 11:59:59 Stunden Zeit, keine Sekunde länger. Dieser Lauf ist daher berüchtigt, weil die gnadenlos das Ziel verrammeln, kommt man auch nur eine Sekunde später an. Da spielen sich dann regelmäßig Dramen ab, denn jedes Jahr kommen noch hunderte an, die abgewiesen werden. Dieses Jahr z.B. ist ein Läufer bis ins Stadion gekommen, begann zu taumeln, vermutlich totale Erschöpfung und wurde dann die hundert Meter bis zur Ziellinie von Läufern getragen. So etwas ist hier geradezu eine Pflicht, heißt doch der Lauf Comrades (Kameraden). In diesem Fall jedoch war der Ehrgeiz des Läufers fatal, denn er starb noch direkt hinter der Ziellinie, wo ihn seine „Kameraden“ hingelegt hatten, trotz sofortiger ärztlicher Hilfe.

 

Es droht also ein erbarmungsloses Zeitlimit und ich stimmte Klaus bei seiner Einschätzung zu. Für einen so langsamen Läufer wie mich sind eben 89 km, Wärme, viele Höhenmeter und 12 Stunden eine schwere Hürde. Die 650 m abwärts auf den letzten 30 km schreckten mich nicht, außer Schmerzen hatte ich da nichts zu befürchten. Leider konnte dann Klaus doch nicht mitkommen, für mich eine schöne „Ausrede“, den Lauf 2009 nochmals machen zu müssen, zusammen mit ihm.

 

Immerhin aber waren Angelika und Klaus Neumann mit dabei. Klaus hat diesen Lauf bereits 14 Mal mit Bravour hinter sich gebracht und so konnten wir uns keinen besseren Begleiter als ihn vorstellen. Dank seiner Tipps waren wir dann auch optimal vorbereitet und kannten bereits alle „Ecken und Kanten“ des Laufs.

 

Nach Zugfahrt (Stuttgart-Frankfurt) und Flug mit Zwischenlandung in Johannesburg, kamen wir drei und einige weitere deutsche Teilnehmer am Donnerstagmorgen gegen 12.30 Uhr in unserem Hotel an. Wir holten noch unsere Startunterlagen ab und gingen dann recht bald zu Bett, war doch die Nacht im Flugzeug recht kurz.

 

Für „Ersttäter“ aus dem Ausland (Internationale) organisiert der Veranstalter jeweils am Freitag vor dem Lauf eine Busfahrt (drei Busse), bei der die Strecke besichtigt wird, einschließlich Besuch des Comrades Museums und einer Behindertenschule, für die die Internationalen so eine Art Patenschaft übernommen haben. Natürlich waren Angelika und ich dabei, Klaus sowieso, denn er fungierte als Reiseleiter und informiert die deutschsprachigen Teilnehmer im Bus über alles Wissenswerte.

 

Die Fahrt ist unbedingt empfehlenswert. Ich habe ein wenig die Angst vor der Strecke verloren, sah ich doch, dass die vielen Hügel, die zu überwinden sind, nicht sehr Furcht erregend waren. Darüber hinaus ist das Museum sehr interessant und der Besuch bei den behinderten Kindern beeindruckend. Auch an der berühmten „Wall of Honour“ machten wir kurz Halt. Jeder, der den Lauf geschafft hat, kann sich hier, gegen eine geringe Gebühr, mit einem Täfelchen auf einem Stein verewigen. Alles in Allem waren das interessante und kurzweilige fünf Stunden.

 

Am Sonntagmorgen um 5.30 Uhr war Start in Pietermaritzburg, das hieß aufstehen um 2 Uhr, Frühstück und Fahrt mit dem Bus zum Start. Hier kann ich nur dringend empfehlen, möglichst den ersten Bus zu nehmen (Abfahrt kurz vor 3 Uhr), denn dann ist man frühzeitig im Startbereich. Dort wollen 12.000 Läuferinnen und Läufer „abgefertigt werden“, also Einlass in den Startbereich, Abgabe der Kleiderbeutel, evtl. Anstehen vor einem der Dixis und dann noch der Einlass in den jeweiligen Startblock. Wir waren rechtzeitig da, konnten also alles entspannt erledigen. Wenn ich aber die Menschenmengen vor der Gepäckabgabe oder den WCs bedenke, die etwa eine halbe Stunde nach uns dort überall zu sehen waren, bin ich mir nicht sicher, ob die es alle noch ohne Hektik geschafft haben.

 

Es war dunkel und kalt, vielleicht 6 Grad, aber Klaus hatte uns vorgewarnt, und so hatten wir vorgesorgt mit warmem Hemd und alten Socken als Handschuhersatz. Trotz der frühen Zeit war die Stimmung ausgelassen, alle freuten sich und schnatterten munter durcheinander. Immer wieder auch lief eine große Gruppe Läuferinnen und Läufer singend vorbei.

 

Gegen 5.10 Uhr gingen wir dann in unseren Startblock und warteten, dicht gedrängt und geduldig bis zum Start. Musik dudelte, alles schwatzte und irgendwann dann wurde „Chariots of Fire“ von Vangelis gespielt. Nun konnte es nicht mehr lange dauern. Die Südafrikanische Nationalhymne wurde angestimmt und alles sang aus voller Kehle mit.

 

Punkt 5:30:00 Uhr wurde der Startschuss aus der berühmten Kanone abgefeuert und die 12.000 Läuferinnen und Läufer setzten sich in Bewegung. Beim Comrades läuft man zwar mit Chip, auch werden damit die Zwischenzeiten unterwegs genommen, die dann life im Internet abgerufen werden können, beim Start jedoch wird ab Kanonenschuss gezählt, auch wenn der Letzte erst nach ca. 7 Minuten über die Startlinie kommt. Hat er eben Pech gehabt. Der Lauf wird daher auch als gun-to-gun bezeichnet.

 

Nach fünf Minuten waren auch wir über der Linie und konnten laufen. Nur keine Hektik, den Lauf langsam angehen, das Rennen beginnt erst ab Kilometer 60 – so, oder ähnlich war ich von allen Seiten gewarnt worden und hielt mich auch daran. Viele um mich herum waren aber offensichtlich anders informiert worden, denn ich wurde ausschließlich überholt. Vermutlich aber ließen die sich vom Beifall der vielen Zuschauern an der Strecke mitreißen, die sich trotz frührer Stunde und Kälte nicht abschrecken hatten lassen. Noch nie habe ich bei einem Lauf auf den ersten Kilometern so viele Zuschauer erlebt!

 

Ich ließ mich also nicht beirren und hielt mein langsames Tempo bei, auch wenn es erst Mal leicht abwärts ging. Die ersten Kilometer führten im Licht der Straßenlaternen durch die Vororte von Pietermaritzburg hinaus, bis es dann etwa ab Kilometer 8 auf den ersten der fünf berühmt berüchtigten Hügel, Polly Shortts, ging. Von dieser Seite ist der Aufstieg nicht sehr anspruchsvoll, hat man doch noch genügend Energie. Es dämmerte bereits einige Zeit und als wir oben waren, hatte man eine schöne Sicht in die leicht neblige Landschaft vor uns. Der Abstieg war dann um einiges länger als der Aufstieg und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie das beim Up-Run weh tat, hatte man da doch bereits 78 km in den Beinen.

 

Die ersten Verpflegungsstationen lagen bereits hinter mir und ich war beeindruckt! Südafrika ist ein Land der Dienstleistung; egal wo, man wird überall aufmerksam bedient. Auch hier an den Verpflegungsstationen, die so ganz anders als bei uns organisiert waren. Zwar gab es auch Tische, dort aber musste man gar nicht hin, die dienten nur der Lagerung der Verpflegung. Die Getränke – Wasser und Iso - waren in etwa 100ml-Portionen in schlauchartige Plastikfolien eingeschweißt. Die Helfer holten sich jeweils einige Päckchen davon von den Tischen und hielten sie den Läuferinnen und Läufern entgegen. Man konnte sich also im Vorbeilaufen bedienen. Da es jeweils jede Menge Helfer waren, ich schätze Mal so etwa 50 bei jeder Station, musste man auch keine Sorge haben, dass man nicht bedient wurde.

 

Jetzt muss man nur noch wissen, dass sich auf der Strecke 50 - in Worten fünfzig! - Verpflegungsstationen verteilten, dann weiß man, was ich mit „Dienstleistung“ meine. Alle Helfer waren natürlich überaus freundlich und engagiert. Tatsächlich blieb ich nirgends stehen, nahm im Laufen, was ich wollte: zwei Beutel, einer mit Wasser, einer mit Iso, später, ab etwa Kilometer 50 dann auch Cola.


Immer noch war es kalt und ich war froh, dass ich mit langärmligem Hemd und meinen „Handschuhen“ richtig angezogen war. Wir liefen jetzt durch Farmland, die Bewohner standen an der Strecke und schauten uns zu. Manche hatten ein kleines Grillfeuer in Betrieb, an dem sie sich wärmen konnten oder gar etwas brieten. Insgesamt eine friedliche Stimmung.

Von Polly Shortts bis zum nächsten Anstieg, Umlaas Road, der mit 870 m höchsten Stelle des Laufes, sind es ca. 9 km. Zuerst ging es wieder abwärts auf eine Höhe von 650 m und bei Lions Park dann unter der Autobahn N3 hindurch. Hier waren wieder jede Menge Zuschauer, bevor es dann einen lang gezogenen, sanften Anstieg nach Umlaas Road hoch ging, absolut kein Problem.

 

Bisher war es ein ständiges Auf und Ab auf gleicher Höhe, was sich bis Kilometer 58 nicht ändern würde. Die Anstiege waren kein Problem, trotzdem war ich vorsichtig und fiel bei jedem Anstieg sofort ins Gehen zurück. Nur nicht überziehen zu Beginn des Laufes!

 

Drei Stunden waren wir jetzt unterwegs, es war wärmer geworden und viele Läuferinnen und Läufer hatten die wärmende Kleidung an den Straßenrand geworfen, wo verschiedene Zuschauer sie begutachteten und Teile davon einsammelten. Die Menschen hier waren sichtbar arm und konnten die Sachen sicher gut gebrauchen.

 

Camperdown bei Kilometer 24 war erreicht. Die Zuschauerdichte hatte zugenommen, die Grillfeuer ebenfalls, die Stimmung war bestens und Angelika und ich liefen frohgemut weiter, wieder hinaus in die schöne Landschaft. Von hinten näherte sich die 12-Stunden Gruppe, angeführt wohl von einem Feldwebel, denn mit militärischer Stimme gab er ständig Kommandos oder Parolen, die dann von der Gruppe lautstark wiederholt wurden.

 

Obwohl wir uns eine Zeit von ca. 11:30h vorgenommen hatten, ließ ich mich nicht irre machen. Die waren eben zu schnell unterwegs und ich richtig - hoffentlich. Auf der Marathonmesse hatte ich mir ein Armband mit Zwischenzeiten gekauft, ausgelegt auf 11:30h. Die angegebenen Zeiten berücksichtigten neben den Kilometern auch noch das Profil und dem entnahm ich, dass wir perfekt in der Zeit lagen. Tatsächlich wurde dann der Abstand zur 12er Gruppe wieder größer und irgendwann lagen sie wieder weit hinter uns.

 

Nach weiteren welligen vier Kilometern erreichten wir Cato Ridge, wo es wieder unter der Autobahn durch ging und hinaus Richtung Harrison Flats, einer unfruchtbaren Ebene in der hügeligen Landschaft. Die Temperaturen waren jetzt richtig angenehm und ich konnte mein warmes Baumwollhemd einem der Kinder am Straßenrand geben.

 

Harrison Flats lag bald hinter uns und die Straße wurde wieder wellig. Bald würden wir in das Land der Tausend Hügel kommen, wie ich mich von der Busfahrt her noch erinnerte. Zuerst aber passierten wir Inchanga, kamen an der Schule vorbei, vor der uns die Kindern in ihren Rollstühlen anfeuerten und mussten dann den Anstieg auf den zweiten der fünf berühmten Hügel in Angriff nehmen. Kein Problem, denn sobald es steiler wurde, wurde gegangen.

 

Der Hügel war überwunden, wir waren im Land der Tausend Hügel und in der Ferne konnte man auch schon Bothas Hill sehen, den wir bei Kilometer 51 überwinden mussten. Erst aber noch war das erste Zeitlimit bei der Streckenhälfte (Halfway), Kilometer 45 zu schaffen. Sekundengenau um 11:30:00 Uhr, nach sechs Stunden, würde hier dicht gemacht und alle später Ankommenden aus dem Rennen genommen werden. Die vielen Läufer um uns herum wurden merklich hektisch und überholten teilweise im Laufschritt, obwohl die Strecke anstieg. Wir lagen aber noch gut in der Zeit, so dass ich mich nicht anstecken ließ. Laut unserer Zeittabelle sollten wir da sechs Minuten vor dem Limit durchkommen und das würde einigermaßen klappen. Der 12-Stunden Zugläufer kam wieder von hinten auf, brüllte jetzt aber keine Kommandos mehr, sondern blieb stehen, rief nach hinten und spornte seine Leute an.

 

Vier Minuten vor dem Limit kamen Angelika und ich durch den Bogen und über die Zeitmessmatten – nahezu eine Punktlandung. Jetzt war noch ein Hügel zu überwinden und dann ging es abwärts, so dass man auf der zweiten Hälfte die halbe Stunde für die Zielzeit 11:30 h herausholen konnte. Nun, wir würden sehen, die 45 Kilometer spürte ich schon, war aber voller Zuversicht, das Tempo zu halten und später gar schneller zu werden.

 

Es war 11.30 Uhr und die Sonne stand jetzt ziemlich hoch. Glücklicherweise aber hielt sich die Temperatur mit vielleicht 22 Grad noch in Grenzen, Dank der 650 m Höhe. Der folgende Streckenabschnitt aber war trotzdem recht anspruchsvoll, denn es ging nun in Wellen hoch auf den dritten Hügel, Bothas Hill. Belohnt wurde man aber durch die schönen Ausblicke und auch durch die Zuschauer, die an verschiedenen Stellen wieder zahlreicher waren. Das war sicher einer der schönsten Abschnitte der Strecke.

 

Immer wieder sah man nun erschöpfte Läufer am Wegesrand sitzen oder liegen. Die hatten sich wohl bis Halfway übernommen und mussten aufgeben, was bei diesem Lauf vollkommen problemlos ist. Bereits ab Kilometer 10 hatte ich die Kleinbusse auf der Strecke gesehen, die im Läuferfeld mitfuhren und die Aussteiger einsammelten. Sobald ein Wagen voll war, verließ er die Strecke und die nächsten Kleinbusse übernahmen die Aufgabe des Einsammelns. Diese problemlose Möglichkeit hat sicher manchen der knapp 2.000 Läufer, die nicht im Ziel ankamen, zum Aussteigen animiert.

 

Wir kamen vorbei an der „Wall of Honour“ und kurz vorher an „Arthur’s Seat“. Der Legende nach soll sich hier ein berühmter Comrades Läufer, Arthur Newton, bei seinen Trainingsläufen immer hingesetzt haben. Nun heißt es, dass sein Geist hier am Lauftag die Vorbeikommenden grüßen würde. Legt man nun beim Vorbeikommen eine Blume, oder Pflanze an dieser Stelle ab und grüßt lautstark mit „good morning Arthur“, dann solle man die zweite Hälfte problemlos laufen können. Natürlich folgten wir dem Ratschlag und vielleicht hat es ja ein wenig zum Gelingen beigetragen.

 

Die Anhöhe Bothas Hill war überwunden und weiter ging es in sanftem Auf und Ab durch verschiedene Orte, Alleestraßen entlang mit viel Schatten. An den teils wunderschönen, repräsentativen Anwesen sah man ganz deutlich, dass hier die wohlhabenden Leute wohnten. Aber auch hier war die Stimmung herzlich, wie auch schon bisher unterwegs.

 

Ab etwa Kilometer 58 war Fields Hill, der vierte Hügel, erreicht und es ging abwärts. Etwa 650 m würden wir auf den restlichen 31 Kilometern bis ins Ziel in Durban verlieren. Vor diesem Abschnitt hatte man uns allenthalben gewarnt, das würde auf die Knochen, Gelenke und Oberschenkelmuskeln gehen, hier würde der Lauf erst beginnen. Für mich aber war klar, dass das der leichtere Teil war, denn Schmerzen in besagten Körperteilen habe ich gelernt auszuhalten. Viel wichtiger war, dass die Kreislaufbelastung ab jetzt deutlich geringer sein würde.

 

In der Tat, es war dann auch so. Die nächsten 10 Kilometer ging es ununterbrochen abwärts, anfänglich noch auf normalen Straßen durch Orte wie Winston Park und Kloof hindurch, ab Kilometer 65 dann auf der gesperrten Hälfte der Autobahn.

 

Nach über 50 Minuten abwärts waren wir dann endlich in Pinetown, am Fuße von Fields Hill. Wie immer säumten Mengen von Zuschauern die Straße. Bald würde ein Gegenanstieg auf den letzten der fünf Hügel kommen, Cowies Hill. Hoch willkommen, denn endlich durfte man auch wieder ohne schlechtes Gewissen in den Gehschritt übergehen.

 

Inzwischen war ich einigermaßen erschöpft, wir hatten etwas Zeit gegenüber unserer Marschtabelle verloren, das rechtzeitige Ankommen jedoch war überhaupt nicht gefährdet, aber Vorsicht war trotzdem angebracht. Es hieß, das Tempo beibehalten und nicht wie die meisten Läuferinnen und Läufer um uns herum zu gehen. Das Fotografieren musste ich jetzt auf die allernotwendigsten Bilder beschränken, das kostete mich sonst zuviel Zeit und Kraft, den Abstand zu Angelika wieder aufzuholen. Dabei wären hier tolle Bilder möglich gewesen, um die Stimmung an der Strecke zu dokumentieren. Jede Menge Zuschauer säumten links und rechts die Autobahn, Grillfeuer auf dem Grünstreifen allenthalben, Kinder jede Menge, die sich abklatschen ließen und Mengen von Läuferinnen und Läufer. Eine solche Kulisse hatte ich noch nie erlebt. Es ist wirklich so, der Comrades wird in Südafrika beinahe wie ein Nationalfeiertag begangen.

 

Zwar ging es nach Cowies Hill nach wie vor abwärts, auf diesen restlichen 18 Kilometer aber gab es zahllose kleinere Gegenanstiege, die wir jetzt aber durchgängig joggten. Damit waren wir ziemlich die Einzigen, die allermeisten Läufer um uns herum waren so erschöpft, oder hatten solche Schmerzen, dass sie selbst bei den Abwärtspassagen nur noch gingen.

 

Bereits auf dem Weg abwärts von Fields Hill hatte man immer wieder in der Ferne Durban gesehen. Jetzt liefen wir auf dem Autobahnstück mitten in der Stadt, vor uns die Hochhauskulisse. Nur noch wenige Kilometer und wir waren im Ziel. Unser Zeitpolster war so komfortabel, dass wir hätten gehen können; das aber ließ unser Ehrgeiz nicht zu.

 

Je näher man dem Ziel kam, desto dichter wurde das Spalier der Zuschauer, die uns begeistert anfeuerten, bis wir dann endlich im Sahara Stadion ankamen. Es ging noch um ein paar Ecken und endlich waren wir auf der Aschenbahn, vor uns das Ziel. Unter großem Beifall legten wir diese letzten Meter zurück und kamen nach 11:46:48 Stunden ins Ziel, 17 Minuten nach unserer Wunschzeit, aber trotzdem glücklich, diese große Herausforderung gemeistert zu haben.

 

Nach dem Empfang der Medaille ging es weiter zum Verpflegungszelt. Während Angelika noch die Kraft hatte, alle möglichen Getränke und auch Suppe zu organisieren, musste ich mich auf dem Rasen ausruhen und konnte dabei die mehr oder weniger erschöpften Finisher beobachten.

Zehn Minuten vor Zielschluss wurde die 12-Stunden Gruppe mit riesigem Beifall empfangen und fünf Minuten später dann jeweils die verbleibenden Minuten angesagt. Die letzten Sekunden wurden dann lautstark vom ganzen Stadion gezählt, bis dann nach 12:00:00 das Ziel dicht gemacht wurde. In der Ergebnisliste fand sich tatsächlich ein Läufer mit der Zeit 11:59:59h – Glück gehabt und alle Nachfolgenden riesiges Pech. Wie viele hundert wohl abgewiesen wurden?

 

Fazit:

Ein unglaubliches Erlebnis, das unbedingt wiederholt werden muss. Nachdem ich eine Woche später diesen Bericht schreibe und die Bilder anschaue, bin ich sogar so verwegen, den Up-Run ins Auge zu fassen. Mit gezieltem Training müsste auch ich das schaffen können. Nun, da habe ich ja für 2009 und 2010 noch ein Ziel.

 

Kosten

Flug ca. 650 … 700 Euro, Hotelkosten pro Person im Doppelzimmer ab ca. 120 Euro (4 Übernachtungen mit Frühstück) in einem guten Hotel, der Lauf selber kostet für internationale Starter 150 Dollar, für Einheimische ca. 19 Euro.

 

Zeitnahme

Zeitmessung mit ChampionChip, trotz Chipmessung wird aber nur die Bruttozeit berechnet, die Zwischenzeiten (insgesamt fünf) können life im Internet verfolgt werden.

 

Qualifikation

Um einen Startplatz zu bekommen, muss man eine bestimmte Qualifikationszeit nachweisen: Marathon 5h, 50km 6h, 60km 7:40h, 80km 12h, 100km 13:30h

 

Streckenbeschreibung

In den geraden Jahren 89 km von Durban nach Pietermaritzburg (Up-Run), in den dazwischen liegenden Jahren von Pietermaritzburg nach Durban (Down-Run, ca. 3km kürzer). Die Strecke verläuft ausschließlich auf Asphalt auf gesperrten Straßen.

 

Logistik

Startnummernausgabe mit Marathon-Messe in Durban in einer Messehalle. Wie das beim Up-Run ist, weiß ich nicht. Wer in Durban logiert, kann für den Starttag einen Bustransfer nach Pietermaritzburg für ca. 4,70 Euro buchen.

 

Auszeichnung

Medaille, die Art ist abhängig von der erreichten Zeit: 7 unzen Goldmedaille für die ersten 10 Plätze, Silber unter 7:30h, Bill Rowan unter 9h, Bronze unter 11h, Vic Clapham unter 12h.

 

Verpflegung

Insgesamt 50 Stationen, also spätestens alle 1,5…2 km, ausgestattet mit Wasser, Iso, Cola, Banane, Schokolade; an drei Stationen auch gekochte Kartoffeln.

 

Zuschauer

Jede Menge auf den ganzen 89km, gehäuft natürlich in den Ortschaften und auch auf den letzten 15 Kilometern.

 


 
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