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Laufberichte

Schmuddelwetter – na und?

26.09.10

Zur Startaufstellung müssen wir uns ein kleines Stück in das Stadtwäldchen hinein zur Olof Palme sétány, einer in den Heldenplatz einmündenden Parkstraße, begeben. Je nach anvisierter Zielzeit kann man sich in verschiedene Blöcke einreihen. Schön ist der Blick von hier auf die aus dem üppigen Grün des Parks aufragende Burg Vajdahunyad. Diese kommt der Vorstellung von einem transsylvanischen Dracula-Schloss ziemlich nahe, aber dem berühmten Grafen wäre das heute eindeutig zu viel Trubel gewesen.

Wie schon fast zu erwarten war: Zehn Minuten vor dem Start heißt es „Wasser marsch“. Die Wolken entlassen ihre nasse Fracht und wir bekommen einen ersten Vorgeschmack darauf, wie es sich anfühlt, sich knapp bekleidet und gut durchfeuchtet fortzubewegen. Zum Glück ist es aber nicht kalt. Der prächtigen Stimmung unter den Läufern tut dieser Himmelsgruß aber keinerlei Abbruch. Trommler und ein Moderator heizen die Stimmung kräftig an, man merkt den Läufern förmlich an, dass sie ganz heiß darauf sind, endlich  starten zu dürfen. Der ungarische Präsident Pál Schmitt höchstpersönlich ist es, der um Punkt 10 Uhr den erlösenden Startschuss abfeuert und die johlende Meute auf die Strecke entlässt. 

 

Durch die Pester Altstadt

 

Aus der schmalen Olof Palme sétány ergießt sich der Läuferstrom hinein in die Weite des  Heldenplatzes und von dort direkt in die breite Andrássy út. Diese sogar als UNESCO-Weltkulturerbe geadelte Prachtstraße führt geradewegs in das Stadtzentrum hinein. Für einen Marathonstart bietet die Straße ideale Verhältnisse: viel Platz, keine Kurven – was bedeutet: kein Gedränge, entspanntes Laufen von Anfang an.

Die von hohen Alleebäumen gesäumte Andrássy út führt uns zunächst durch das herrschaftliche, ruhige  Botschaftsviertel. Jenseits der weiträumigen Plätze Kodaly körönd und Oktogon gelangen wir in den lebhafteren Theaterdistrikt Budapests. Höhepunkt der nicht endend wollenden Reihe prunkvoller Fassaden ist der im Stil der Renaissance gestaltete säulen- und skulpturenbeladene Bau der 1884 eröffneten ungarischen Staatsoper.

Nach 2,5 km schnurgerader Strecke führt uns ein scharf nach rechts führender Abzweig auf eine erste, wenn auch relativ kurze Wendepunktpassage. Solche Passagen, bei denen die gleiche Strecke hin und nach einem Wendepunkt wieder zurück zu laufen ist, sind ein Markenzeichen des Budapester Kurses. Interessant an dieser Streckenführung ist insbesondere, dass man jeweils die Gelegenheit hat, vor der Wende die schnelleren und danach die langsameren Läufer im Feld zu beobachten.

Zwei Mal passieren wir auf diese Weise die Mitte des 19. Jh. errichtete Basilika St. Stephan, den größten Kirchenbau Budapests, in dem die rechte Hand des heiligen und hier hochverehrten St. Stephan, vor 1000 Jahren erster König der Ungarn, als Reliquie verwahrt wird.

Etwa 1,5 km misst der erste Wendekursabschnitt, dann sind wir zurück an der Andrássy út und uns erwartet nach 4 km die erste der mehr als ein Dutzend Verpflegungsstellen entlang der Strecke. Hier gibt es zwar nur Wasser, aber die meisten Läufer sind ohnehin noch frisch.

In einem Bogen führt die Strecke weiter in die Altstadt von Pest hinein. Bis 1872 waren Buda und Pest, westlich bzw. östlich der Donau gelegen, eigenständige Städte. Mit dem Zusammenschluss wurden einfach auch die Namen beider Städte verschmolzen.

Bei km 5,5 erreichen wir den Petöfi-Platz und bekommen auf Höhe der Erzsébet híd (Elisabeth-Brücke) erstmals Blickkontakt zur Donau. Duna wird der Fluss auf Ungarisch genannt, was ausnahmsweise ein für uns eingängig klingender Begriff ist. Denn ansonsten gehört das Magyarische eher zu den Sprachen, bei denen einem schon beim Lesen schwindelig wird. Der über 300 Meter breite, träge Fluss wird auf den nächsten 32 km unser fast ständiger Begleiter sein.

Ab dem Petöfi-Platz folgen wir, zunächst auf der Uferhochstraße, der Donau einige Kilometer flussaufwärts nach Norden. Reich verzierte Altstadtfassaden ziehen an uns vorbei. Eher enttäuschend ist nur der Blick über die trüben Fluten des Flusses. Nur schemenhaft bilden sich die Konturen des Gellert- und des Burghügels am jenseitigen Flussufer ab. Tief hängen die Wolken und diesig ist die Luft. Zumindest läuferisch kann ich mich nicht beklagen. Dafür sind die Witterungsbedingungen fast schon ideal: Es ist kühl, aber nicht kalt, auch tröpfelt es nur noch ein wenig vom Himmel.  

Bei km 6,5 queren wir den Roosevelt-Platz. Von hier zweigt links die berühmte Széchenyi Lánchíd, die Kettenbrücke, ab. Bis wir diese überqueren dürfen, müssen wir uns aber noch etwas gedulden. Rechterhand am Platz sticht der Gresham Palast, ein heute als Luxushotel genutzter Prunkbau des Jugendstil, ins Auge. Das nächste Streckenhighlight folgt sogleich. Bei km 7,5 passieren wir erstmals das Parlamentsgebäude, allerdings nicht an dessen klassischen „Postkartenseite“, also an der der Donau zugewandten Seite, sondern über den Kossuth Lajos Platz an der Rückseite. Auch von hier werden die beeindruckenden Dimensionen des Ende des 19. Jh. im neogotischen „Zuckerbäcker“-Stil erbauten Gebäudekomplexes deutlich: Auf 268 m Länge erstreckt sich der Bau hoch über dem Donauufer. Gekrönt wird er von einer 96 m hohen Kuppel. In der Kuppelhalle wird die Stephanskrone als ungarisches Nationalsymbol verwahrt.

Auf Höhe der nächsten Donaubrücke, der Margit hid (Margaretenbrücke) kurz nach km 8, erwartet uns die nächste Verpflegungsstation, nun mit dem Vollprogramm, d.h. neben Wasser halten die wetterfesten Helfer Elektrolytgetränke, Bananenstücke, Zitronenscheiben und Traubenzucker bereit. Wie im Vorjahr verhindern weiterhin Brückenrenovierungsarbeiten, dass sich der Streckenverlauf ab hier über die Brücke und sodann im Naturidyll der Margaretheninsel fortsetzt – voraussichtlich im nächsten Jahr wieder, meint Renndirektor Arpad Kocsis. So folgen wir der Donau weiterhin auf der Festlandseite.

Mit dem Szent István Park erreichen wir bei km 9,5 den nächsten Wendepunkt. Während der Kurs auf den Hinweg weitgehend auf der Uferhochstraße verlief, folgen wir auf dem Rückweg in Richtung Pester Altstadt nunmehr der parallel, aber einige Meer tiefer und unmittelbar am Fluss verlaufenden Uferstraße. Durch die seitliche Begrenzungsmauer bekommt man hier von der Stadt sehr viel weniger mit, andererseits rückt der Fluss räumlich wie auch gefühlsmäßig sehr viel mehr ins Bewusstsein.  

Bei km 11,5 kommen wir wieder zum Parlament, nur geht es jetzt an der flusszugewandten Vorderfront vorbei. Festungsgleich steigen die Mauern weit in den Himmel empor und ich komme mir geradezu zwergenhaft vor. 

 
 

Informationen: Budapest Marathon
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