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Laufberichte

Der Abschied vom Biggesee…

 

… steht nach einem schönen Sommertag-Waldmarathon an. Nicht, dass es den Biggesee künftig nicht mehr gäbe. Nein, leider ist Abschied zu nehmen von einem schönen Marathon im Sauerland, liebevoll organisiert vom TV Attendorn um den ersten Vorsitzenden Andreas Ufer.

Warum ist mit der heutigen neunten Auflage Schluss?  In der Presseveröffentlichung wird auf die immer kleiner werdende Helferschar hingewiesen.  Dies scheint mir zunehmend ein Problem bei familiär organsierten Veranstaltungen zu sein. Daher bin ich gelegentlich auch mal als Helfer aktiv und lerne den Versorgungstisch von der anderen Seite kennen. Vielleicht auch eine Idee für Euch?

Andreas, selbst erfahrener Ultraläufer, ist zuletzt Réunion (160 km, knapp 10000 HM) gelaufen und weiß, was Marathonläufer brauchen. Und weil es ihm und seinem Team wichtig ist, diesen Ansprüchen auch gerecht zu werden, möchte er keine Kompromisse bei der Qualität eingehen. Dies ehrt ihn. Aber mal ehrlich: Sind wir nicht ziemlich verwöhnt? Können wir bei ehrenamtlich organisierten Veranstaltungen nicht ein paar Abstriche? Zumal das Startgeld meist ja sehr moderat ausfällt. In diesem Fall sind es  27 €.

 

Das Sauerland – Land der tausend Berge

 

Gezählt habe ich sie nicht, aber gefühlt passt es, denn immerhin hatten wir heute mehr als 900 Höhenmeter rauf und runter zu bewältigen. Das sind mehr als beim Rennsteigmarathon. Stichwort Rennsteig: Viele Teilnehmer geben sich als Rennsteigläufer oder Finisher eines namhaften Ultras zu erkennen. Man kann also von einem erfahrenen Läuferfeld ausgehen. Daher  herrscht vor dem Start auch eine total entspannte Atmosphäre.

Wir sind an einer Badestelle am Ufer des Biggesee. Diese wird gesichert durch einen DLRG-Posten, der heute als Startnummernausgabe dient. Ich bekomme eine Startnummer mit einem roten Punkt, das steht für Marathon. Daneben werden auch noch Halbmarathon und zwei kürzere Läufe angeboten. Andreas freut sich über die starke Nachfrage heute, macht sich aber Sorgen wegen der Parkplatzsituation. Ausweichparkplätze und ein Taxi-Shuttle sind für alle Fälle vorbereitet. Alles perfekt.

 

 

Als perfekt empfinde ich auch die kurzen Wege. Start und Ziel befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Startnummernausgabe. Wer noch  Lust hat, deckt sich mit Sportartikeln auf der kleinen Messe ein. Die meisten aber halten es wie ich, sitzen auf den Stufen vor der DLRG-Station und schauen verträumt auf den See. Vielleicht denken sie auch wie ich „Eigentlich könnte ich hier noch länger sitzen, oder im See baden, wozu Laufen bei 24 Grad im Schatten, Berge hoch und runter?“  So entspannt bekomme ich kaum mit, dass es langsam losgeht. Rolf gibt abschließende Hinweise zum Streckenverlauf und dann wird die letzte Auflage des Biggesee-Marathons gestartet.

 

Über den Buchhagen  zum Sonneberg

 

Das sind die Namen der ersten beiden Berge, die uns heute erwarten. Keine Berge im alpinen Sinne, die höchsten im Sauerland sind nur etwas über 800 Meter hoch und um Attendorn herum nur um die 500 Meter. Aber wer sagt, dass es hohe Berge für heftige Steigungen braucht? Eine solche erwartet uns bereits nach einem knappen Kilometer, den wir auf einer Straße entlang des Biggesees laufen. Der Biggesee ist übrigens ein Stausee.  Das Sauerland ist nicht nur das Land der tausend Berge, sondern auch das Land der Stauseen. Diese dienen vorrangig als Trinkwasserspeicher und auch zum Hochwasserschutz sowie zur Energieversorgung.

 

 

Vom Biggesee sehen wir außer bei Start und Ziel wenig, er ist eher attraktiver Namensgeber des Marathons. Den See verlassen wir an der Waldenburger Kapelle, einer Wallfahrtsstelle. Die Kapelle ist mehr als 300 Jahre alt, steht aber nicht mehr am Originalplatz, denn dieser wurde bei Errichtung der Biggetalsperre überflutet. Viel Platz um darüber nachzudenken verbleibt nicht, denn nun geht es in die erwähnte Steigung und ich muss sehen, dass ich am Feld dran bleibe. Nach etwa einem Kilometer haben wir die ersten 150 Höhenmeter „im Sack“. Von nun an geht es wellig weiter, mal durch dunkle Nadelwälder, mal durch lichte Laubwälder, meist auf breiten Forstwegen und manchmal auch auf Trails.

 

 

Nach  5 Kilometer erreichen wir die erste Versorgungsstelle, hier wird uns mit einem Akkordeon ein Ständchen gebracht. Ansonsten erwartet uns nur Wasser, das Angebot an den folgenden 8 Verpflegungsstellen ist mit Cola, Iso, Salzgebäck, Gummibärchen und Kuchen reichhaltiger. Nach der Versorgung beginnt ein schöner Single-Trail, an dessen Ende ich auf Peter auflaufe. Er fällt mir auf, weil er ein älteres Rennsteigshirt trägt und ich mich erinnere, dass dieses Shirt mich vor einigen Wochen am Rennsteig überholt hat. Tatsächlich, er war dort, allerdings nicht besonders gut trainiert, wie er meint. Peter ist Inhaber eines Weinlokales in der Nähe meines Wohnortes. Da bleibt ihm nicht viel Zeit fürs Training. Dennoch ist er heute, wie auch am Rennsteig, schneller als ich. Und das, obwohl  er schon in der M70 startet…

Einer der wenigen alten Holzwegweiser weist uns am Sonneberg den Weg zum Stausee zurück, wir folgen aber der ausgezeichneten Streckenmarkierung  aus weißen Bodenmarkierungen und roten Flatterbänden in die Gegenrichtung.

 

Über Feld und Flur

 

Es geht abwärts Richtung Dünschede am Waldrand entlang, was Ausblicke in die schöne Umgebung erlaubt. Auf den nun folgenden 10 Kilometern ist das Profil eher wellig, der  Wald meist weniger dicht. An einer Lichtung fällt mir Jürgen durch sein Trikot vom LC Duisburg auf. Die übliche Fachsimpelei über die absolvierten und geplanten Läufe endet mit seiner Empfehlung  für einen 50-Km-Laufes seines Vereins im Juli. Schon laufe ich auf Uwe auf, ebenfalls Rennsteigveteran. Er weist mich daraufhin, dass wir uns dort dieses Jahr begegneten. Ich erinnere, bei Km 45 war es.

Wir haben jetzt erst km 11 und erreichen bald die zweite Verpflegungsstelle. Danach  geht es noch einmal kurz knackig bergan und dann meist abfallend Richtung der Burg Schellenberg. Das Feld ist mittlerweile weit auseinandergezogen, lange Zeit sehe ich niemand mehr vor oder hinter mir. Also ein bisschen sputen, damit ich auch mal wieder Mitläufer auf meinen Fotos zeigen kann.  

Dies gelingt mir erst wieder an der Burg, wo die dritte Verpflegungsstelle nach 16 km auf uns wartet. Die Burg Schellenberg wurde schon im 13. Jahrhundert als Schutzburg für Attendorn erstellt. Und so wirkt sie auch, trutzig, fast ein wenig düster.  Heute ist sie ein Hotel, zuvor auch schon Jugendherberge, Landwirtschaftsdepot und Brauerei. Apropos Brauerei: Das Sauerland ist nicht nur das Land der Berge und Stauseen, sondern auch ein Land der Brauereien. Zum Beispiel ist der Sponsor eines bekannten Ruhrgebiet-Fußballvereins im Sauerland beheimatet. Der Kenner wird wissen, wen ich meine. Im Gegensatz zu anderen Läufen gibt es aber kein Bier an der Verpflegungsstelle. Muss aber auch nicht sein, jedenfalls nicht für mich.

 

 

Von der Burg Schellenberg, etwas oberhalb der Bigge gelegen, geht es durch einen kurzen steilabfallenden Waldweg, so dass Birgit und Ralf mit den Armen ausbalancieren müssen, hinunter an den Fluss. Diesen begleiten wir für einige Zeit, passieren dabei auf einer der wenigen Asphaltpassagen Attendorn, ohne viel von der Stadt mitzubekommen. Zeit ein wenig zu plaudern. Diesmal nicht über den Rennsteig, aber dafür über den Thüringen Ultra, ein 100Km-Lauf. Anscheinend ist hier niemand „normal“, alles Ultraverrückte. Birgit und Ralf sind streckenkundig und wissen bereits vom nächsten Anstieg zu berichten, einer etwas unangenehmen Serpentine. Kurz  danach erreichen wir die Trennung von Halbmarathon und Marathon. Links geht es noch einen Kilometer  zum Ziel, rechts liegen noch 22 vor uns. Diese führen uns zunächst unterhalb der Staumauer zum Attendorner Ortsteil Ewig. Ewig möchte hier nicht verbleiben, auch wenn es hier die nächste Verpflegung bei km 21 gibt, deren Betreuung Mitarbeiter der örtlichen JVA übernehmen.

Danach geht es wieder zunächst verhalten, dann kräftig, bergauf. Michael aus Uerdingen lässt es heute langsam angehen, denn in zwei Wochen will auch er am Thüringen Ultra teilnehmen. Was sonst soll man hier auch erwarten, verrückt. Verrückt zu sein scheint auch Frank, der trotz der gerade überwundenen Steigung noch Elan genug hat, einen Boxkampf mit Christian zu simulieren. Oder ist ihm die Hitze zu Kopf gestiegen?  Nein, er ist bei klarem Verstand und war überdies im Gegensatz zu mir so schlau, vor dem Start das Streckenprofil zu studieren. So kann er mir hier bei km 25 versprechen, dass uns ab km 29 kaum noch Steigungen erwarten. Aber erst einmal erwartet uns kurz danach die nächste Verpflegung, schattig am Waldrand ist es hier richtig gemütlich. So kann es nicht bleiben, denn es geht…

 

… auf die Höhe

 

Genau genommen nach Windhausen auf der Höhe führt uns der nächste Abschnitt. Marathonchef Andreas hat mich gewarnt, dieser Abschnitt bei km 28 sei der schwierigste, weil  steil und zu einem Zeitpunkt kommend, wenn man schon müde ist. Auch die Sonne könne zu schaffen machen.  Ich bin noch nicht müde und begegne Birgit und Martin, natürlich auch Rennsteigläufer. Mitten im Wald sehe ich plötzlich eine Holzfigur stehen - ist mir die Wärme nun zu Kopf gestiegen? Nein, die Figur ist real.

 

 

Dann ist die Anhöhe geschafft und es geht langsam abwärts. Im Gespräch mit Petar über meine orthopädischen Defizite vertieft (er ist vom Fach), vergesse ich fast, das Gefälle wieder zum schnelleren Laufen zu nutzen. Bei km 31 erreichen wir die nächste Verpflegung, und danach geht es schier endlos  durch ein schönes, bewaldetes Tal, immer leicht abwärts. Ich bin allein auf weiter Flur. Dann, wir haben km 35 erreicht, geht es ein letztes Mal richtig hoch, nach Beukenbeul. Der Name des Ortes klingt zwar komisch, aber die Leute an der dortigen Verpflegungsstation sind echt gut drauf.  Trommeln und ihre Anfeuerungsrufe „Wir wollen Euch laufen sehen“ sind schon von weitem zu hören. Ich will mir keine Blöße geben und falle, schon bevor die Verpflegung in Sicht kommt, vom Gehen wieder in den Laufschritt.

 

Finish

 

Es geht nun wellig meist abwärts, schon bald ist die Staumauer in der Ferne zu sehen und danach ist es ja nicht mehr weit. Wir durchqueren Neu-Listenohl. Wer auf der Landkarte nach Listenohl oder Alt-Listenohl sucht, wird nicht fündig werden. Warum? Weil Listenohl, 700 Jahre alt, dem Bau der Biggetalsperre weichen musste, ebenso wie die eingangs erwähnte Kapelle. Die Bewohner von Neu-Listenohl  bzw. die Helfer am dortigen letzten Verpflegungsstand sind aber deswegen nicht minder gut drauf.  Im Gegenteil, hier ist noch einmal richtig Stimmung, eine Handsirene ist schon von weitem  zu hören.

 

 

Ein letzter kleiner Anstieg zur Staumauer und das Ziel ist schon in Sichtweite. Dort angekommen erhalten wir unsere Medaille. In der Abendsonne sitzend schaue ich auf den See und lasse den Lauf Revue passieren. Wirklich schade, dass es ihn nun nicht mehr geben wird. Nach und nach kommen die letzten Läufer ins Ziel und dann ist wirklich Schluss.

Statt eine Dusche zu nehmen, schwimme ich im See, meine Badehose hatte ich vorsorglich einpackt. Auch Helgard und Josef kühlen ihre heiß gelaufenen Beine.
Nochmals danke an Andreas, Rolf und das gesamte Helferteam.  Ihr ward Spitze! Und vielleicht ist ja nicht für immer Schluss, denn Andreas meinte noch: „Wer weiß, ob wir nicht in ein paar Jahren  einmal eine Idee haben.“  Schön wär’s, meine sicher nicht nur ich.

 

Informationen: Biggesee Marathon
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