Katastrophengebiet auf 42 km, kein Handynetz, brechend volle Massagezelte, Gedränge an den Verpflegungsstationen. Der 1. Internationale Karlsruher Rotkreuz Marathon war 1983 Großübung für das DRK. Einsatztaktik, Funkverkehr und Versorgung sollten realitätsbezogen geübt werden. Das sagte damals die Presse: “Organisation - einfach Spitze”. Und heute? “Affengeil - einfach Spitze”, sage ich.
Das jährlich gewachsene Rahmenprogramm mit neuen Ideen garantiert Wachstumspotential. Akquise in Firmen und Sportclubs bringt junge Läufer.
Als ich vor drei Jahren vom Stadionsprecher mit voller Dröhnung im nahe gelegenen Hotel Rio geweckt wurde, war ich sehr noch sehr müde und kam auf den letzten Drücker in den später startenden Block. Schuld war der spendensammelde, barfüßige Rotschopf Pumukl. Der hat seine Ermüdung dieses Jahr und kann wegen des Bruchs nicht antreten, fliegt aber doch nach Athen und hofft auf eine Wunderheilung, um Freitag den Spartathlon zu rocken.
Heute also Sammlung für den Down-Syndrom-Laufclub 21 ohne Pumukl. Der Laufclub 21 wird vom m4y-Hero Anita Kinle geleitet, die in diesem Jahr allerdings nur eine Läuferin ins Rennen schickt, denn der Rest der Mannschaft nimmt am München Marathon teil.
Auswärtige Marathonis bekommen jede Woche von Anita eine Mail, dann wird über das Training gesprochen. Alle Sportler, die im Umkreis von 100 km wohnen, kommen jede Woche zum Lauftraining.
Immerhin sieben Minuten brauche ich aus dem ersten Block über die Startlinie, sieben witzige Minuten mit herrlichen Späßchen von Georg Schweitzer: “Nimm Schweitzer und fürchte dich nicht!” Die Dauerbrennbatterie mit goldenem Lorbeerkranz auf zwei Beinen geht weiter als wir! Einfach klasse, wie er sich über marathonale Handschuhträger lustig macht. Gell Ulrich!
Nach diesen sieben Minuten ist der Keniaexpress schon im Indianerviertel, der Südstadt, so genannt, seitdem Bill Cody bzw. Buffalo Bill mit seiner Wild-West-Show 1891 hier eine Indianermanie los trat. 1925 wurde am Werderplatz der “Indianerbrunnen” über einem unterirdischen Toilettenhäuschen gebaut, was die Einwohner der Südstadt nicht schmeichelhaft fanden. Auf der einen Seite ist das Gesicht eines Indianers aus dem Zirkus Krone, und auf der anderen das grinsende Gesicht des Architekten zu sehen.
Immer wieder führt die Kriegstrasse durch Unterführungen. Sie wurde für Napoleon gebaut, damit er bei seinen Ausflügen nach Deutschland nicht jedes Mal die Innenstadt verrandalieren musste. Das Lazarett (beherbergt nun das Bundesversorgungsamt) wurde 1815 gebaut, zwei Jahre nach Napoleons´ letzten Ausflug nach Leipzig.
Das Läuferfeld ist dichtgedrängt, dreimal mehr HM-Läufer als Marathonläufer, dazwischen die unruhigen Firmenstaffeln. Einen Firmenläufer erwischt es auch sogleich, kann ihn gerade noch an seiner Schlabberhose greifen und seinen Abflug verlangsamen.
Gerhard sagt später, die Strecke “ist absolut schön”. Außenstehende sehen vielleicht viel Beton, doch für uns Läufer ist dieser Teil genial, denn bis es ins Grüne geht, hat man eine gute Zeit auf den kurvenlosen Abschnitten hingelegt. Dann ist das Läuferfeld entspannt, weil ein Firmenläufer weniger. Ein dicker Arsch versperrt mir das Durchkommen, Breitensport einer anderen Dimension.
Ansonsten genieße ich das dichte Läuferfeld, der nächste Lauf wird ganz anders sein. Ralf schreibt mir: “Wenn es auf FB und m4y still um dich wird, dann folgt ein Kracher!” Ja, der Raidlight-Rucksack hängt schon über der Stuhllehne und füllt sich langsam mit Mittelchen gegen Infektionen, Durchfall und Kälte.
In Durlach der erste Stimmungshochpunkt. Viel zu schnell fetze ich hier durch, hänge noch am 3:59er Ballon. Für Fotos kaum Zeit, das Ausscheren aus dem Läuferfeld wäre zu riskant.
Der Typ vor mir hat ne Daune auf seinem Echthaartoupet aus Abflussresten. Ich mach mir vor Lachen (fast) in die Hose, wird er mit diesem zusätzlichen Ballast ins Ziel kommen? Oder sind es die Reste seines Marathonengels? Ab km 37 kann man sich von einem Marathonengel seiner Wahl ins Ziel begleiten lassen. Das kostet zwar 7 Euro extra, dafür darf das Engelchen aber auch mit unter die Dusche. Der gierige Typ hat sein Engelchen wohl schon ungeduscht vernascht.
Hier im Oberwald, nahe des Außengeheges des Karlsruher Zoos, gewinne ich lieber Abstand von diesem Daunenläufer.
In den ersten Jahren sprach man vom “Brückenmarathon“, man überquerte damals noch 12 Brücken, jetzt sind die Brücken zwar niedriger, aber gerade später an der Alb geht es hin und her, sodass es nun mehr als 12 Brücken sind.
Bei km 16 sind wir am Gut Scheibenhardt, ein Golfclub mit 1000jähriger Geschichte. Also Golf spielt man erst seit kurzem, davor war es ein Gutshof, dann Jagdschloss, dann Verteidigungslinie gegen die Franzosen (1701-14). Die Laufstrecke führt uns über den Verteidigungswall.
Ist Golf eigentlich Sport? Habt Ihr schon mal einen Bericht über das 16te Loch gelesen, oder gar ein Foto vom 16ten Loch gesehen? Ist das 17te Loch interessant? Jajaja, den Witz vom zweiten und dritten Loch kenn´ ich auch! Der ist gut.