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Laufberichte

Der Mai ist gekommen

23.03.14

Wie bescheuert muß man eigentlich sein, einen Marathonlauf auf einer 1.088 m-Runde zu absolvieren? Ziemlich, werden viele von Euch jetzt sagen, manche aber auch nur mit den Achseln zucken, da sie die 42,195 km schon wie ich weiland beim Karnevalsmarathon auf der 400 m-Bahn im Stadion zurückgelegt haben oder dort gar sechs Tage am Stück ums Oval gehechelt sind.

Wie immer ist doch alles relativ. Für mich ist das, 13 Tage vor dem Wiedtal-Ultratrail, nochmals eine ideale Gelegenheit, nur eine halbe Stunde von daheim entfernt einen optimal betreuten sehr langen Trainingslauf zu machen. Auch wenn ich als einziger Depp alleine laufe und alle anderen sich die Strecke als Staffel teilen.

Das Besondere an diesem Staffelmarathon ist die Wertung: Es gibt nur eine einzige. Jedes Team besteht aus max. sechs Teilnehmern, Bedingung ist die Beteiligung mindestens einer Frau und eines Kindes bis 15 Jahre zumindest als Startläufer(in). Nach einer kleinen Einführungsrunde von 891 Metern sind 38 „große“ Runden von je 1,088 km Länge je hälftig rund um den und im Kurpark in einer Maximalzeit von 4:00 Stunden zurückzulegen, da muß ich mich schon ranhalten. Der Erlös geht an drei karitative Einrichtungen, u. a. an die „Aktion Benny & Co.“, für die in der Vor-Osterwoche unter meiner etappenweisen Beteiligung wieder der Rheinsteig-Erlebnislauf stattfinden wird. 65 Staffeln treten heute hier an. Und ein einsamer Dödel. Dachte er, aber er ist nicht alleine, denn auch der Mai ist bereits im März gekommen, und zwar in Person von Christian Mai, dem gestandenen Marathonläufer vom SV Haldern. Gut so, denn geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid.

Eigentlich ist dieser Staffelmarathon gar nicht für Einzelläufer gedacht, aber die Organisatoren haben ein Herz und garantieren uns die Aufnahme in die Ergebnisliste. Und so gesellen sich zu den 65 Kindern am Start, welche lt. Reglement die Einführungsrunde absolvieren müssen, zwei etwas größere Nachwuchskünstler. Kreuz und quer durch den Park getrabt sind wir bald darauf wieder an Start und Ziel und biegen erstmals auf die große Runde ein. Die führt uns gleich aus dem Park auf den Bürgersteig parallel zur B9, der Hauptdurchgangsstraße von Bad Breisig. Gegen diese ist die Laufstrecke durch eine Reihe Lübecker Hütchen optisch abgesichert.

Nach guten hundert Metern biegen wir am historischen Templerhof von 1657 (Vorgängerbau bereits 1215 dokumentiert) links ab und verlieren einige wenige Höhenmeter auf dem Weg zum Rheinufer. Wiederum links abbiegend folgen wir dem abgesperrten Fuß- und Radweg für etwa 300 m, um die verlorenen Höhenmeter beim Abbiegen links in den Kurpark wieder zu gewinnen. Ein paar Wege kreuz und quer durch den Kurpark später sind wir erneut an Start und Ziel und beginnen das Laufvergnügen vor vorne.

Ungewohnt ist das fast ausschließliche überholt werden durch die natürlich schnelleren Staffeln. Das macht aber gar nichts, denn wir wissen ja, wo wir, Christian und ich,  hingehören. Schön gemeinschaftlich drehen wir Schulter an Schulter unsere Runden, bis uns erstmals der Durst packt. Für die gerade nicht laufenden Staffelläufer optimal plaziert, steht kurz hinter dem Start-/Zielbogen ein kleiner Pavillon, an dem Wasser & Co. ausgegeben werden. Für uns ist es natürlich ungünstig, wenn wir uns erstmal durch die Reihen der Wartenden kämpfen müssen, um dann festzustellen, daß die ausgebende Dame mit dem Einschenken nicht nachkommt und wir unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Nach zwei vergeblichen Versuchen klauen wir beim dritten Mal einem wartenden jungen Mann seine beiden Becher vor der Nase weg und ergreifen das Hasenpanier, bevor er sich wehren kann.

So drehen wir fröhlich unsere Runden und haben Gelegenheit, die ganze Bandbreite des deutschen Volkslaufsports zu beobachten: Beginnend bei Spitzenathleten, die anfangs radbegleitet fast doppelt so schnell unterwegs sind wie wir, über Durchschnittsläufer bis hin zum jüngsten Nachwuchs von Triathlonvereinen („TriKids“), die unsere Augen durch ihren wunderbaren, natürlichen Laufstil begeistern. Mit anfangs 7° C ist es gerade so erträglich, um nicht zu frieren, noch vor zwei Tagen hatten wir um diese Uhrzeit deren 24. Leider bläst uns just in dem Moment, wenn wir vom Rheinufer über drei Stufen und eine kleine Rampe wieder in den Kurpark abbiegen, ein strammer Wind entgegen, der von Runde zu Runde immer mehr zu spüren ist. Noch liegen wir beide trotzdem sehr gut in der Zeit, die am Ende unter vier Stunden liegen soll. Ein technischer Halt im Klohäuschen des Parks hält mich auf (es gibt leider kein unbeobachtetes Fleckchen entlang der Strecke), aber Christian ist ein Kamerad und wartet beim Wasserstand auf mich.

Nach 18 km zieht es uns trotzdem leicht auseinander, die km-Zeiten werden langsamer und noch hoffe ich, die Pace halten zu können. Schwierig ist es trotzdem, denn zum einen kosten die zahlreichen Kurven Kraft und vor allem der kleinkörnige Kiesbelag auf den Parkwegen läßt einen bei fast jedem Schritt etwas zurückrutschen. Bei Halbmarathon liege ich mit 1:58 Std. noch bestens, aber ich habe Bedenken. Am Wasser versuche ich mich nur noch einmal, greife mir statt dessen meine mitgebrachte Flasche mit Iso, die ich daneben auf dem Tisch mit den angebotenen Bananen deponiert habe, nehme diese dann eine Runde zum Trinken mit und stelle sie schließlich auf einem Mäuerchen ab. Die Kamera, die ich natürlich nur für ein paar Fotos brauchen kann, behalte ich nach Birgits Reinfall letztens beim 6-Stunden-Lauf (sie wurde gestohlen - die Kamera) besser am Mann. Letztes Jahr in Freiburg hatte ja auch unser Daniel seine eingebüßt.

Bass erstaunt nehme ich zur Kenntnis, daß die erste Staffel nach sagenhaften 2:03:24 Std. im Ziel ist, mir hingegen fallen die Schritte mit zunehmender Dauer schwerer, auch wenn ich beim Überlaufen der Zeitmessmatte immer wieder nett vom Sprecher angefeuert werde. Die Zeitmessung funktioniert übrigens elektronisch über einen am Staffelstab befestigten Transponder. Mit den beiden Einzelläufern hatte man Erbarmen, händigte uns diesen zum Befestigen am Schnürsenkel gegen 10 € Pfand aus und ersparte uns das Mitführen des Staffelstabs. Nach 23 km bricht immer wieder mal die Sonne heraus, wärmt Körper und Gemüt, was mich allerdings nicht davor rettet, die letzten acht km mit einer 6 am Beginn der km-Zeit zu absolvieren.

Etwas erstaunt bin ich, als man mir nach etwa 3:20 Std. signalisiert, nur noch fünf Runden laufen zu müssen, aber ich beschwere mich nicht und freue mich statt dessen, meinen Sohn Daniel und seine Freundin Kathrin als Fans an der Strecke begrüßen zu können, so komme ich sogar noch an ein paar Lauffotos. Nach 3:52 Std. ist der Marathonlauf dann für mich beendet (das erklärt wohl auch, ohne in Einzelheiten gehen zu wollen, die sensationelle Siegerzeit). Der dritte heute genannte Daniel, Sohn des Cheforganisators, bittet Christian und mich, zur Siegerehrung zu bleiben. Das ist wirklich ein netter Zug und so kommen wir nicht nur zu einem Foto mit der hübschen Brunnenkönigin, sondern auch zu je einem freien Eintritt in die Therme, die Christian angesichts 200 km Anfahrt dankenswerterweise an mich abtritt.

War es jetzt wirklich bescheuert, hier 39 Runden zu drehen? Nein, absolut nicht, die Ahrkreisstaffel über 42,195 km war wie immer bestens organisiert und erfüllte für mich Einzelkämpfer ihren Zweck als ganz langer Trainingslauf für den Wiedtal-Ultratrail über 65 km und 2.100 Höhenmeter in zwei Wochen, auf den ich mich jetzt schon freue.


Wettbewerb:
Staffellauf über die Marathonstrecke von 42,195 km. 5 Läufer/Läuferinnen pro Team plus ein Kind bis 15 Jahre als Startläufer(in). Ein Mitglied im Team muss eine Frau sein. Die Reihenfolge der Läufer(innen) ist beliebig. Jede(r) Läufer(in) kann beliebig oft und beliebig viele Runden absolvieren.
Start/Ziel:
Kurpark Bad Breisig
Strecke:
38 Runden á 1.088 m plus 1 Einführungsrunde von 851 m
Zeitmessung:
Mittels Transponders im Staffelstab
Wertungen:
(Nur) Eine Mannschaftswertung. Besondere Menschen kommen auch einzeln in die Wertung.
Auszeichnung/ Prämierung:
Urkunde, Geldpreise für die schnellsten drei Teams, Sachpreise für die Plätze 4-10, Medaillen für die Kinder (ein 54jähriges Kind bekam auch eine!)
Startgeld:
35 €
Verpflegung:
Wasser, Apfelschorle, Iso, Riegel, Bananen – davon überlebt man alleine auch 42 km

 

Informationen: Ahrkreisstaffel
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