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Laufberichte

Vier Tage, vier Marathons und mehr

06.10.13

Vier Tage, jeden Tag ein Marathon – das müsste doch zu machen sein. Vor allem die vorgeblich großzügigen Sollzeiten von 7,5 bis 9,5 Stunden ermunterten mich, dass ich das schaffen könnte, trotz meiner Zipperlein und des geringen Trainingsumfangs. Steigungen aufwärts würde ich wandern, abwärts laufen und nach fünf oder spätestens sechs Stunden wäre ich jeden Tag im Ziel. Wir werden sehen, ob diese Rechnung aufging.

Der Lauf sollte vorwiegend auf dem Saar-Hunsrück (SH) Fernwanderweg stattfinden. Den kannte ich von meiner Teilnahme am SH-Supertrail vor zwei Jahren. Ein sehr schöner Wanderweg, abwechslungsreich in abwechslungsreicher Landschaft. Im Gegensatz zu damals verlief dieser Lauf auf dem westlichen Teil des Wanderwegs, war also keine Wiederholung, sondern Neuland.

Wie die meisten (alle?) Teilnehmer reisten Angelika und ich am Vortag nach Trier in die Jugendherberge. Nach Begrüßung alter Bekannter, Startnummernübergabe und Abendesse ging es zum Schlafen ins 5-Bett-Zimmer.

Um 7.30 Uhr am nächsten Morgen gab es Frühstück und um 8.30 Uhr fuhren wir mit einem Bus nach Schengen. Schengen? Liegt in Luxemburg und ist bekannt durch das „Schengener Abkommen“, das 1985 den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen in Europa regelte. Na ja, Europa ist übertrieben, waren damals doch lediglich fünf Staaten mit dabei. Aber es war der Anfang des freien Grenzverkehrs in ganz Europa, so wie wir ihn heute kennen.

Am Moselufer, direkt am Europadenkmal, starteten wir. An diesem Tag sollten wir die ersten beiden Etappen des SH-Steigs bis nach Dreisbach im Saarland laufen. Das aber waren nur 34 Kilometer, also hieß es, noch irgendwo zusätzliche Kilometer zu machen. Bernhard Sesterheim, der Veranstalter, hat sich dazu eine zwei Kilometer lange Wendestrecke am Moselufer entlang ausgedacht, also starteten wir unsere ersten vier Kilometer auf einer flachen Strecke – sehr angenehm.

Wieder zurück am Europadenkmal ging es anschließend über den Fluss nach Perl, wo wir in den SH-Trail einstiegen und es gleich recht steil die Weinberge hoch ging. Noch ein letzter Blick hinunter auf Schengen und die Mosel und wir waren endgültig auf dem Trail. Übrigens - auf der Wendestrecke liefen wir auch kurz in Frankreich, so dass der Etappenlauf tatsächlich durch drei Länder führt!
Auf diesen ersten Kilometern hatte sich das Feld der 35 Teilnehmer bereits auseinander gezogen und ich war in einer 7er Gruppe am Ende des Feldes. Dies sollte bis ins Ziel so auch bleiben und womöglich auch an den folgenden drei Tagen?

Anfänglich waren wir immer wieder unsicher über den Verlauf des Trails. Das aber lag daran, dass wir weniger auf die Zeichen achteten, sondern uns mehr mit uns selbst beschäftigten, mit Reden, in die Landschaft und auf den Weg schauen. Die blau-grün-weißen Markierungszeichen des SH-Steigs wiesen aber immer zuverlässig den Weg, jede Richtungsänderung wurde mit Pfeilen angezeigt und sah man ein paar hundert Meter lang keine Zeichen, wusste man, dass man falsch war.

Die Strecke wasehr abwechslungsreich, man lief durch offene Landschaft, Felder, Wiesen, aber auch im Wald. Vor allem aber ging es ständig auf und ab. Es war ein fortwährender Wechsel zwischen schnellem Gehen und Joggen und als wir für die ersten 16 Kilometer knapp zweieinhalb Stunden gebraucht hatten, dämmerte es mir langsam, dass meine anfängliche Rechnung heute nicht aufgehen konnte. Von wegen fünf bis maximal sechs Stunden, wir würden länger brauchen. Vor allem waren manche Wege so, dass man auch abwärts nicht immer laufen konnte.

Wenigstens das Wetter aber hielt sich an die Vorhersage: teilweise sonnig, bis 19 Grad warm. Ideale Bedingungen also und wir waren daher auch in bester Stimmung. Auch die Verpflegung passte. Etwa alle 8-10 Kilometer kam eine Verpflegungsstelle, mit allem was man sich so wünschen konnte. Höhepunkt aber war jeden Tag das Wohnmobil von Jörg, der immer noch ein Extra hatte: Schmalzbrote, Kartoffeln, oder warme Suppe oder Kartoffelsalat. Da musste man aufpassen, dass man nicht zu viel Zeit dort verbrachte.

Etwa bei Kilometer 31 kam der obligatorische Fotostopp an der Panoramaplattform Cloef, von der aus man die Saarschleife bewundern konnte. Es folgte ein steiler der Abstieg bis hinunter nach Mettlach an der Saar, gleichzeitig Ende der zweiten Etappe des SH-Wanderwegs. Zum Marathon aber fehlten dort noch sieben Kilometer. Wie es der Zufall will, lag aber unsere Jugendherberge in Dreisbach genau diese sieben Kilometer weiter.

Von Mettlach aus ging es also der Saarschleife entlang. Vor knapp fünf Wochen bin ich hier den Saarschleifen Marathon gelaufen. Allerdings war ich damals flott unterwegs, nicht zu vergleichen mit meinem jetzigen Misch aus Laufen und Gehen. Zum schnellen Laufen hatte mich die bisherige Strecke viel zu sehr angestrengt und angesichts der folgenden drei Tage hielt ich mich auch bewusst zurück.

Mit 6:45 Stunden Laufzeit hatte ich dann meine Prognose weit verfehlt. Die knapp 800 Höhenmeter auf und ab, die teilweise anspruchsvollen Wege hatten eine bessere Zeit verhindert. Der Sieger dieses Tages war 4:06 Stunden unterwegs – eine schöne Leistung!

Abendessen, Übernachtung zu Dritt im Zimmer und Frühstück in der Jugendherberge waren bestens, so dass ich am nächsten Tag um 9 Uhr vollkommen optimistisch vor der Jugendherberge startete. Da die Strecke etwas länger sein sollte – 43 km waren angekündigt – würde ich heute wohl noch etwas mehr Zeit brauchen. Vor allem waren mehr Höhenmeter zu erwarten und die Strecke sollte etwas schwerer sein.

Es ging wieder die sieben Kilometer der Saar entlang zurück nach Mettlach, bekannt auch durch Villeroy & Boch. Der Hersteller von Keramikwaren hat hier seit über 200 Jahren seinen Stammsitz. Hier im Ort beginnt auch die 3. Etappe des SH-Steigs. Wir passierten das imposante Gebäude des Keramikherstellers, liefen durch die Fußgängerzone, durchquerten den Park des Schlosses Ziegelberg und schon ging es aufwärts. Ein letzter Blick zurück auf Fluss und Ort und schon waren wir wieder mitten in der Natur.

Es ging in Serpentinen heftig bergauf. Waren am Vortag die Wege immer wieder recht anspruchsvoll, heute steigerte sich das noch gewaltig. Viel Wald, wenig offene Landschaft und schmale Pfade bestimmten an diesem Tag das Vorwärtskommen. Bächlein wurden überquert, es ging auf Holzbohlen über sumpfige Stellen, man hüpfte auf Steinen durch Bäche, kletterte über Steine auf dem Losheimer Felsenweg auf und ab, vorbei an einer Römerburg, sprang zwischen den vielen Wurzeln auf weichem Tannennadelboden und immer wieder ging es auch durch Farnwiesen. Kurz, es war ursprünglich, urweltlich, teilweise abenteuerlich anmutend, anspruchsvoll, wunderschön, abwechslungsreich, anstrengend und - sehr zeitraubend, auch weil es ständig auf und ab ging. Zwar gab es keinen Anstieg, der länger als fünf bis zehn Minuten dauerte, aber viele solcher Anstiege summieren sich auch.

Drei Etappen des SH-Wanderwegs umfasste der heutige Tag. Außer den ersten sieben Kilometern lief man komplett auf dem Wanderweg. Unterwegs hatte ich mir eine Zeit von vielleicht acht Stunden oder etwas mehr ausgerechnet. Die Strecke ab Kilometer 32 aber bremste uns ziemlich aus, die Felsen-wege auf und ab hatten es in sich.

Im Ziel an der Jugendherberge in Weiskirchen standen dann 46 Kilometer, 1.400 Höhenmeter und 9:40h auf dem Garmin. Donnerwetter! Der Schnellste war an diesem Tag 4:38h unterwegs. Nochmals Donnerwetter!

Ausgerechnet heute übernachteten wir in der am wenigsten komfortablen Herberge: kleine Zimmer, wenige Toiletten und Duschen und die auch noch außerhalb des Zimmers. Aber die Verpflegung war gut, auch wenn manche stöhnten, als es schon wieder Spaghetti gab.

Nach dem Frühstück starteten wir um 9 Uhr. In der Nacht hatte es stark geregnet und auch jetzt noch regnete es, die Regenjacken waren heute gefragt. Wie jeden Tag war ich nach wenigen hundert Metern Letzter und schaute doch optimistisch voraus. Der Regen war nicht schlimm, mit vielleicht 15-17 Grad hatten wir angenehme Temperaturen und vor allem sollte heute die Strecke wieder kürzer und einfacher sein.

In der Tat, es war einfacher, auch wenn es diesmal noch mehr Höhenmeter als am Vortag waren. Aber der Untergrund war deutlich besser, stellenweise zwar matschig und rutschig, aber wir kamen trotzdem besser voran. Wieder dominierte der Wald, aber auch offenen Flächen erlaubten kräftesparendes Joggen.
Der Regen hatte bald nachgelassen, dann ganz aufgehört und kam immer nur ganz kurz zurück, bis es gegen Mittag gänzlich damit aufhörte. Immer wieder waren große Pfützen im Weg, die Füße waren bald nass, aber ich kam ganz gut vorwärts. Lediglich Steinchen, Holzstückchen und Tannennadeln in meinen Schuhen nötigten mich immer wieder zum Anhalten und Schuhe ausleeren. Im Gegensatz zu mir hatte Angelika Gamaschen an und daher keinerlei Probleme. Sowas will ich auch!

Die vorletzte Verpflegungsstelle lag an einem großen Biberbau. Die Nager hatten da einen imposanten See aufgestaut. Weiter ging es Richtung Hermeskeil. Die SH-Etappen 6 und 7 lagen schon hinter uns und Etappe 8 würden wir nach der Hälfte an der Jugendherberge in Hermeskeil beenden. Um trotzdem die notwendigen Kilometer für einen Marathon zu bekommen, hatte Bernhard ein Wendestück eingebaut. Leider war seine Wegbeschreibung, die man zu Beginn mit den Startunterlagen bekommen hatte, ziemlich unbrauchbar. Es kostete mich etwas Rätselraten, einen Anruf von unterwegs bei Bernhard, bis ich sicher war, dass wir noch richtig waren. Das Wendestück dann war ziemlich ätzend, weil ansteigend. Und wer läuft schon auf den letzten Kilometern gerne einen Umweg?
Egal, nach 7:50h, 1.500 Höhenmetern und 42,2 Kilometern waren wir im Ziel. Der Erste hat es in 4:13h geschafft! Unglücklicherweise hat sich Roland hier wenige Kilometer vor dem Ziel verlaufen und entnervt aufgegeben. Dabei lag er doch so aussichtsreich im Rennen.

Die Jugendherberge war erstklassig, es gab Reis zum Abendessen und wir hatten wieder Toilette und Dusche auf dem Zimmer.

Laut Plan mussten wir am letzten Tag 48 km laufen. Bereits beim Frühstück aber ging das Gerücht um, dass es auch bis zu 50 sein könnten. Ich nützte das Angebot und startete mit vier Mitstreiterinnen um 8.15 Uhr, 45 Minuten vor dem Feld. Eine weise Entscheidung!

Einen Großteil der Strecke des heutigen Tages kannte ich, war sie doch in weiten Teilen identisch mit Etappe 2 vom SH-Supertrail, den ich vor zwei Jahren gelaufen bin. Ein einfacher Weg, keine zeitraubenden Passagen und so kamen wir, trotz Regens, ganz gut voran. Es ging zurück zur Biberburg und von dort weiter Richtung Trier.

Nach 1:30h überholten uns die Ersten des Hauptfeldes und kurz vor 12.30 Uhr waren wir vier wieder am Ende des Feldes. Da hatte der Regen längst aufgehört, die Strecke war noch matschiger als am Vortag und meine Schuhe hatte ich auch bereits zig Mal ausgeleert.

Besonders schnell kamen wir nicht vorwärts, was aber an der Erschöpfung durch die Vortage lag und nicht an der Strecke. Die war leicht und locker zu laufen und nur wenige Passagen kosteten Zeit, weil es steil abwärts auf rutschigem Untergrund ging.

Im Gegensatz zu den Vortagen sollte es laut Wegbeschreibung heute fünf Verpflegungsstellen geben. Warum? Klar, heute waren ja sechs bis acht Kilometer mehr zu laufen!

Bevor wir aber den fünften VP erreichten, musste zuvor noch die elend lange Steigung ab Kilometer 36 überwunden werden. Auf gutem Weg ging es aufwärts und gegen alle bisherige Erfahrung auf dem Trail hörte diese „letzte knackige Steigung von ca. 3km“ nicht mehr auf. Eine halbe Stunde dauerte es, bis wir oben waren und es zum Ziel nur noch abwärts gehen würde.

Am VP5, bei km 48,2 dann der Schock: noch 7,1 km bis ins Ziel! Das wären dann ja für diesen Tag 55 Kilometer! Weiß der Teufel, wo Bernhard diese 7,1 Kilometer „gefunden“ hat und wann sie ihm „begegnet“ sind? Egal, jammern half nicht, wir machten uns auf die Socken. Im Ziel standen dann 55,3 km, 1.400 Höhenmeter und 10:05h auf dem Garmin. Wer hätte das gedacht!

Wir waren trotzdem glücklich und froh, die vier Tage überstanden zu haben. Drei Marathons hatten Angelika und ich in den Wochen vor dem Lauf zur Vorbereitung gemacht – zu wenig! Wir waren also sehr zufrieden, auch die Platzierung am Ende der Ergebnisliste konnte unsere Freude nicht dämpfen. Die Rechnung vom Anfang war zwar nicht aufgegangen, aber es war auch so ok.

Anerkennung und Bewunderung aber gebührt Sigrid Eichner, die mit Jahrgang 1940 älteste Teilnehmerin war. Stets war sie uns auf den Fersen und musste nur zwei Mal beim „Endspurt“ ein paar Minuten zurück bleiben.

Eine letzte Nacht blieben wir noch in der Jugendherberge, bis es dann nach dem Frühstück nach Hause ging.

Neben der schönen Strecke werden mir unsere Verpflegungsposten in Erinnerung bleiben, die jeden Tag geduldig ausharrten und auch uns Letzte noch mit dem vollen Programm „bedienten“. Vielen Dank!

Wenn Bernhard noch ein paar Kleinigkeiten verbessert, dann ist dieser Etappenlauf perfekt: Vernünftige Wegebeschreibung mit Kilometerangaben und Höhenprofil, ehrliche Entfernungsangaben, Start der langsameren Läufer eine Stunde früher. Der Saar-Hunsrück-Steig selbst ist unschlagbar in seiner Vielfalt und Schönheit und der perfekten Beschilderung.

 

Informationen: 3-Länder-Trail auf dem Saar-Hunsrück-Steig
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