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Laufberichte

Babbo Natale lässt grüßen

20.12.15 Pisa Marathon
 

Die Large Street Band tritt am heutigen Sonntag übrigens in Finale Emilia auf, bei der Camminata dei Babbi Natale, einem weiteren Nikolauslauf. Hätte man die Jungs samt den anderen Bands und Dudelsackspielern doch gleich in Pisa behalten, um Stimmung zu machen! So wird es heute ein recht dezenter Lauf. Da muss der zehntgrößte italienische Marathon noch aufholen!

An das Arno-Ufer gequetscht hat man vor über hundert Jahren die mittelalterliche Chiesa di S. Maria della Spina (Dornenkirche), um sie vor Hochwasser zu schützen. Auch in diesem Jahr ist sie wegen Renovierung geschlossen.

Nach einer kleinen Schleife durch das Viertel San Antonio geht es an der Chiesa San Paolo a Ripa d'Arno vorbei, um die gut erhaltene Stadtmauer durch die Porta Mare zu verlassen. Mare klingt gut: Das bedeutet bekanntlich Meer, und da wollen wir hin.

Unter der Via Aurelia (SS1) hindurch, die von Rom bis zur französischen Grenze bei Ventimiglia führt, verlassen wir bei Kilometer 5,5 des Marathons die Stadt Pisa und schwenken in eine lange, von Eigenheimen gesäumte Straße. Nur ganz wenige Zuschauer stehen vor ihren Häusern. Und das, obwohl es doch inzwischen so schön sonnig geworden ist. Für mich also die Gelegenheit, mir einiges an Fotoarbeit zu sparen und mich zu den Vier-Stunden-Pacemakern vorzuarbeiten, wo ich auch Judith vermute. Viele Teilnehmer haben Armwärmer mit Pisa-Aufdruck. So etwas hätte ich auch gerne.

Wir laufen heute mit Champion-Chip und bei der Zeitmessung bei Kilometer 10 habe ich Judith und die Pacemaker eingeholt. Weitere Zeitmessungen gibt es bei 21,1 sowie 30 Kilometern und natürlich im Ziel.

Die Basilica di San Piero a Grado erreichen wir nach der Überquerung der Autobahn. Hier soll im Jahre 44 der heilige Petrus erstmals italienischen Boden betreten haben. Die Kirche aus dem 10. und 11. Jahrhundert wäre wegen ihrer Fresken sicher auch noch einen Besuch wert. Als Fundamente wurden die Hafenmauern aus römischer Zeit verwendet. Damals war hier noch eine Lagune. Wir umrunden die Kirche und ich frage mich, wann die Toilettenanlage im Feld wohl genutzt wird. Am anderen Ende der Kirche erkennt man einen kurzen Turmstumpf. Der Campanile aus dem 12. Jahrhundert wurde von der deutschen Wehrmacht beim Rückzug im Jahr 1944 gesprengt.

Der Marathon ist, abgesehen von den Brücken und zwei Unterführungen, als sehr flach zu bezeichnen, da Pisa nur 4 Meter über dem Meer liegt.

Kurz vor Kilometer 13 beginnen die Hinweise auf die Trennung der Strecken für Marathonis und Halbmarathonis. Viele Posten achten darauf, dass niemand sich verläuft. Vorbildlich.

Ich freue mich schon auf eine Auflockerung der Teilnehmergruppen, besonders die beiden Radfahrer werden dann mehr Platz zum Abstandhalten haben.

Die folgenden Kilometer sind wunderbar: Es geht durch grüne Felder. Als ich mich für ein Foto umdrehe, sehe ich in der Ferne die ersten Gipfel des Apennins. Weiter Richtung Norden gibt es Skigebiete auf 1.800 Metern Höhe, die aus dem Flugzeug sogar verschneit wirkten. Ansonsten hat man in Italien zurzeit aber unter der Trockenheit zu leiden. Die Feinstaubbelastung führt im relativ nahen Rom zu Fahrverboten. Davon spürt man hier nichts.

Kanäle durchziehen die Felder, dann geht es in ausgedehnte Pinienwälder. Die Sonnenstrahlen fallen durch lichte Stellen auf die Läuferschar. Ich habe gelesen, dass die Mittelmeerpinie botanisch nichts wirklich Besonderes ist, vergleichbar unseren Kiefern- und Fichtenwäldern. Aber daheim gibt es halt keine Pinienwälder und daher genieße ich diese Umgebung sehr. An einigen schattigen Stellen wirkt der Boden wie von Reif bedeckt.

Wir kommen an einem Militärgelände vorbei. Das CISAM (Centro Interforze Studi per le Applicazioni Militari) testet hier wohl Militärgerät. Das scheint aber die Natur nicht weiter zu stören, denn oft werden die Autofahrer vor Wildwechsel gewarnt.

Das Ortsschild von Tirrenia kündigt das Meer an. Auf der Küstenstraße geht es Richtung Süden. Links von uns liegen Villen im Wald. Rechts geht es zu den Bagni (Bädern). Dort gibt es wohl schöne, breite Sandstrände mit allem, was der erholungssuchende Italiener benötigt. Die Eingangsportale künden von Badeanstalten mit langer Tradition.

Mich beschäftigen die entgegenkommenden Läufer: Auf den Startnummern sind auch die Nationalfahnen abgedruckt. Mal sehen, welche Länder ich erkenne, soweit die tiefstehende Sonne das zulässt.

Hinter dem unauffälligen Ortszentrum mit einigen Zuschauern und etwas Anfeuerung kommt bald der Halbmarathonpunkt, einen Kilometer weiter die Wendestelle. Hätten wir die Richtung noch ein Weilchen beibehalten, wären wir in der Hafenstadt Livorno gelandet. Die Begegnungsstrecke ist immerhin 3,5 Kilometer lang. Dank des großzügigen Zielschlusses nach 6,5 Stunden sieht man auch 7 Kilometer hinter uns noch etliche Mitstreiter.

Der Streifen zwischen Meer und Straße wird immer schmaler und kurz vor Marina di Pisa stößt unsere Straße direkt aufs Meer, oder eher das Meer an die Straße. Strahlend blaues Wasser trifft auf ebensolchen Himmel. Und kein Windhauch ist zu spüren. Nach der immer größer werdenden Küstenverbauung kann es hier auch ganz anders zur Sache gehen.

Unsere Pacemaker Arrigo und Marco sind wirklich eine Wucht. Wir werden bestens unterhalten, Spaziergänger und Besucher vor den Bars werden aufgefordert, uns zu applaudieren. Und ich lerne mal wieder etwas Italienisch: „Sosta tecnica“, also „technische Pause“. Eine solche mache ich jetzt einfach auch mal - mit Blick auf das Meer. Ansonsten könnte man auch die Häuschen bei den Verpflegungsstellen nutzen. Letztere sind, wie in Italien üblich, fast metergenau alle 5 Kilometer aufgebaut. Mit Wasser (auch in Flaschen), Iso, Tee, Bananen, Orangen, Keksen. Dazwischen gibt es noch Stellen mit Schwämmen.

Marina di Pisa entstand Mitte des 19. Jahrhunderts mit großzügigen Straßenanlagen und Jugendstilvillen. Irgendwie wirkt dieser Ort ganz anders als die vielen Badeorte an der Adria aus den 1960er Jahren. Auch gibt es an dieser Meerespromenade fast keine Pflanzen oder Bäume. Eine eigenartige Atmosphäre und damit natürlich sehenswert.

Nun taucht ein Trödelmarkt auf. Wir drehen davor nach rechts landeinwärts. Einigen Marktbesuchern rufe ich „Che bel paese“ (was für ein schönes Land) und „Bella Italia“. Keine Reaktion.

Ab Kilometer 31 geht es jetzt am Lungarno Gabriele D'Annunzio entlang Richtung Pisa. Der italienische Poet Gabriele D'Annunzio liebte diese Gegend. Man nimmt an, dass er hier sein berühmtes Gedicht „La Pioggia nel Pineto“ (Regen im Pinienwald) schrieb. Nicht, dass ich das kenne, aber als Freund der Pinienwälder sollte ich es vielleicht doch mal lesen.

Eine lange Autoschlange hat sich auf der Gegenspur Richtung Meer gebildet. Bei ausgeschaltetem Motor harrt man der Dinge. Einige Kinder winken uns aus den Autos zu. Vom Fluss selbst sehen wir nichts, aber die Masten der vielen Segelboote, die hier am Ufer überwintern. Bei Kilometer 34 treffen wir auf den früheren Halbmarathon-Wendepunkt.

Unsere Pacemaker versuchen die Gruppe zusammenzuhalten. Kilometer 36: Nur noch drei Kilometer bis zur Stadtgrenze, erfahren wir von ihnen. Das zieht sich schon ein bisschen. Kilometer 40: Verpflegungsstelle. Man kann die Stadtmauer von Pisa sehen. Die Arnobrücke Ponte della Cittadella fühlt sich sehr hoch an. Über die Via Roma, deren Name mehr verspricht als die Straße dann hält, geht es dem Ziel entgegen. Noch eine kleine Häuserschleife. Rechts der älteste Botanische Garten Italiens, vor uns der Dom und die Spitze des Schiefen Turms. Die Piazza del Duomo und gleich danach auch das Ziel sind erreicht.

Es gibt eine sehr schöne Medaille, Getränke – kein Bier, das haben sich wohl einige Sportsfreunde selbst mitgebracht – und Gebäck. Italienische Marathonis halten sich sowieso nie lange im Zielraum auf. Duschen könnte man auf dem Sportgelände.

Die Österreicherin Karin Freitag belegt mit 2:42:56 bei den Frauen den ersten Platz, 30 Sekunden über ihrer persönlichen Bestzeit. Im Ziel außerdem 14 weitere Österreicher, 4 Schweizer und 35 Deutsche. Gleich vier Berliner befinden sich unter den schnellsten fünf Deutschen.

Piazza dei Miracoli - Platz der Wunder nannte Gabriele D'Annunzio das Ensemble aus Dom, Baptisterium und Campanile. Man muss wirklich einmal mit eigenen Augen gesehen haben, wie hier im Mittelalter etwas ganz Neues geschaffen wurde. Und wie wenig man anscheinend von dem sandigen Baugrund wusste, der diesen einzigartigen, runden Glockenturm schon zur Bauzeit zum Neigen brachte und weltberühmt machte. Das Betreten der Wiese ist unter Strafe verboten, somit auch ein malerisches Ausruhen vor dem Schiefen Turm.

Viele kommen nur für einen kurzen Besuch auf diesen wunderbaren Platz. Judith und ich waren in den drei Tagen unserer Reise fünfmal hier - auch weil Pisa nicht so riesig ist und es hier viele Lokale gibt. Außerdem kann man sich als Wochenendreisender die Zeit nehmen, eine typische toskanische Stadt ohne Touristen in den Gassen der Altstadt zu erleben und die Sitten der italienischen Weihnachtszeit kennenzulernen: Wir haben dieses Jahr keinen einzigen Adventskranz gesehen.

Auch diesmal kann ich mich nicht überwinden, für die Besteigung des Turms 18 Euro zu berappen. Ich komme sicher noch mal zu diesem schönen Marathon und dann....

Gewinner

1    SBAAI YOUSSEF            MAR 2:15:23    
2    KIPKORIR MUTAI JOHN     KEN 2:19:15    
3    BUCCILLI CARMINE        ITA 2:19:16

1    FREITAG KARIN            AUT 2:42:56    
2    STAICU SIMONA            HUN 2:44:31    
3    FERRU ROBERTA            ITA 2:48:53

    
 

 

 

 

 

 

 

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Informationen: Pisa Marathon
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