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Laufberichte

Beinhart - und wunderbar

23.06.12

 
Hinauf in luftige Höhen

 

Wie man so schön sagt: Jetzt geht’s zur Sache. Der erste von drei Ausflügen in hochalpine Regionen, sprich über die 2.000 m-Grenze hinaus, steht auf unserem Trail bevor.

Der breite Spazierweg wird abgelöst von einem schmalen Trampelpfad, der sich zunächst steil und in vielen Windungen den Hang empor schraubt. Dann, auf einmal, wird am Horizont auf einem Berggrat bereits unser erstes Zwischenziel jenseits der 2000-er-Marke erkennbar: das Feldernjöchl. Es macht allerdings im ersten Moment nicht allzu viel Mut, wenn man aus der Ferne den langen, fast wie mit dem Lineal gezogenen Weg dorthin betrachtet, auf dem sich die schon recht löchrige Läuferkarawane ameisenklein im Schritttempo empor müht.

Doch der Weg durch die Bergeinsamkeit ist dann doch sehr viel abwechslungsreicher als gedacht. Die Vegetation wird karger, nurmehr niedrige Krüppelkiefern haben in den höheren Lagen inmitten der Grasmatten ein Auskommen. Nackter Fels und Schnee rücken näher, auch die Wolkendecke, die die Berggipfel umhüllt. Und: es wird merklich kühler, was den Anstieg allerdings erleichtert. Konzentrieren muss man sich, nicht an einem der vielen steinigen Stolperfallen hängen zu bleiben oder beim Queren eines Bachs im Wasser zu landen. Die letzten Meter führen durch pures Geröll. Und dann stehen wir auf einmal oben am Grat, nach 32,3 km auf 2.045 m üNN .

Wunderbar ist der Blick zurück ins tief unter uns liegende, noch im Sonnenschein leuchtende Gaistal. Ganz anders ist die Perspektive in die andere Richtung: Steil stürzt der Weg hinab, hinein in die Wolkensuppe, in der nur schemenhaft eine fast vegetationslose Geröllwüste erkennbar ist. Mit einem Warnschild gemahnt der Veranstalter zu besonderer Vorsicht.

Die folgenden hochalpinen Kilometer gehören ohne Zweifel zu den spannendsten, die der Trail zu bieten hat. Unser Pfad führt mitten durch die geröllbeladene Bergflanke und passiert dabei einige sommerresistente Schneefelder, auf denen wir unseren Gleichgewichtssinn schulen dürfen. Ich bin nicht der Einzige, der mit Schwung auf dem Hintern landet. Die Wolken reißen auf und eröffnen uns den Blick in ein Seitental, das so einsam und karg wirkt, als wären wir in Alaska oder sonstwo in der nördlichen Wildnis. Würden wir dem Pfad weiter folgen, so würde er uns über die Stationen Gatterl, Knorrhütte und Sonnalpin auch ohne klettertechnische Fertigkeiten bis auf den Zugspitzgipfel führen. Aber der ist heute nicht unser Ziel. Wir folgen einem anderen Weg, der uns über einen grasbewachsenen Felsgrat bis fast auf 2.200 m üNN, den höchsten Punkt unserer Strecke, bringt. Von der Umgebung bekommen wir zeitweise nur wenig mit, da erneut die Wolken über uns schwappen. Nur wenige Meter beträgt bisweilen die Sicht, was den Blick in den Abgrund noch etwas unheimlicher macht.

Das ändert sich glücklicherweise wieder jenseits des Kulminanationspunkts. Der felsige Pfad stürzt weit verzweigt den Abhang hinab. Die Wolken reißen auf und erneut breitet sich eine Bergkulisse voll wilder, einfacher Schönheit vor uns aus. In vielen Schattierungen hebt sich das Grün der spärlichen Natur vom Felsengrau ab, vor allem, wenn die Sonne ihre Leuchtkraft ins Spiel bringt. Wie im Urzustand, vom Menschen unberührt, wirkt die Landschaft.

Ein größeres Schneefeld auf dem Weg nach unten lässt sich nur auf dem Hintern rutschend bezwingen. Gerade noch gelingt es mir, vor der Ankunft auf der harten Realität der Steine den Schwung zu bremsen. Eine nasse, eiskalte Hose erinnert mich noch länger an diesen Trip. Aber meinen Mitläufern ergeht es nicht anders. Und das Lachen und Juchzen, das durch die Stille schallt, zeugt von einem durchaus erhöhten Spaßfaktor bei diesem Unterfangen. 

Und weiter geht es hinab, tiefer und tiefer, vorbei am Steinernen Hüttl auf 1.925 m üNN, bis es nicht mehr tiefer geht.  Ein Wildbach rauscht durch die Talsohle. Von Stein zu Stein hüpfend ist die Querung allerdings kein Problem. Mühseliger ist da schon der erneute heftige Anstieg, den unser Pfad in zahllosen Serpentinen den von dichtem Gras und niederem Nadelgehölz bewachsenen Hang empor vollführt und der uns erneut weit über die 2.000 m hinaus bringt. Immer wieder bleibe ich stehen, nicht nur um Luft zu holen, sondern um das einmailige Panorama mit Blicken und meiner Kamera einzufangen.

Etwa bei km 37 ist die letzte Passhöhe unseres ersten Ausflugs in die Hochgebirgsregion geschafft und ich trete nach kurzer Verschnaufpause - fürs Erste - endgültig den Rückzug in die Tiefe an. Bis hierin haben wir immerhin schon ziemlich genau die Hälfte der positiven Höhenmeter unseres Rundkurses geschafft. Das motiviert. Doch die Höhenmeter, die es hinab geht, unterschätzt man leicht, denn sie belasten die Muskulatur letztlich mehr als die Anstiege. Mit Hilfe der Bergstöcke versuche ich zu retten, was zu retten ist. Aber ich ahne schon: Diese Passage vergessen meine Beine nicht so schnell.  

Bei der Rotmoosalm (1.904 m üNN) sind wir sozusagen zurück in der Zivilisation. Hier endet der Bergpfad und unser Weg setzt sich über eine Forststraße fort. Und hier verlassen wir auch die karge Weite des Hochgebirges und tauchen ein in dichten Nadelwald.

Fast exakt am Marathonpunkt erreichen wir die Hämmermoosalm (1.417 m üNN) und damit die sehnlichst erwartete vierte Verpflegungsstation. Es ist 15.45 Uhr und ich darf feststellen, dass mein Zeitpolster bis zum Zeitlimit um 18 Uhr ein durchaus komfortables ist. So lasse ich mir Zeit und futtere mich durch das Sortiment. Erstmals ist auch heiße Brühe dabei und ich hoffe, dass die mir die Kraft für das gibt, was nun vor mir liegt. 

 
 

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