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Laufberichte

Gegen die Uhr in Winterthur

 

Für die paar Kilometer von Vorarlberg nach Winterthur eine Schweizer Jahresvignette kaufen, um die Autobahn benützen zu dürfen? Sicher nicht! Auch wenn deren Preis seit Jahrzehnten unverändert ist und daher relativ niedrig. Diesmal komme ich mit der Bahn. 

Ich bin schon unzählige Male in Winterthur durchgefahren. Unten durch, um genau zu sein. Die Schweizer durchlöchern gerne ihre Berge, so habe ich in den letzten Jahren von der Stadt bisher in erster Linie Autobahnausfahrtsschilder gesehen. Das ändert sich nun.

Der Wetterbericht ist gut, und diesmal hat er recht. Samstag am Nachmittag hole ich mir meine Startnummer, da ist kaum etwas los. Richtig los ist was am Sonntag früh, da kann auch noch nachgemeldet werden. Eine kleine Marathonmesse gibt es auch. Die Stimmung ist gut, das Wetter prächtig. Viele verschiedene Distanzen werden heute angeboten. Den Beginn machen wir 200 Marathonis. Vater und Sohn sind am Start, ein Silbernes Hochzeitspaar, relativ viele Frauen und Daniel, der während des Marathons mit drei Bällen jongliert. Um 09h00 geht es los, angefeuert von den Halbmarathonis und den Startläufern der 5er-Staffeln, diese müssen sich noch ein paar Minuten gedulden.

Gleich geht es wellig los, bald sind wir am Stadtrand, bis 12h ist die Straße gesperrt, denn bis km23 brauchen wir sie. Nach einem kurzen Gefällestück geht es rein in den Wald, noch auf Asphalt, aber die Wurzeln würden gerne durchkommen. An Kleingärten vorbei laufen wir nun im Wald, an einem Sportplatz vorbei, wo es schon nach 4km den ersten Versorgungsposten gibt. Alle helfen mit, so jung können sie gar nicht sein.

Töss – der Tosende - heißt der Fluss, den wir heute noch öfters und länger zu sehen und hören bekommen werden. An einer Brücke die ersten Zuschauer, taktisch klug gewählt, hier kommen wir nach weiteren 4km abermals vorbei. Da ist auch ein kurzes Begegnungsstück.

Nach 5km ist es zu Ende mit dem Asphalt, auf einer Forststraße geht es flussaufwärts weiter. Schatten ist doch der beste Sonnenschutz. Kühl ist es hier auch noch, obwohl heute endlich Sommer ist. Daniel jongliert seine drei Bälle. Wie er mir erzählt, macht er das relativ oft, einmal sogar 106km weit. Eine Leistung für das Guinness-Buch der Rekorde, der Antrag läuft.

Bei der ersten Zeitkontrolle laufe ich im Pulk, sodass ich das Piepsen meines Transponders nicht heraus hören kann. Das ist mein Albtraum: Einen Marathon gelaufen zu sein und der Chip hat nicht funktioniert. Das ist mir schon einmal passiert, da war es zum Glück aber ein Staffelbewerb. Es gibt auch Transponder, die piepsen nicht und sie funktionieren dennoch.

Dann die Wende, von der Forststraße geht es rechts runter, unmittelbar ans Ufer, nun flussabwärts. Die Töss rauscht, über viele kleine Wehren fließt das Wasser Richtung Rhein. „Stolpergefahr“ steht auf dem Schild, herausragende Wurzeln sind der Grund. Zwei solcher Stellen werden mit dicken Brettern überbrückt. Fest zusammen gezimmert schwingen die angenehm nach. Ausflügler sind hier, meist mit kleinen Kindern und Fischer. Eine Anglerin feuert uns mittels Megaphon an. Ja, so macht fischen gehen Spaß. Ihr Lagerfeuer nebelt kurz die Strecke ein. Am Brückenkopf einer überdachten Holzbrücke warten die Staffelläufer, um vom Startläufer zu übernehmen, ein paar Höhenmeter sind es auch wieder. Dann kurz und steil wieder rauf auf die Straße von vorhin und links auf die Brücke über den Fluss. „Tipp-topp!“, bekomme ich zu hören.

Die Staffelläufer erkennt man, auch ohne ihre Startnummer sehen zu können. Sie sind um 7km frischer. Fans an der Strecke gibt es wenige, diese sparen aber nicht mit aufmunternden Worten. Nach 56min bin ich bei km10, da gibt es schöne rote Rosen im nächstgelegenen Schrebergarten. Gestern flatterten hier viele Schweizer Fahnen, wie ich vom Zug aus gesehen habe. Aber nicht nur, auch Portugiesen, Kroaten und Slowaken zeigten Flagge. Heute ist es fast windstill, da flattert nichts.

Gerhard freut sich darauf, morgen meinen Bericht zu lesen. Morgen wird es damit noch nichts, der Bericht muss ja erst verfasst werden. Eine provisorische Ausweichstrecke, aus demselben Holz wie die Wurzelübergänge. Der Standardweg über ein einmündendes Bächlein wäre für den heutigen Andrang jedenfalls zu schmal, gut gelöst. Links der Fluss, rechts Felder und die Eisenbahn, über uns die Sonne. Nun geht es eine Weile schnurgerade am bekiesten Damm dahin, Tendenz ansteigend.    

Vom Dammweg wechseln wir auf eine Forststraße. Wieder eine lange, bestens bestücke Labestelle. Jede Helferin ruft laut, was sie anzubieten hat. Mit Wasser fängt es an, Iso, Bananen, Powerriegel die wegen der Temperatur nicht steinhart sind, sogar Iso-Gel gibt es. Alles, was das Läuferherz begehren könnte.

Die Straße steigt leicht an, die groben Kieselsteine massieren meine Fußsohlen. Ich bin froh, mich für ziemlich neue Schuhe entschieden zu haben, die haben noch eine dicke Sohle. Trailschuhe wären eine Idee, denn ein City-Marathon ist der Winterthur-Marathon definitiv keiner. Start und Ziel in der Stadt, ansonsten aber Wald und Gelände.

Die Straßenoberfläche wölbt sich zusehends, die Mitte mit losen Steinen ist am höchsten, die beiden Fahrspuren hängen nach außen. Ein Radfahrer überholt mich, ich möge doch bitte rechts laufen. Da brausen schon zwei Schwarze heran, die Führenden des Halbmarathons. Für mich unerwartet: sie sprechen schweizerisch!

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Informationen: Winterthur Marathon
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