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Laufberichte

Sightseeing im Venedig des Nordens

 

Als passionierter Kreuzfahrer reise ich mit dem Schiff in die einstige Residenzstadt des russischen Zaren, die Peter der Große 1703 an der Mündung der Newa am Finnischen Meerbusen erbauen ließ. Mein Hauptinteresse gilt diesmal nicht wie in früheren Jahren den vielen prunkvollen Bauwerken im Zentrum und außerhalb der 5-Millionenstadt (die inzwischen zum Unesco Weltkulturerbe gehören), sondern dem 25. Jubiläumsmarathon, der traditionell Ende Juni, wenn es lange hell ist, stattfindet.

Während der Überfahrt über das Baltische Meer beträgt die Lufttemperatur außen nur 11 Grad C. Das Meer ist glatt, es weht kaum eine Brise. Der für die Liegestühle am Deck verantwortliche Philippino erzählt mir, dass es letzte Woche stark geregnet habe und das Wetter jetzt als gut zu bezeichnen sei. Mir ist trotz dieser Meldung weiter kalt, in Wien hatte es bei der Abreise 28 Grad. Die für Notfälle eingepackte Fleeceweste trage ich nun fast rund um die Uhr. 

Mein Reisegepäck habe ich ganz auf den Marathon ausgerichtet. Die Sportsachen, die man für ein Rennen so mitnimmt, wiegen nicht viel, sieht man von meinen Laufschuhen in Größe 13 ab, die das Gewicht erhöhen. Den Stopp in Helsinki nutze ich und kaufe mir ein Langarmshirt, für alle Fälle, man weiß ja nie. Laut Wetterbericht könnte es am Sonntag regnen.

Wir kommen am 28. Juni in St. Petersburg an. Mein 2-tägiges Touristenvisum habe ich mir in Wien besorgt, wofür viele Wege nötig waren. Wer keinen Reiseveranstalter beanspruchen möchte,  benötigt zuerst eine fixe Hotelbuchung. Doch die alleine reicht nicht aus, für das Visum bedarf es einer kostenpflichtigen Extraregistrierung mit PIN-Code, die zumeist das Hotel als Service mitübernimmt. Beim elektronisch auszufüllenden Visaantrag über die Konsulatsseite sind dann die genaue Daten einzutragen, man darf keinen Tag länger bleiben als angegeben. Das Visum selbst wird nicht bei der russischen Botschaft, sondern am besten über eine Agentur eingebracht, die es weiterleitet. Man wartet ca. eine Woche, ein Express-Visa dauert nur einige Tage, kostet aber mehr. Mit ca. 100 Euro muss man für ein einfaches Touristenvisum rechnen.

Meine Lesekenntnisse der cyrillischen Buchstaben habe ich Wochen davor wieder aufgefrischt. Es hat Vorteile, wenn man das russische Wort zumindest lesen kann. Im Jahre 2000 war ich schon einmal in St. Petersburg, damals was es eine gebuchte Reise. Wir durften die geführte Tour nie verlassen, man musste ständig in der Gruppe bleiben.

Gegen 8 Uhr morgens legt das Schiff im neuen Hafen an. Einige Russisch-Vokabel habe ich wieder gelernt, der „dobry den“ wird von den beiden Damen bei der Passkontrolle, die mein Visum studieren, erwidert. Als ich sage, dass ich im Hotel Puschkin übernachte, lachen sie. Wahrscheinlich dürfte es so teuer sein, dass sie sich wundern. Das Puschka Inn Hotel ist wohl ein anderes, 130 Euro oder 6000 Rubel sind für eine Nächtigung in St. Petersburg direkt neben dem Start in der Reki Moiki  günstig.

Im Terminal befindet sich neben Souvenirgeschäften auch in Geldautomat. Fürs erste behebe ich 2000 Rubel, ein Euro entspricht derzeit ca. 45 Rubel. Ich kaufe 5 Postkarten, damit ich mit einer 100 Rubelnote im Bus Nr. 185 das Ticket beim Fahrer kaufen kann. Bis zur Primorskaya, der nahesten Metrostation, sind es  ca. 6 km, die  Fahrt kostet 25 Rubel und dauert an die 15 Minuten.

Ich bin noch nie in St. Petersburg mit der U-Bahn gefahren, habe mich aber im Reiseführer informiert. Man kauft einen Token um 28 Rubel und kann beliebig oft umsteigen bzw. fahren. Bis zur berühmten Prachtstraße, der Nevsky Prospekt, sind es nur 3 Stationen. Die Weitläufigkeit der Gänge und Rolltreppen in den Stationen übersteigt meine gewohnten Dimensionen, man geht oft 5 und mehr Minuten, um zu einer anderen U-Bahn-Linie zu wechseln.

Da bin ich nun wieder, 14 Jahre sind vergangen. Wie hat sich die Stadt verändert, die Gebäude entlang der mehrere Kilometer langen Flaniermeile sind aufwändig renoviert worden. Schmucke Fassaden in warmen bunten Farben verleihen der Stadt einen künstlerischen Ausdruck. Die Entfernung zu meinem Hotel beträgt ca. 1 km, mein Gepäck ist leicht. Die Befürchtung, dass es regnen könnte, hat sich nicht bestätigt. Es herrscht Schönwetter, mit der Jacke und der Fleeceweste komme ich ins Schwitzen. Mein Zimmer im Puschka Inn Hotel ist klein aber fein, die Damen an der Rezeption sind ausgesprochen bemüht.

Die Uhren werden hier im Vergleich zu Mitteleuropa um 2 Stunden  vor gedreht. Daher ist es auch länger hell und die Menschen blühen in den weißen Nächten auf. Wenige Hundert Meter vom Hotel befindet sich der Dvortsovaya Platz, wo der Marathon gestartet und auch der Zieleinlauf sein wird. An diesen Tagen finden dort zahlreiche sportliche Veranstaltungen für die Jugend statt, Basketball, BMX-Shows, Tanzen u.v.m. Nur meine Startunterlagen bekomme ich hier nicht. Njet, sagt mir ein Mann, die werden woanders ausgegeben. Zur Sportivnaya nimmt man am besten die U-Bahn,  also zurück zur Metrostation Nevsky Prospekt und dann einen neuen Token kaufen. Englisch wird in Russland auch von den jungen Leuten kaum verstanden, daher sollte man Cyrillisch lesen und das Wort korrekt aussprechen können. Dann kommt man besser weiter, mit Da und Njet und einigen Zeitwörtern sowie Adverbien ist man auf der Habenseite. Ich lasse mich so zur Halle anweisen, wo die Unterlagen ausgegeben werden.

Eine lange Schlange windet sich vom ersten Stock die Treppe hinunter zu den vermeintlichen Ausgabestellen. Ich frage und bin erleichtert: Die vielen Läufer wollen sich alle nachmelden. Ich müsste oben meine Registrierung vorlegen, dann käme ich gleich dran. Apropos Anmeldung, Ausländer haben es nicht so leicht wie Russen. Spätestens bis Mitte April sollte man sich anmelden, im Web funktioniert das aber nicht auf Anhieb. Im Gegensatz zu den Russen benötigen Ausländer kein ärztliches Attest. Die Gebühr beträgt 35 Euro, Russen zahlen eine Bruchteil davon.

Heuer wird auf eine separate Teilnehmerkarte verzichtet, es genüge die Startnummer mit integriertem Chip, dann sei der Zutritt gesichert, erklärt mir eine hübsche junge Helferin in gutem Englisch. Auf das Asics-Funktionsshirt zum 25.Jubiläumsmarathon habe ich mich gefreut, doch es sind nur mehr Bestände in S und XS verfügbar. So nehme ich ein weißes Leibchen aus Baumwolle in XL. Man bietet mir eine kostenlose Ganzkörpermassage an, ich mache davon aber nicht Gebrauch, weil ich den ganzen Nachmittag und auch Abend – bis 23 Uhr ist es taghell – für Besichtigungen reserviert habe.

Die Laufroute führt zwar entlang der bekanntesten Sehenswürdigkeiten von St. Petersburg, aber es ist mir daran gelegen, die Gebäude länger zu betrachten und in aller Ruhe einige Fotos zu machen. Die vielen Gemälde im Kunstmuseum in der Eremitage habe ich im Juli 2000 schon einmal stundenlang besichtigt. Ich nehme einen Hop-on, Hop-off-Bus für 700 Rubel. Das Wetter ist so schön, dass man es bei offenem Dach gut aushält und viele Fotomotive erblickt. Wer nicht will, braucht nicht auszusteigen bzw. hält sich an die genauen Abfahrtszeiten. Am späteren Nachmittag buche ich um 650 Rubel eine in Englisch geführte Bootstour auf der Newa, dem Fluss, der die Stadt mäanderartig durchfliest. In vielen Kanälen kann man mit den Booten wie in Venedig auch abgeschiedene Orte erreichen.

Den Touristen werden per Bus und Schiff in der Regel die baulichen Highlights der nahen Umgebung nähergebracht. Auf der Newsky-Prospekt-Prachtstraße habe ich schon verwiesen. Sie führt von der Großen Newa im Westen von St. Petersburg über vier Kilometer quer durch die Stadt. Er ist eine der prunkvollsten Straßen in Russland und die Flaniermeile von St. Petersburg. Entlang des Newsky-Prospekt und in seiner nahen Umgebung befinden sich die meisten Sehenswürdigkeiten der Geburtsstadt von Präsident Putin.

Weitere Attraktivitäten sind die Admiralität, Isaakskathedrale und der eherne Reiter. Der Newsky-Prospekt beginnt im Westen bei der Admiralität von St. Petersburg, einem historischen Gebäude mit einem markanten Turm. Unweit davon ragt die Isaaks-Kathedrale über 100 Meter in den Himmel. Diese Kathedrale ist eine der größten in Russland und bietet einen 360-Grad-Panorama-Ausblick auf St. Petersburg. Dazu muss man jedoch bis unter die Kuppel hinaufsteigen. Ebenfalls im Nahbereich befindet sich der eherne Reiter, eines der Wahrzeichen der Stadt. Dieses Denkmal zeigt Zar Peter den Großen hoch zu Ross.

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Informationen: White Night Marathon
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