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Laufberichte

Cividale - Palmanova - Aquileia

 

Dreieinhalb Stunden braucht man mit dem Auto von Salzburg nach Aquileia, dem Zielort des UNESCO-Städte-Marathons, wenn man auf der Autobahn bleibt. Sowohl der Startort Cividale del Friuli, als auch der Zielort, Aquileia (bei Grado), sind UNESCO-Weltkulturerbestätten, daher der Name. Es ist schön in Friaul-Julisch Venetien, Essen und Trinken schmecken ausgezeichnet, im Norden die Alpen, im Süden die Adria, dazwischen ein flacher Marathon, passt!

Anmelden konnte man sich vorerst nur per Fax ab November 2013, € 20,- Startgebühr zuzüglich € 7,- für eine unvermeidliche Versicherungsgebühr. Der Wortlaut des in Italien ebenso unvermeidlichen Gesundheitszeugnisses wurde geändert, ich fand mich in der Starterliste als Australier wieder. Irgendwann wurden meine diesbezüglichen Einwände berücksichtigt. Alle möglichen vielseitigen Infos kamen auf Italienisch, und zwar nur auf italienisch, einiges davon musste man im Vorfeld unterschreiben. Wenn ich bei jedem Marathon im Vorfeld so ein Theater hätte! Bisher gab es erst einen Marathon hier, die lernen noch.

Anreise über den Plöckenpass von Kärnten nach Italien, in engen Kurven windet sich die Straße rauf. Hier oben liegt jetzt noch jede Menge Schnee. Nördlich der Alpen fand in Österreich der Winter kaum statt, hier sehr wohl. Beiderseits der Grenze im Tal Museen und Ausstellungen zum 1. Weltkrieg. Beide Museen habe noch Wintersperre, nur von außen bekommt man einen Eindruck.

Die Startunterlagen sind in Palmanova abzuholen, einer 9-eckigen Festungsstadt, im Oktober 1593 gegründet, um die Republik Venedig vor den Türken zu schützen. Irgendwann eroberte sie Napoleon, und natürlich gehörte sie ein paar Jahrzehnte den Habsburgern, wie alles hier bis hinter Triest und Venedig. Hier urlaubte das österreichische Kaiserhaus. Meterdicke Stadtmauern, Erdwälle und Gräben umgeben Palmanova, an drei Toren darf man reinfahren, einspurig, Ampeln regeln den Durchlass.

Genaue Kontrolle meines Gesundheitszeugnisses auf französisch und deutsch. Darin wird bestätigt, dass ich fit genug bin für Leichtathletik-Bewerbe. Ein schweres Goody Bag wird mir übergeben, darin eine Flasche Weißwein, Gatorade, eine Dose EnergyDrink, Süßigkeiten, Schwämme, Pläne mit den Labestellen, genau alle 5km. Und ein Funktionsshirt gibt es noch dazu - bei dem bisschen Startgeld! Shuttle vom Ziel zurück zum Start wird es wahrscheinlich geben, aber wann der oder die Busse fahren, das kann man nur ungefähr sagen.

Für das Abendessen ist es noch etwas früh, Evi und ich finden ein Lokal, wo wir unterm Sonnenschirm sitzend den Hauptplatz auf uns wirken lassen. Am Sonntag laufe ich da quer drüber. Der Dom leuchtet weiß in der Abendsonne, innen ist es schön kühl.

Am Samstag sind wir in Cividale del Friuli. Ich will herausfinden, wo GENAU der Start erfolgen wird, um am Sonntag richtig zuzufahren. In den Startunterlagen finde ich nichts darüber. Es dauert seine Zeit. Gut eine Stunde ist die Dame der Touristeninfo mit meiner Frage beschäftigt, bis sie Auskunft geben kann.

Cividale: Erste Sehenswürdigkeit ist die Teufelsbrücke über den kristallklaren Natisone. Ferner gibt es einen Tempel der Langobarden, der soll 1300 Jahre alt sein, so genau weiß man das nicht. Sieht jedenfalls sehr alt aus, wir sind vor Jahren mit Freunden drinnen gewesen. Für die relativ kleine Stadt gibt es einen viel zu großen Dom. Könnte man meinen, zur Sonntagsmesse ist er voll.

Sonntagfrüh fahren wir von Udine nach Cividale del Friuli, vor ein paar Stunden wurde auf Sommerzeit umgestellt. 8°C, windig und wolkenlos, viele der Teilnehmer tragen einen Kälteschutz, ich auch. Der Sprecher ist ganz aufgeregt, Rekordteilnehmerzahl bei allen Bewerben. Über 1.000 Anmeldungen, er bedankt sich schon im Voraus bei 1.200 freiwilligen Helfern und vergisst nicht zu erwähnen, dass Starter aus 16 Nationen teilnehmen werden. In erster Linie Italiener, dann natürlich Slowenen - bis zur slowenischen Grenze sind es von hier bloß 18km.

Die Vorausfahrzeuge mit der Zeitnehmung am Dach fahren ausschließlich mit Strom, eine große Anzahl an Rettungsfahrzeugen steht bereit. Dutzende Menschen in mittelalterlichem Gewand werden beim Start dabei sein, viele davon mit Trommeln, einige nur, um elegant auszusehen. Genug mobile Toiletten gibt es, im Zelt wird warmer Tee ausgeschenkt. Eine vielköpfige Blasmusikkapelle verkürzt uns die Zeit bis zum Start. Kleiderbeutel werden entgegengenommen, mit der besten Bezettelung, wie ich bei Laufveranstaltungen bislang erlebt habe. Bei der Startnummer waren breite, selbstklebende Streifen, wie man sie vom Flughafen von der Gepäckaufgabe kennt. Auf denen ist beidseitig dick und fett die Startnummer aufgedruckt.

Zu den Klängen der Blasmusik wird um 09h30 gestartet, 550 LäuferInnen machen sich auf den Weg, Marathon und 2er-Staffel. Mit geringem Gefälle geht es los. Keine Wolke am Himmel, flach geht es weiter, ein paar Landsleute von mir sind auch am Start. Werner und ich laufen ein paar km gemeinsam. Bei km2 geht es über eine Straße drüber, ansonsten ist es flach. Bei km4 hat es 12°C, Tendenz steigend, der Wind hat nachgelassen, links und rechts Felder, da und dort ein Haus. „Ristoro“ heißen die Labestellen, ein großes Schild am Boden kündigt die erste bei km5 an, Premariacco, nach 28min bin ich da. Der blaue, aufblasbare Torbogen ist sowieso unübersehbar.

Flach geht es weiter, die Sonne steht links noch niedrig über dem Horizont. Weitere 2,5km und es gibt Wasser für die Schwämme. Die 4h-Ballons kommen mir abhanden. Bei km8 biegen wir links ab nach Manzano, begleitet von Glockengeläut, der Kirchturm bietet etwas Schatten. Da und dort ein paar Zuseher, ab und zu höre ich sogar ein FORZA und BRAVI. Es ist die Zeit der Sonntagsmesse und des Frühschoppens, die Leute hier haben anderes zu tun als an der Strecke zu stehen. Nicht so die Hunde, die haben uns im Auge, irgendeiner kläfft immer.

Nun passieren wir ein Gewerbegebiet, eine Fabrik für Tische und Stühle, Weine gibt es, die Bäume und Sträucher blühen um die Wette, die Blätter sind noch frisch und klein. In San Giovanni al Natisone einmal ein kurzer Anstieg und ein kleine Zuseheransammlung. Vor einem Kirchlein sitzen ein paar ältere Herrschaften, die Damen sind entzückt, als ich ein Foto schieße. Eine kleine Kompression, wie wir Schifahrer sagen, unter den Eisenbahnschienen durch und drüben wieder steil rauf, das waren schon die aufregendsten Höhenmeter, Kreisverkehr, km14.

Km15, 90min bis hierher, ich komme zum nächsten, gut bestückten „Ristoro“ mit Iso, Wasser, Äpfeln, Bananen, Orangen und Zitronen. Ich fülle meine Flasche auf und nehme ein Stück Orange, schmeckt gut. Der Diesel an der Tankstelle kostet € 0,35/l mehr als zuhause! Die Sonne kommt schön von vorne. Gut, dass ich mit 30er Sonnenschutzfaktor eingekremt bin.

Allerdings schwitze ich auch dem Wetter entsprechend. Viel auf 20°C wird nicht mehr fehlen. Ich spüle mein Power-Gel die Kehle runter, dann muss ich es nicht mehr in der Hand tragen.

In Viscone führt uns ein langgezogener Anstieg auf die Brücke über den „Fiume Torre“, besser gesagt, über das Flussbett des Torre-Flusses. Dieses ist hier gut und gern einen halben km breit. Wasser kann ich in dem Flussbett keines sehen, nur eine weiße Schotterwüste mit Gestrüpp. Am Ende der Brücke schließlich km20. Alles da, was der Läufer braucht. Nun ein langgezogener Abstieg und wenig später Halbmarathon, 125min, Felder beiderseits der Straße.

Weiter auf der Via Gorizia komme ich nach Ialmicco. Am Ortseingang links eine Mauer mit teilweise Stacheldraht drauf, baufällige Häuser dahinter. Das sieht nach einer aufgelassenen Kaserne aus. Weiter, zwischen den Häusern gibt es wieder etwas Schatten. Noch vor Palmanova das neue Krankenhaus der Stadt, bei km25 werden wir angefeuert, mit Streckensprecher und Musik, ein paar der Läufer werden gleich interviewt. Es ist Mittag.

Palmanova liegt nun unmittelbar vor uns, und da einzulaufen ist sensationell. War es bis jetzt von der Strecke her ziemlich mau, wird hier alles aufgeholt. Mittelalterlich kostümierte Bürger mit Lanzen und Schwertern, brüllen uns anfeuernd an, Garde zwischen den Toren, hinter dem Tor rhythmisches Trommeln. Da kriegst du die Gänsehaut. Wenn man sich die runde Stadt als Ziffernblatt vorstellt: wir laufen bei ca. 2 Uhr ein, über das Zentrum, bei 6 Uhr wieder raus. Kurz vor mir wird ein Österreicher von seinem Fanklub mit Fahne angefeuert, die wird auch für mich geschwenkt. Alles unterlegt von dumpfen, rhythmischen Trommelschlägen. Auf der Piazza Grande, dem Ortsmittelpunkt, lagern napoleonische Soldaten, die Vorderladergewehre mit aufgepflanzten Bajonetten bei der Hand.

Die linke Spur ist für die durchlaufenden Marathonis, die rechte für die Startläufer der 2er-Staffeln, die nach 26,8km am Ziel sind. Die dürfen die Stimmung länger genießen.

Wir werden namentlich aufgerufen und angefeuert, Kinderhüpfburgen gibt es, der ganz Ort feiert ein Fest, der Marathonlauf ist nur ein Teil davon. Raus aus der Stadt durch die Porta Aquileia. Ein vielleicht 8-jähriger Bub kommt mir in Uniform und salutierend entgegen. Einer der napoleonischen Torwächter raucht, in Uniform! Als ich abermals knipse, schweben die 4h15-Ballons vorbei.

Noch 15km, für das bisschen Schatten unter der Autostrada A4 bin ich dankbar. Gerade aus geht es nach Grado, kurz vorher unser Ziel Aquileia. Eine große Stadt der Römer.  Das 181 v.Chr. gegründet Aquileia war seinerzeit für das römische Reich eine sehr bedeutende Handelsmetropole. In der mittelalterlichen Kathedrale ein großes, flächendeckendes Fußbodenmosaik aus dem 4. Jahrhundert. Auf einem Glassteg kann man drüber gehen und die Motive bewundern, Eintritt frei. Im Laufe der letzten 2200 Jahre war halb Europa hier, nicht immer friedlich. Aber das ist ein eigenes Studium.

Noch bin ich nicht in Aquileia, sondern auf der Via Julia Augusta Richtung Süden. In Anbetracht der steigenden Temperatur bin ich mit meiner Verfassung ganz zufrieden, der Gegenwind kühlt angenehm. Nach 3 Stunden und 3 Minuten schließlich die Labe bei km30. Ich laufe die Außenbahn, da ist etwas mehr Schatten. Leider sind die Blätter auf den Platanen noch recht klein, so reicht es, genau genommen, nur zu einem Halbschatten. Da taucht links von mir eine 4h15-Zugläuferin auf. Sie scheint Probleme zu haben, die war doch schon einmal vor mir.

Die Straße verläuft schnurgerade, so weit das Auge reicht, und ich bin weitsichtig. An einem Kreisverkehr bietet mir ein Sportverein aus Udine ein Gläschen Grappa an. „Grazie, forse più tardi.“, jetzt nicht. Aber sie haben auch Wasser. In Cervignano dann ein Denkmal aus 1968, 50 Jahre nach dem ersten Weltkrieg errichtet und auch bald schon selber 50 Jahre alt.

Labe km35, vielleicht schaffe ich es noch unter 4h25. Ich greife ausgiebig zu, mein Zusatztank in der linken Hand hat sich bewährt. Im Ort wird, wenn ich das richtig mitbekomme, für ein autonomes Friaul-Julisch Venetien geworben. Schon am Freitag sind mir mehrsprachige Ortsschilder aufgefallen. Das war, meines Erachtens, vor ein paar Jahren noch nicht so.

Ich trabe weiter, wenn einmal ein paar Kurven zu laufen sind, so wie hier im Ortsgebiet, sind grüne Pfeile auf den Asphalt gesprayt. Schließlich eine rote Ampel, ein Radweg quert die Straße nach Grado. Das macht bei dem normalen Verkehr hier sicher Sinn, heute während des Marathons, nicht so sehr. Schwammstation bei km37,5. Die ziehen das durch, exakt alle 5km Labestellen, genau dazwischen Schwammstationen. Nach und nach habe ich Marathonis eingesammelt, mittlerweile Horden an nordic-walkenden Damen. Zu Dutzenden frequentieren sie die linke Fahrbahnseite, meist schweigend. 

Ein großer gelber Bogen markiert km40. Links Felder, rechts eine Schnapsbrennerei, ein Lokal lockt mit Flaggen der verschiedensten Länder Gäste an. Dieses Ristoro brauche ich nicht, ich habe mich 5km zuvor abgefüllt, und in meiner Flasche habe ich auch noch genug. Der Campanile der Basilika von Aquileia ist schon zu sehen, genau dort ist das Ziel. Die pfeilgerade Straße führt leicht bergauf, nicht wirklich dramatisch, aber wenn man über 4 Stunden, meist in der prallen Sonne bei Gegenwind läuft, wird man sensibel für solche feinen Anstiege. Km41 wird angezeigt und kurz darauf der letzte km, Ultimo.

An den Ausgrabungen vorbei mache ich Fotos, dann nehme ich wieder Tempo auf. Rechts von mir höre ich Schritte, da will mich einer überholen. Ich werde schneller, er auch. So sprinten wir Richtung Ziel, ist richtig lustig. Habe gar nicht gewusst, was ich noch draufhabe.

Km42, dann links direkt auf den Glockenturm zu, eine Zypressenallee. Hier muss ich stehenbleiben, dieses Fotomotiv kann ich nicht auslassen. Mein Kontrahent ist auf und davon. Wenig später bin ich im Ziel, froh es geschafft zu haben. Evi freut sich mit mir, die Medaille muss man sich auf einem Podest abholen, damit ja alle sehen können, wenn man sie umgehängt bekommt. Eine klitzekleine Ehrung, quasi. Sehr schlau. Ein Fläschchen Wasser gibt es auch gleich.

401 Marathonis beenden schließlich das Rennen, im Vorjahr waren es noch 266. 136 Zweierstaffeln kommen ins Ziel, auch eine Steigerung gegenüber 2013. Schon das 18. Jahr gibt es hier Laufbewerbe und Nordic-Walking-Bewerbe, seit 2013 eben auch einen Marathon, damals noch in der Gegenrichtung.

Der Kleiderbeutel ist schnell abgeholt, zur Dusche muss man eine Weile gehen. Da es nun deutlich über 20°C warm ist, ist es auch nicht so schlimm, dass die  Wassertemperatur der Duschen zwischen eiskalt und klirrend kalt wechselt. Gegen einen kleinen Kostenbeitrag gibt es Pasta sowie Wasser und/oder Wein. Südlich der Basilika kann man sich auf einer schönen Wiese erholen. Zielankunft nach spätestens 6 Stunden, das wird aber nicht so genau genommen.

Da wir schon einmal in der Gegend sind, fahren wir noch auf einen Sprung nach Grado, ein bisschen aufs Meer schauen und Eis essen.


Die Marathon-Sieger

Frauen

1. Oxana Akimenkova (Rus) 2h44'21 
2. Tatiana Belkina (Rus) 2h48'06 
3. Claudia Dardini (ITA ) 2h51'07

Männer

1. Massimo Leonardi (ITA)  2h20'38
2. Simon Rugut Kipngetich (Uga) 2h25'00
3. Giovanni Bressan (ITA)  2h35'16

 

 

Informationen: Unesco Cities Marathon
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