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Laufberichte

Der Ultratrail auf Mallorca

18.04.15

Für mich war der Ultra Mallorca ein verlängertes Wochenende auf der größten Baleareninsel im Mittelmeer, die wohl zu Deutschlands beliebtester Urlaubsinsel zählt! Viele sonnenhungrige Urlauber verbringen an den feinen Sandstränden ihre Ferien, Radfahrer nutzen die kurvenreichen Gebirgsstraßen zum Trainieren und Wanderer können sich an den abwechslungsreichen Gebirgswegen im Serra de Tramuntana erfreuen.

Die Serra de Tramuntana ist ein Gebirgszug im Nordwesten Mallorcas, der 2011 von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurde. Die höchste Erhebung im Tramuntana-Gebirge ist der Puig Major mit beachtlichen 1445 Metern. Unterhalb des Puig Major liegen die beiden Trinkwasser-Speicherseen Embassament de Cúber und Embassament des Gorg Blau. Genau in dieser Region auf dem Fernwanderweg  GR 221 war ich am vergangenen Freitag auf Samstag, 17./18. April mit weiteren 2000 Trailhungrigen unterwegs.

Nicht alle, nur 722 Ultras (ich eingeschlossen), wollten den Ultratrail über 112 Kilometern und 4480 Höhenmeter im Auf- und Abstieg laufen, der um Mitternacht in Andratx startete und nach 24 Stunden maximaler Laufzeit in Pollença endete. Weitere 1056 Trailer hatten in Valldemossa am Samstagmorgen um 8 Uhr ihren Anfang für den Trail über 67 Kilometer und 2521 Höhenmetern, den sie in 16 Stunden beenden mussten. Immerhin 320 Marathonis wollten die 44 Kilometer und 1424 Höhenmeter unter die Füße nehmen. Sie starteten dafür um 10 Uhr in Sóller und hatten ebenfalls in Pollença nach 10 Stunden ihr Ziel. Ich hatte das Glück, bei einer Auslosung einen Gratisstartplatz für die Ultradistanz gewonnen zu haben und freute mich auf die Herausforderung, das ganze Tramuntana-Gebirge zu durchqueren. Keine leichte Aufgabe, denn der GR 221 wird auch Route der Trockensteinmauern genannt, wegen seiner aus vielen Steinen angelegten Wege. Was das bedeutete, sollte ich dann auch bald selbst erleben können.

Nur knappe zwei Wochen hatte ich Zeit, um mich mit diesem Projekt anzufreunden. Die Anmeldung lief dann über den Emailkontakt mit dem Veranstalter, Hotel und Flug musste ich selbst organisieren. Das Eventhotel „Viva Tropic“ in Alcudia war bereits ausgebucht, so dass ich mir meine Übernachtung in einem nahe gelegenen Hotel suchte. Flug nach Palma am Donnerstag, später Nachmittag in Alcudia Ort und dann am Freitag meine Startunterlagen abholen – so der Plan! Hat auch alles funktioniert, bis auf das Abholen der Startunterlagen. Die sollte ich dann erst in Andratx kurz vor dem Start bekommen. Die Busfahrt nach Andratx ging dann auch direkt vom Eventhotel um 21 Uhr ab. Gegen 23 Uhr war ich dann am Sportzentrumvon Andratx, wo sich die Startnummernausgabe befand. Grelles Licht und ein hoher Geräuschpegel erwartete mich in der Sporthalle. 

Im Getümmel der Sporthalle packte ich dann die überflüssigen Kleidungsstücke fürs Ziel in einen Plastiksack, der mit meiner Startnummer versehen war und gab diesen bei der Gepäckaufgabe ab. Plötzlich war Aufbruchstimmung und alle strömten zum Ausgang und durch die Straßen von Andratx bis hinauf zum Castillo de Andratx, wo sich schon viele Ultraläufer eingefunden hatten und aufgeregt auf das Startzeichen warteten. Pünktlich gings dann auch auf die Strecke, ich mittendrin in der Läufermenge. Vor mir sah ich die roten Lichter, die auf dem Rücken der Ultraläufer leuchteten. Nach vorne blendeten die hellen Stirnlampen und leuchteten den Weg aus. Kaum hatten wir die Häuser von Andratx hinter uns, folgten wir einem breiten Wirtschaftwegen stetig bergan, bis sich plötzlich die roten Lichter vor mir umdrehten und zurückkamen. Was war denn jetzt los? Laute, aufgeregte Stimmen und alle liefen zurück. Zum Glück war ich nicht zu weit vorne. Aber trotzdem kamen ja noch von unten viele Läufer den Berg hoch. Es wurde extrem eng, aber die Stimmung blieb gelassen. Es wurde diskutiert, wo und wie der Weg nun am besten zu finden wäre. Und obwohl die Zeit weiterlief, wurde nichts überstürzt!

Keine zwanzig Minuten waren wir unterwegs und schon hatten wir die Wegmarkierungen übersehen. Also ich hatte bis dahin noch gar keine Markierung gesehen! Ich hatte mich auf die Vordermänner verlassen…..Die nächste Wegkreuzung bogen wir ab und schon nach 500 Metern waren wir wieder auf dem richtigen Weg, ohne Hektik! Langsam wurde es um mich herum auch wieder etwas lichter, der Stau löste sich relativ schnell wieder auf. Jeder konnte schon bald wieder sein Tempo aufnehmen und den Markierungen folgend auf der richtigen Strecke weiterlaufen. Jetzt habe ich endlich die winzigen Fähnchen auch mal entdeckt!

Kaum hatten wir jedoch dieses Hindernis gemeistert, kam auch schon die nächste Herausforderung. Zuerst waren die Wege noch recht breit, doch dann behinderten schmale, steile Gebirgswege mit vielen Felsstufen und abschüssigen Querungen das Vorankommen der Ultraläufer. Wir konnten uns stellenweise nur sehr langsam fortbewegen und mussten auch längere Wartezeiten in Anspruch nehmen, je weiter hinten umso länger wurde das Warten. An einer steilen Felswand musste ich zuerst einmal einen festen Tritt suchen und einen Griff zum Hochziehen, bevor ich die Passage an meinen Hintermann frei machen konnte. Immer noch bergauf ging es auf schmalen Pfaden einfach weiter. Leider konnten wir in der dunklen Nacht nur den von der Stirnlampe erleuchteten Bereich erfassen und sahen neben Felsen, Geröll und Steinen noch die Büsche und Gräser am Wegrand.

Eigentlich führte doch die Strecke entlang der Küste und hinab bis zum Meer. Komisch, aber von alldem merkte ich nichts, auch eine frische Brise vom Meer her war nicht zu spüren und ein Meeresrauschen nicht zu hören. Die Nacht war angenehm kühl zum Laufen. Es war still, nur  das Atmen war zu hören und die Schritte auf dem losen Geröll. Bis zur ersten VP in Estellencs (km 18,7) schlängelte sich der Weg irgendwo durch die Dunkelheit meist über enge Wege. In Estellencs konnten wir dann die anmutigen Steinhäuser und die enge Straße im Laternenlicht bewundern, so auch in Banayalbufar und Port des Canonge, der zweiten VP bei km 36,6. Auf dem Weg nach Valldemossa brach dann langsam der Tag an. Zuerst war das Vogelgezwitscher zu vernehmen und dann färbte sich der Himmel in allen Farben, bis es dann endlich hell war. Die Stirnlampe wurde überflüssig und verschwand im Laufrucksack, stattdessen zog ich meine Sonnenbrille auf.

In der VP Valldemossa (km 45,3) war ich dann um kurz vor 7 Uhr und befand mich schon wieder am Aufstieg, bevor der Trail um 8 Uhr gestartet wurde. Bald würden die „schnellen“ Trailläufer an mir vorbeisprinten. Auch wenn ich auf den schmalen Bergwegen und steilen Pfaden öfters anhalten oder ausweichen musste, um den Weg frei zu machen, freute ich mich über die Begegnungen und bewunderte ihre ihre Leichtigkeit, mit der sie die anspruchsvollen Steinwege hinauf oder hinab rannten, als gäbe es keine Stolperfallen. Nach jeder anstrengenden Passagen wurde ich mit tollen Ausblicken auf die mallorquinische Bergwelt und die Steilküste belohnt. Allein dafür hatte sich alles gelohnt! Und außerdem: Ich war ja gekommen, um die einzigartige Bergwelt im Tramuntana zu genießen.  Die VP Deià (km 58,3) erreichte ich kurz vor halb zehn. Am Straßenrand applaudierten schon viele Zuschauer den Ultra- und den Trailläufern für die bis dahin erbrachte Leistung. Immer wieder hörte ich das lobende Wort „ánimo“, was ich mit den Worten „Mut“ oder „Kopf hoch“ übersetzen würde. Das sind besondere Momente beim Traillaufen in den Bergen.

So gab es viel Abwechslung auf der ganzen Strecke, mal genoss ich die Einsamkeit in den Bergen und dann wieder das geschäftige Treiben in den Ortschaften mit den Verpflegungsposten. In Sóller hatte ich bereits mehr als die Hälfte des Ultratrails gemeistert. Zuerst waren die engen Gassen menschenleer, doch dann säumten immer mehr Zuschauer den Straßenrand. Mal links, mal rechts musste ich durch die gepflasterten Straßen laufen. Wo war nun endlich die Verpflegung, ich hatte Durst und war auch etwas hungrig. Endlich wies mir ein Streckenposten den Weg zwischen den vielen Zuschauern in einen Hof, wo ich mich stärken konnte. Nach diesen vielen Kilometern der Einsamkeit bis Sóller (VP km 68,1) war ich mit dem Lärm in den engen Gassen und den vielen Menschen fast überfordert und wünschte mich wieder schnell in die Berge. Doch mir war auch bewusst, dass ich hier die Gelegenheit hatte, meine Vorräte aufzufüllen, denn die nun folgenden 10 Kilometer mit mehr als 800 Höhenmetern sollten auf den steilen Pflasterwegen sehr anstrengend werden. Ständig spürte ich die Steine, die sich durch meine Schuhe in die Fußsohle bohrten, ganz egal wie klein oder groß er war. Okay, da musste ich nun durch und da es sowieso steil bergauf ging, konnte ich langsam gehen und mich etwas schonen.

Auf der Passhöhe angekommen, wurde ich mit einem gigantischen Ausblick über die höchsten Gipfel des Tramuntanagebirges belohnt, unter anderem den Puig Major mit seiner Sternwarte auf dem Gipfel. Diesen höchsten Berg im Tramuntana würde ich noch eine ganze Weile sehen können, allerdings ist er militärisches Sperrgebiet, so dass wir nur daran vorbeilaufen. Nicht nur die Berge sondern auch die beiden Stauseen kurz vor Cúber zogen meinen Blick an. Entlang des Stauseeufers folgte ich fast flach dem Weg, der an der Asphaltstraße endete. Die VP Cúber (km 80,3) befand sich dann noch gute 500 Meter weiter auf der anderen Straßenseite. In Cúber hielten sich viele Läufer auf und bedienten sich an den Nudeln mit Soße oder auch am Reis mit Olivenöl. Ich hatte es irgendwie eilig und wollte weiter, also schnell etwas essen und trinken und noch etwas Süßes zum Nachtisch und dann verließ ich schon wieder diesen Verpflegungsposten.

Entlang einer Wasserleitung zog sich der Weg kilometerlang fast eben, bis ich endlich am Fuß des Coll de Pra de Massanella, mit etwas über 1200 Metern dem höchsten Übergang des Ultratrails, ankam. In engen, staubigen Serpentinen zog sich der Weg bis hinauf zur Passhöhe. Und die Mittagssonne brannte gnadenlos auf mich herab, kein Baum sorgte für schützenden Schatten. Zum Glück erfrischte immer mal wieder ein kühler Wind den anstrengenden Aufstieg. Schon von weitem konnte ich sehen, wie einige Läufer vor mir die Passhöhe erreichten und dann verschwanden. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein, bis ich auch oben war und meinen vorletzten Abstieg in Angriff nehmen konnte. Meine Beine freuten sich auf eine Abwechslung. Doch ganz so unbeschwert und flüssig ging es nun nicht mehr voran, die vielen anstrengenden Kilometer waren jetzt doch deutlich zu spüren. Nur noch fünf Kilometer trennten mich von der nächsten Verpflegung im Kloster Lluc, aber diese Strecke wollte kein Ende mehr nehmen! Dann säumten wieder Zuschauer den Weg und schon kam ich auf eine Asphaltstraße, die mich direkt ins Kloster Lluc (VP km 94,8) führte – zum Beten, nein mehr zum Essen und Trinken! Wieder drängten sich viele Zuschauer in und um diesen Ort, der bedeutendste Wallfahrtsort der Insel. Es war bereits kurz nach 17 Uhr und die Sonne zeigte sich nun in einem ganz besonderen Licht.

Noch etwas mehr als 17 Kilometer trennten uns vom Ziel in Pollença, die wir zum Großteil auf grob schottrigen, staubigen Wirtschaftwegen zurücklegten. Besonders reizvoll war dieser letzte Streckenabschnitt nicht mehr. Kurz vor 20 Uhr erreichte ich dann endlich die ersten Häuser von Pollença und freute mich auf meinen Zieleinlauf. Doch zunächst ging es links und rechts durch menschenleeren Gassen. Wie langweilig, dachte ich noch. Dann füllten sich die Gassen mit Zuschauern und es wurde so eng für mich, dass ich mir fast mit den Stöcken den Weg ins Ziel frei kämpfen musste. Im Ziel erwartete mich das Zielbanner, das ich beim Überqueren der Ziellinie mitreißen durfte. Danach gab´s noch die Medaille und das letzte Finisher-Fleeceshirt in Gr. XL. Das schenkte ich später einem Freund, der leer ausging. Nachdem ich mich im Ziel mit Essen versorgt hatte, nahm ich den Shuttlebus nach Alcudia.

Nach 20 Stunden und 6 Minuten hatte ich die 112 Kilometer über das Tramuntana-Gebirge geschafft. In meiner Alterklasse wurde ich als zweite Frau aufgelistet. Beim mühsamen Studieren der Ergebnisliste konnte ich insgesamt nur 45 Frauen auf der Ultratrailstrecke ermitteln, ich kam als 17. ins Ziel an. Also ist das Traillaufen in Spanien wohl eine echte Männerdomäne!

Abschließend hat mir der Veranstalter noch ein paar Zahlen zum Ultra Mallorca übermittelt: Insgesamt gingen auf allen drei Wettkampfstrecken 2089 Läufer an den Start, davon etwa ein Drittel auf der Ultratrailstrecke, die beliebteste Distanz war eindeutig der Trail.

Den Marathon wollten immerhin 320 Läufer erleben, von denen etwa 97 % das Ziel erreichten. 69 % aller Ultraläufer und 89 % aller Trailer konnten den Zieleinlauf in Pollença erleben.

Die 7 Verpflegungsposten auf der Ultrastrecke waren zwischen 10 und 18 Kilometer entfernt, jeweils mit einer Zeitmessung versehen. Im ersten Streckenabschnitt kamen dann zwei weitere Kontrollstellen dazu, bei denen Streckenposten die Startnummern der Läufer notierten. So war gewährleistet, dass alle Läufer die gesamte Strecke unter die Füße nahmen.

Das Angebot an den einzelnen VPs war reichlich und abwechslungsreich. Neben belegten Sandwiches gab es auch Obst, Nüsse und Schokolade. Zum Trinken standen Wasser, Coca Cola und Isogetränk bereit.

Die Helfer und Streckenposten waren immer sehr freundlich und hilfsbereit, allerdings konnte kaum jemand Deutsch oder Englisch sprechen, auch wenn wir uns auf der „deutschen Insel“ Mallorca befanden. Trotzdem hat alles reibungslos geklappt. Ein großes Lob an das Organisationsteam und die vielen Helfer unterwegs!

 

 

Informationen: Ultra Mallorca Serra de Tramuntana
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