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Laufberichte

Ein bisschen teuflisch: 40 Jahre Teufelsberglauf

09.11.14

Laufveranstaltungen in der Stadt - da denkt man unwillkürlich an Läufe über schnelle, flache Asphaltpisten durch Häuserschluchten. Trailrunning? Da muss man eben in die Provinz reisen. Es sei denn, man lebt in München. Auch wenn das die wenigsten wissen dürften: Da gibt es im Stadtgebiet, wenn auch nicht mittendrin, doch tatsächlich einen Lauf, der all das beinhaltet, was man sich von einem Trail gemeinhin erwartet: Rundum Natur, vor allem auch unter der Laufsohle, ein Parcours mit Ecken und Kanten. Und reichlich Profil.  

Der Teufelsberg-Crosslauf ist Münchens naturnaheste, für manchen gar schönste, mit Sicherheit aber die traditionsreichste Laufveranstaltung. Zum 40. (!) Mal werden die Läufer 2014 zu diesem Event gerufen. 10 km misst die Königsdistanz, schnöde "Hauptlauf" genannt. Weniger Ambitionierte können sich mit 4,7 km begnügen. Auf noch kürzeren Distanzen können sich die Kids austoben, sodass die Veranstaltung als familiärer Laufausflug geradezu prädestiniert ist. Und es sind doch immerhin um die 350 Teilnehmer, die sich alljährlich Anfang November am Rande der Aubinger Lohe im Münchner Westen zum gemeinsamen Naturlauferlebnis einfinden.  

 

Aubinger Lohe

 

Ein kleines Wäldchen wie viele andere, so erscheint die Aubinger Lohe auf der Landkarte. Doch dieses Wäldchen hat einiges zu bieten: Luftigen Laubwald neben finsteren Fichtenschonungen, dazwischen Blumenwiesen, verträumte, schilfumrahmte und froschbequakte Weiher. Einen Biergarten gibt es auch. Ein weit verzweigtes Netz aus Naturwegen und Pfaden erschließt die Lohe und eröffnet immer wieder neue Perspektiven. Das vielleicht markanteste Merkmal ist jedoch: Es geht kräftig rauf und runter. Schuld daran ist, dass sich just hier, einmalig in der Münchner Schotterebene, als Relikte der eiszeitlichen Gletscher Moränenhügel erhalten haben. Gerade für Läufer bietet sich daher ein anspruchsvolles wie traumhaftes Trainingsgelände.

Aber auch mit Historischem kann die Lohe aufwarten: Siedlungsspuren aus Bronze-, keltischer und römischer Zeit wurden hier gefunden, insbesondere die beiden Keltenschanzen. Sagenumwoben ist der auf einem der Hügel gelegene Aubinger Burgstall, in der Region mehr unter der Bezeichnung Teufelsberg bzw. -burg bekannt. Womit sich der Kreis zu jener Laufveranstaltung schließt, die sich in diesem Terrain umtreibt: Dem Teufelsberglauf.

 

Los geht’s schon vor dem Start

 

Erste Anlaufstelle der Läufer am Sonntagmorgen ist das Vereinshaus der Tennisabteilung des SV Lochhausen am westlichen Rand der Lohe auf dem einstigen Ziegeleigelände. Vereinzelte Schienenstränge im brüchigen Beton des weitflächigen Parkplatzes erinnern an diesen Teil der Vergangenheit der Lohe. Im Vereinshaus gibt es die Startnummern inklusive Zeitmesschip. Überaus familiär geht es zu. Viele kennen sich, sind Stammteilnehmer, die alle Jahre wieder den Weg hierher finden.

Auch seitens des veranstaltenden ESV Neuaubing sind es immer wieder dieselben Leute, die sich engagieren, Leute wie Dieter und Johanna, die Herz und Seele einer solchen Veranstaltung sind. Dieter kümmert sich seit Jahren federführend um die Organisation, Johanna managt unter anderem die Startnummernausgabe. Dank Jubiläum und eitel Sonnenschein sind die Nachmeldungen vor allem für den Hauptlauf so zahlreich, dass es schon eine Stunde vor dem Start heißt: Ausverkauft! Alle 450 Startnummern sind weg.   

Weiter pilgern die Läufer zum nahen Zielgelände am Rande des Parkplatzes. Eine kleine Zeltstadt ist hinter dem schwarzen Zielbogen aufgebaut. Eines der Zelte steht für Umkleide und Kleiderablage bereit, unter einem anderen findet die Ein-Stand-Messe statt. Den wohl größten Andrang verzeichnet das Zelt, vor dem ein veritables Kuchenbuffet und andere Leckereien bereit steht. So wird der läuferische Familienausflug auch kulinarisch zum Erlebnis. Heißer Tee in verschiedenen Geschmacksrichtungen wird ausgeschenkt. Heute muss dank milder Novembersonne zwar keiner frieren, aber die Historie des Laufs kennt auch winterliche Extreme.  

Schon ab 10 Uhr geht es los. In mehreren Kategorien starten zunächst Kinder und Jugendliche auf Distanzen zwischen 700 m und 2.000 m. Groß ist die Aufregung vor allem bei den ganz Kleinen und fast noch mehr bei den Eltern. Während schon die open-Air-Siegerehrung mit Treppchen, jede Menge Pokalen und Urkunden für den Läufernachwuchs läuft, heißt es um 11:15 Uhr erstmals für die "Großen" Ring frei. "Jugend- und Hobbylauf" nennt sich die Einsteigertrailversion über 4.700 Meter. Und tatsächlich sind es vor allem zwei Kategorien Läufer, die man hier findet: Einerseits die "jungen Wilden", die die Hatz durchs Gelände in bis zu 16 Minuten bewältigen, andererseits die nicht mehr ganz so Jungen und Wilden, die für die 4,7 km schon mal gut die doppelte Zeit benötigen.   

Der Top Act ist und bleibt jedoch der Hauptlauf um 12 Uhr. Hochbetrieb herrscht schon vor dem Start auf den sonnenüberfluteten Wiesen vor dem Startterrain. Die einen laufen sich warm, andere treffen sich zum Fotoshooting, wieder andere genießen einfach relaxt das herbstliche Idyll. Erst kurz vor High Noon wird es voll hinter dem Startbanner. Moderator Klaus Ruscher, Münchner Triathlon- und Laufladenikone, bringt die Läufergemeinde verbal auf Touren und ehe wir uns versehen, scheppert schon die Startklappe.  

 

Auf und nieder, immer wieder

 

Wer den Teufelsberglauf in Angriff nimmt, muss sich darauf einstellen: Gemütlich einlaufen ist nicht angesagt. Gerade einmal zweihundert Meter geht es durch die Wiesen, schon fordert eine steile Kurve durch dichten Wald mächtig die Puste. Auch wenn es gerade einmal zehn Höhenmeter sind, so dürften diese den Puls bei vielen auf 180 beschleunigen. Aber noch gibt sich hier keiner eine Blöße. Nach dieser ersten "Warm up"-Härteprüfung darf man sogleich seine Bergablaufqualitäten testen. Jenseits der Kuppe geht es im Schweinsgalopp hinab und langsam abflachend weiter bis zum im Verborgenen dahin plätschernden Fischbach. Dessen Verlauf folgen wir auf einem schmalen, moorig-wurzeligen Pfad.

Ein wenig eng ist es hier auf der ersten Runde, da das Läuferfeld noch dicht ist. Aber es macht Sinn, das Wegstück entspannt anzugehen, denn nach dieser Verschnaufpause steht uns sogleich Konditionsprüfung Nummer zwei bevor. Knapp 25 Höhenmeter sind es dieses Mal, nur jetzt nicht mehr steil, sondern auf einem breiteren Naturweg gleichmäßig über etwa 300 Meter verteilt. Aber die haben es in sich, wie das schweigende Schnaufen, übertönt nur vom Rascheln des trockenen Laubteppichs, um mich herum belegt. In einem sich sanft durch herbstlich lichten Laubwald schlängelnden Wegstück läuft der Anstieg aus.

Dort, wo ein Meer aus Fichtenstämmen die Lohe verfinstert, zeigt das Wegenetz durch die Lohe ein anderes Bild. Schnurgerade durchschneiden einige breite Forstwege den Wald. Auf diesen Wegen bewegen wir uns in der Folgezeit fort und laufen dabei eine Art Rechteck aus. Einige Streckenposten stehen an den neuralgischen Punkten bereit und sorgen dafür, dass niemand vom rechten Weg abkommt. Ansonsten ist der Weg auch mit Kreidepfeilen auf dem Boden markiert.

Auf einer langen Abwärtsgeraden werden wir in vollem Lauf unvermittelt ausgebremst und auf einen schmalen, steinigen Pfad gelotst. Wieder geht es ein Stück hinauf, bis wir den Wegering erreichen, der rund um das Areal des Teufelsbergs führt. Zu dessen Füßen öffnet sich der Wald zu weiten Wiesenhängen, winters ein Dorado für die Rodler (wenn denn mal Schnee liegt). Ohne Zweifel eine der schönsten Ecken der Lohe ist dies, was auch an den verwunschenen Weihern, ehemaligen Ton- und Lehmgruben, liegt, die zu idyllischen Biotopen umgewandelt wurden. Im Slalom windet sich der Weg, immer neue Ausblicke bietend, durch die Landschaft. Der tempobolzenden Läuferschar dürfte dies vielleicht gar nicht so bewusst werden. Ich kenne es aber, zu jeder Tages- und Jahreszeit, bei jedem Wetter: Denn hier ist mein Laufrevier, quasi direkt vor meiner Haustür.

Aus der Ferne dringt ungewohnter Lärm durch die Stille der Natur zu uns durch. Rasch nähern wir uns der Lärmquelle. Es der Startbereichs unseres Laufs, wo die Laufbegleiter und ein paar Zaungäste die Einlaufenden erwarten und sogleich Beifall klatschend in die nächste Runde verabschieden.

 

Auf ein Neues

 

Gut 3,3 km misst eine Runde, was, mit mathematischem Sachverstand hochgerechnet, bedeutet, dass deren drei zu laufen sind, um die 10 km voll zu machen. Wer viel schwitzt, sollte sich etwas zu trinken mitnehmen oder am Wegesrand deponieren. Denn unterwegs bleibt die Kehle ansonsten trocken. Was zu dieser Jahreszeit aber für kaum jemand ein Problem sein sollte. 

Einen guten Gradmesser für den eigenen Trainingszustand bieten die beiden Anstiege gleich zu Beginn der nächsten und übernächsten Runde. Geht es noch so locker wie auf der ersten Runde oder fühlen sich die Beine schon schwerer an? Das Läuferfeld hat sich jedenfalls kräftig auseinander gezogen. Jeder kann sein Tempo laufen. Und das ist bei vielen ziemlich hoch. Es ist eigentlich erstaunlich. Obwohl der Kurs in keiner Weise "PB-tauglich" ist, sind viele ambitionierte Vereinsläufer am Start und es werden an der Spitze Zielzeiten von unter 35 Minuten erreicht. Der Durchschnitt liegt unter 50 Minuten. Aber vielleicht es auch einfach nur das Gefühl, eins mit der prallen Natur zu sein, was besonders motiviert.

Allzeit ein wenig aufpassen sollte man, wo man hintritt. Denn verdeckt vom Laub lauert an so mancher Stelle Heimtückisches in Form von Gestein, Wurzelwerk oder Morastlöchern. Aber das ist eben Teil eines solchen Laufs und deswegen sind wir hier. Und für so manchen kommt die Traillust gar erst dann so recht auf, wenn er mit kräftigem Tritt mitten in den Matsch stapft und es ordentlich spritzt.

Kurz vor dem Ziel werden wir von unserem Rundkurs abgeleitet und in die Zielkurve geleitet. Auf den letzten Metern dürfen sich die Einlaufenden nochmals auf kräftiges Anfeuern und einen persönlichen Willkommensgruß von Klaus Ruscher per Lautsprecher freuen. Buntes Treiben erwartet uns im Zielbereich. Kollektiv wird das Lauferlebnis mit heißem Tee aufgearbeitet. Die Strapazen stehen so manchem schweißglänzend ins Gesicht geschrieben. Ein bisschen teuflisch sind diese 10 Kilometer eben schon. Aber einig ist man sich in einem Punkt: Es hat wieder Riesenspaß gemacht.

Der Teufelsberglauf ist damit aber noch nicht zu Ende. Nachfeiern ist in der Vereinsgaststätte des ESV Neuaubing angesagt. Einziger Wermutstropfen: Die ist etwa drei Kilometer entfernt und wer eine (Mit)Fahrgelegenheit per Auto hat, ist eindeutig im Vorteil. Entgehen lassen sollte man sich diese Feier aber nicht. Denn zur Tradition des Laufs gehört auch, dass sich eine wahre Pokalflut über die erfolgreichsten Teilnehmer ergießt. Belohnt werden, getrennt nach Männlein und Weiblein, jeweils die ersten drei jeder Altersklasse. Bei einer Wertung nach 5-Jahres-Klassen kommt da Einiges zusammen. Ich bin wie immer nicht dabei und werde wohl noch auf das Erreichen der M70 warten müssen: Da ist dann jeder auf dem Treppchen. Aber selbst, wer keinen Pokal "abstaubt", darf hoffen, gegen Abgabe der Startnummer ein nettes Präsent aus der Tombola zu ergattern.

Und überhaupt: Was schon vor dem Lauf spürbar war, gilt auch und erst recht nach dem Lauf. Das gemeinsame Erleben. Man spürt es bei dieser Veranstaltung weitaus mehr als bei einem der großen, bekannten Läufe. Und das ist es, was die Veranstaltung so überaus sympathisch, ja geradezu liebenswürdig macht. Und so heißt es zum Schluss: Servus, mach`s, gut, wir sehen uns wieder. Spätestens im nächsten Jahr. Beim 41. Teufelsberglauf.

 

 

Informationen: Teufelsberg Crosslauf
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