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Laufberichte

Der ungeliebte Lauf

25.07.09
Autor: Klaus Duwe

Etliche Wanderer mit schweren Bergschuhen und riesigen Rucksäcken kommen uns entgegen und hin und wieder auch ein Mountainbiker – welch ein Kontrast. Ein Bergläufer liegt da ziemlich genau dazwischen. Die Hütte kommt näher, bald hört man die Anfeuerungsrufe und Musik. Viele Einheimische machen sich schon früh am Morgen auf den Weg zur Keschhütte, um den swissalpine hier oben zu erleben. Ich wundere mich nicht lange, dass sie in dicke Anoraks eingepackt sind. Kaum stehe ich an der Verpflegungsstelle ein weinig herum, fange ich an zu frieren. Es ist ganz schön kalt, dazu weht ein ziemlicher Wind. Eine Weile beobachte ich noch, wie Doc Andy Grünenfelder die ankommenden Alpines in Augenschein nimmt, dann mache ich mich auf den Weiterweg.

Das erste Stück abwärts ist sehr steil und beschwerlich, dann wird’s zwar nicht gemütlich, aber besser. Wer nicht aufpasst, erlebt schnell einen schmerzhaften Sturz oder schlimmeres. Dann kommt das, was den K 42 mit zum ungeliebten Lauf macht. Links gehen der K 78 auf den Panoramatrail, rechts geht’s für den Marathon hinunter zur Alp Funtauna. Da wollte ich niemals hin. Jetzt muss es sein. 440 m weiter unten und 5,4 km entfernt liegt die verwunschene Alp. Und wer glaubt, er erwischt wenigstens den besseren Weg, hat sich getäuscht. Der Pfad steht in seiner Beschaffenheit dem Panoramatrail in nichts nach. Nur ganz unten ist er einigermaßen passabel zu laufen. Sonst ist er je nach Höhe felsig, wurzlig, matschig und rutschig. Zeit macht man da keine gut.

Ich muss an Tuffli’s Worte denken: „Wer mit trocken Füßen nach Davos kommt, wird disqualifiziert“. Der OK-Chef spielte damit auf den Zustand der Wege an. Der viele Schnee von letzter Woche ist zwar meist geschmolzen, dafür sind manche Bäche jetzt schier unüberwindbar und manche Wiese eine Sumpflandschaft. Aber sind die Füße erstmal nass, hat der Läufer wieder Spaß.

Hin und wieder schaue ich nach links oben, suche den Berg nach bunten Punkten ab und entdecke auch immer die Läufer auf dem K78. Ich weiß, auch sie schauen nach den Kollegen, suchen die Alm und denken: „Zum Glück bin ich hier oben.“  Sollte allerdings der Panoramatrail einmal nicht passierbar sein, haben alle Alpines das Vergnügen Alp Funtauna (2192 m – 21,2 km). Hier findet der Fotograf alles, was er für ein kitschiges Werbebild braucht: saftige Wiesen, alte Hütten, urige Typen, glückliche Kühe, rauschende Bäche und hohe Berge rundum. Der Himmel könnte etwas blauer sein.

Apropos hohe Berge, da muss ich hin: Scalettapass, 414 Höhenmeter und 2,6 km. Wieder fängt alles ganz harmlos an, der Weg ist gut, die Serpentinen weitläufig. Dann wird es steinig, felsig, winterlich. Schneefelder werden gequert. Aber ein Ende ist absehbar. Von links kommt der Panoramatrail, ich bin wieder richtig, habe mit den K78ern den gleichen Weg. Gleich ist der Pass erreicht. Meine Pause nutzt Thomas, um mich einzuholen. Wir freuen uns über das überraschende Treffen. Gleich zeige ich ihm aber meine blaue (K42) Nummer, damit kein Missverständnis aufkommt. „Ach du Armer“, meint er. „Einmal bin ich den K 42 gelaufen, nie mehr“. Endlich einer der weiß, dass ich den schwereren Weg hinter mir habe.

Jetzt wird’s Ernst. Wenn mein Knie die nächsten 4 km mit 600 HM hinunter nach Dürrboden aushält, dann schaffe ich restlichen Kilometer durch’s Dischmatal allemal. Dieser Streckenabschnitt ist für viele Läufer der schlimmste überhaupt. Obwohl der Weg mit viel Aufwand einigermaßen gerichtet ist, ist er für die Beine eine Tortur ohnegleichen. Und jede Unachtsamkeit wird bestraft. Eben will ein Läufer etwas zu mir sagen, achtet einen Moment nicht auf den Weg, und schon haut es ihn hin. Scheiße, aber Glück gehabt, Hände aufgeschürft, Beinen nichts passiert. Was wollte er sagen? Marathon4you ist eine geile Seite.

Unten sieht man schon den alten Gasthof und die Verpflegungszelte (2207 m – 28,1 km). Zuschauer, Ausflügler und ein gut gelaunter Sprecher sorgen für Stimmung. Mir geht’s gut. Die restlichen 14 km machen mir keine Angst. Ich schaffe es. Mein schwerster Marathon seit meinem Comeback, das steht fest. Nicht einem Moment kommt der Gedanke auf, ich hätte doch den K 78 … Definitiv, ich hätte es heute nicht geschafft. Und zweitens, das sage ich mit innerster Überzeugung schon jetzt: der K 42 ist ein Super-Bergmarathon. Ich lobe mich für die Erkenntnis, Vorurteile sind nur hinderlich.

Egal, ob K 78 oder K 42, ich kann jedem nur den Rat geben, die letzten 14 Kilometer nicht zu vergessen. Auch heute überhole ich auf diesem Abschnitt unzählige Läufer, die ihre Körner verpulvert haben und statt auf dem vergleichsweise gemütlichen und komfortablen Weg genussvoll laufen, mit schmerzverzerrtem Gesicht gehen müssen. Die herrliche Landschaft, die schneebedeckten Berge im Rückblick und  das sonnige Tal voraus haben keine Chance mehr. „Das ist mein letzter K78“, sagt Frank Bielefeld aus Bonn. Klar, ich habe einen tollen Tipp für ihn.

Dass es kurz vor Davos noch einmal links hoch in den Wald geht, weiß ich noch. Das kann mir den Lauf nicht verderben. Ich marschiere die 200 Meter bergauf, dann geht es wieder bequem abwärts. Ich bin nur noch happy. Dass ich diesen schweren Lauf bestanden habe, nehme ich als gutes Zeichen. Ich lasse mich im Sportzentrum feiern und genieße den Augenblick.

Nächstes Jahr hat der swissalpine 25. Jubiläum. Da wäre der K 78 schon das Richtige für mich. Wenn ich aber nicht fit bin, mache ich den K 42 – mit dem größten Vergnügen.

 
 

Informationen: Davos X-Trails
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