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Laufberichte

Von vorne bis hinten eine runde Sache

 

Dann geht es steil bergauf. Müde stapfe ich langsam hinauf. Dass ich dabei ständig überholt werde, macht mich auch nicht lustiger. Über weite Strecken bin ich dann allein. Daher freue ich mich besonders über die Helfer, die an den Abzweigen alles geben, um mich mit ihrem Applaus anzufeuern und dadurch zu motivieren.

Ein Schild weist auf einen riesigen Mammutbaum hin. 1865 ließ König Wilhelm I. von Württemberg ein Pfund (halbes Kilogramm) Samen der urzeitlichen Baumriesen beschaffen und in den Gewächshäusern der Wilhelma in Stuttgart aussäen. 1868/69 wurden diese Pflanzen dann an die Forstmeister der Staatswaldungen verteilt, mit der Anweisung die Bäumchen an möglichst verschiedenartigen Standorten auf verschiedensten Böden zu pflanzen. Hier am Sohlweg gibt es daher heute eine ganze Reihe dieser mächtigen Bäume.

Die Halbmarathondistanz erkenne ich an einem kleinen Hinweisschild, das verheißungsvoll am Wegrand steht. Gleich dahinter kommt dann die nächste VP. Nun achte ich darauf, ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen. Es gibt unter anderem Johannisbeerschorle des Sponsors – lecker und gut zu trinken. Aber auch Apfelsaft wäre im Angebot. Noch ein Stück Banane und weiter geht es bergab. Einigermaßen locker erreiche ich den Talgrund.

Auf einer großen Wegkreuzung haben es sich  Streckenposten und Sanis gemütlich gemacht. Sie feuern mich bereits aus großer Entfernung an. Das macht Spaß und muntert mich auf, bevor es erneut bergauf geht. Auf dem breiten Weg gibt es wenig Schatten. Dafür hat man gute Aussicht nach vorne und nach hinten. Läufer kann ich keine sichten. Da hilft nur, den Kopf ausschalten und weiterlaufen. Irgendwann erwache ich aus meiner Trance und frage mich, ob ich überhaupt noch richtig bin? Keine Markierung weit und breit. Habe ich vielleicht eine Abzweigung übersehen? Am Wegrand entdecke ich eine Bananenschale und die Verpackung eines Gels. Das beruhigt mich  einigermaßen.

Dann erreiche ich endlich einen Streckenposten. Hier geht es links. Zwei Läufer kommen von hinten. Ich hänge mich dran und kann sogar nochmal überholen. Eine freundliche Helferin sitzt mitten auf dem Weg. Es geht erneut links, endlich wieder auf einen Trail. Sie mahnt zur Vorsicht - es sei unwegsam. Ich verspreche aufzupassen und bremse abrupt meinen Schritt, denn es ist wirklich schlecht zu laufen. Wurzelig und von Rinnen durchzogen schlängelt sich der Trail nach unten. Ich muss aufpassen, um mir nicht die Füße zu verdrehen. Unten stehen zur Sicherheit Sanis und applaudieren.

Auf dem breiten Forstweg kündigt ein Schild noch 15 km zu laufende Strecke an. Es geht zur nächsten VP. Schon von weitem werde ich klatschend begrüßt. Man fragt nach meinem Befinden. Wir halten ein kurzes Schwätzchen - das tut gut. Ich trinke wieder ausreichend, dann weisen mich die Helfer auf einen feinen Trail nach oben. Nach einem längeren Anstieg befinde ich mich dann wieder auf einem breiten Forstweg.

Hier geht es nun weitgehend flach geradeaus. Wir überqueren den Goldersbach. Immer weiter zieht sich die Strecke geradeaus. Hinter km 30 erreichen wir die nächste VP. Ein Banner kündigt den „42. Naturpark-Schönbuchlauf“ im Herbst an. Dann kommt nochmals eine Zeitmessmatte. Ich bin total kaputt. Die Helfer versuchen mich aufzumuntern. An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich die Strecke völlig unterschätzt habe. Dazu noch das unerwartet warme Wetter - das gibt mir den Rest. Aber aufhören ist keine Option. Also weiter.

Am Stellenhäusle, einem alten Steinhaus von 1855, sichern Helfer die Straße. Nun geht es ein Stück am Waldrand entlang und dann links auf den nächsten Trail. Der Streckenposten macht mit seiner Rassel Lärm. Er hat an seinem Fahrrad ein Hinweisschild, dass es nur noch 10 km sind. Ich spüre, wie es mir langsam besser geht. Die Sonne ist verschwunden und es weht ein frischer Wind. Der Trail ist wellig und angenehm zu laufen. Die Steigungen kann ich nun wieder kraftvoller gehen und bergab läuft es sowieso. Plötzlich zeigt ein Schild links steil bergauf. Von weitem kann ich schon den Sani sehen, der oben steht und klatscht. Ich bedanke mich und er ruft mir noch gute Worte hinterher, denn es geht schon wieder bergab. Ich kann einen Läufer überholen, was mich zusätzlich motiviert.

Am Rande einer großen Wiese haben zwei gutgelaunte Mädels ihre VP. Wir unterhalten uns kurz. Viele Läufer hätten nach Iso gefragt. Obwohl in der Ausschreibung nur von Wasser und Bananen die Rede ist, gibt es hier zusätzlich Cola. Generell denke ich, dass man das für sich Wichtigste immer selbst mitführen muss. Trotzdem nimmt man meinen Hinweis auf, zukünftig Salz bereitzustellen.

Frisch gestärkt und gut gelaunt nehme ich die letzten 7 km in Angriff. Es geht auf einem breiten Forstweg dahin. Als mir schon langweilig wird, zeigt das bekannte rote Schild nach links den Berg hinauf. Schon von weitem kann ich die gelbe Warnweste eines Helfers erkennen. Er kommt mir entgegen. „Ich hole Dich hier ab“ meint er beim Näherkommen, dreht sich um und läuft an meiner Seite mit. Er sei schon seit 4 Stunden hier und wolle sich die Strecke auch mal ansehen. Er findet es spannend, ständig neue Läufer zu sehen. So unterhalten wir uns, bis wir seinen Standplatz am Abzweig erreichen. Er wünscht mir noch „Alles Gute“ und entlässt mich auf meinen Weg.

Auf dem folgenden Trail liegen plötzlich zwei Baumstämme quer über dem Weg. Eigentlich ist das ja ganz lustig. Das Problem erschließt sich mir erst, als ich vor dem einen halben Meter dicken Stamm stehe. Wie komme ich jetzt drüber? Normalerweise würde ich hoch steigen und hinten herunterspringen. Nach 36 km lassen sich meine Beine allerdings nicht mehr so einfach abwinkeln – zum Hinaufsteigen also keine Chance. Drumherum geht auch nicht. Also suche ich die niedrigste Stelle, setze mich auf den Stamm und wuchte vorsichtig die Beine auf die andere Seite. Der zweite Baumstamm ist niedriger, da komme ich besser hinüber.

Ein Schild zeigt, dass es jetzt nur noch 5 km sind. Die Helfer sind scheinbar dazu übergegangen, jeden Läufer schon auch der Ferne anzufeuern. Unglaublich, was sie für eine Ausdauer haben. Wieder geht es auf einem spannenden Singletrail auf und ab. Einmal muss man sogar auf Grund fehlender Brücken über einen Bach springen. Gut, es sind nur 30 cm - aber hier und jetzt bedeutet das für mich doch eine mittlere Herausforderung. Es geht nochmals über einen Baumstamm, einen wurzeligen Trail und zu guter Letzt noch einen längeren Matschweg entlang. Jetzt sehen meine Schuhe auch noch nach Traillaufen aus.

Dann erreiche ich endlich die lang ersehnten Richtungspfeile vom Anfang. Das bedeutet, dass ich wieder auf dem ersten schon bekannten Stück bin und es nun nicht mehr weit ist. Bei km 40 gibt es eine letzte VP. Die Jungs sind super drauf und geben mir nochmals Schwung mit. Ein Schild zeigt 2 km noch zu laufende Strecke.

Angefeuert von einem weiblichen Streckenposten, geht es ein Stück durch das Wäldchen und anschließend durch grüne Wiesen. Wir sind noch ziemlich hoch, dafür dass das Ziel ja unten in Herrenberg liegt. Eine Helferin weist zu einem Trail, der leicht bergab geht. Auf einem Spazierweg laufe ich erneut an klatschenden Streckenposten vorbei. Unter uns liegt wohl schon Herrenberg hinter den Bäumen versteckt. Mit krampfigen Beinen sehne ich das Ziel herbei. Plötzlich stehe ich vor einer Wegsperrung und dem wohlbekannten Schild, das scharf links zeigt. Hier geht es nochmal richtig steil bergauf! Leise fluchend nehme ich den hoffentlich letzten Anstieg in Angriff.

Oben meint der Helfer: „Nur noch über die Wiese und dann bergab“. Und das mache ich auch. Vor mir liegt Herrenberg in seiner ganzen Schönheit. Am Steintor warten Sanis, damit ich den Einstieg nicht verpasse. Treppen führen hinunter in die Stadt. Es sind nicht die vielen steilen Stufen vom Anstieg, wir befinden uns nämlich direkt an der markanten Herrenberger Stiftskirche. Vor 40 Jahren ist die erste gotische Hallenkirche Württembergs zu unfreiwilliger Berühmtheit gelangt: Es wurde festgestellt, dass der Schlossberg, auf dem die Kirche steht nicht stabil ist. Jährlich wandert die Kirche um einen Millimeter auf die Altstadt zu. 10 Jahre dauerte die Renovierung. In der Glockenstube der Stiftskirche befindet sich ein in Europa einmaliges Glockenmuseum: über 30 läutbare Glocken aus neun Jahrhunderten sind hier zu besichtigen und werden auch regelmäßig gespielt.

Schnell verliere ich an Höhe und finde mich von einigen Schaulustigen angefeuert auf einer steilen Kopfsteinpflasterstraße wieder. Hier heißt es gut die Füße heben und locker hinunter joggen. Ich höre schon meinen Fanclub mit Anja, Kati, Bernie und Greppi, die bereits gefinsht haben. So einen Empfang mit LaOlaWelle bekomme ich sonst eher selten. Norbert läuft schon ins Ziel, um mich dort zu begrüßen. Für mich geht es noch um eine scharfe Kurve, dann ist der Zielbogen erreicht.

Ein Helfer will mir den Zeitmess-Chip vom Schuh schneiden. Geht nicht, ich habe ihn unnötigerweise mit den Schuhbändern befestigt. Also wird erst mal der Schuh aufgemacht. Nachdem ich den Chip los bin, kann ich mich an der Zielverpflegung stärken.

Fazit: Für mich ist dieser Lauf ein wirkliches Highlight. Wer gerne im Wald unterwegs ist, kommt mit dieser Mischung aus Trail und Wanderautobahn voll auf seine Kosten. Klar, wir sind nicht im Schwarzwald oder in den Alpen, aber was hier geboten wird, ist auch für Spezialisten, zumindest als Trainingsstrecke, erste Sahne.

Die Stimmung am Start ist eines großen Traillaufs würdig und die Logistik in Herrenberg sowie das schöne Ambiente am Marktplatz machen die Veranstaltung perfekt. Das Zeitlimit beim Marathon mit sechseinhalb Stunden ist für Einsteiger vermutlich eine Herausforderung, für sie ist der T12 wohl besser geeignet. Die Verpflegung war für mich mehr als ausreichend, wobei ich Salz, Gel und Riegel wie immer, selber dabei habe. Die Helfer waren top motiviert. Vor allem bei meinem langen Tief waren die persönlichen Anfeuerungen eine große Hilfe. Von vorne bis hinten eine runde Sache.

Einen weiteren Laufbericht mit vielen Bildern
gibt es hier auf Trailrunning.de

 

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Informationen: Schönbuch Trophy
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