... für die Veranstalter und auch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Im Falle Saarbrücken bin ich hin und her gerissen. Zum einen habe ich aus meiner beruflichen Vergangenheit eine sehr enge Beziehung zu den Saarländern, zum anderen schreckt mich trotz positiver Verfahrungen (Kevelaer, Rodgau) so ein Rundenrennen noch immer etwas ab. Die Saarbrücker haben sich nämlich für einen 10,5 km langen Rundkurs entlang der Saar und über den St. Johanner Markt entschieden. Nicht ganz freiwillig, wie mir der Orga-Chef Denis Ivanov berichtet. Die Genehmigungen für die Sperrung noch weiterer Straßen im Stadtgebiet waren, zumindest für die Premierenveranstaltung, nicht zu bekommen.
Das Saarland ist mit gut 1 Million Einwohnern (davon leben alleine ca. 180.000 in der Landeshauptstadt Saarbrücken) das kleinste Bundesland. Bisher gibt es im 2.500 qkm großen „Ländle“ nur den Saarschleifen Marathon, dazu natürlich viele andere Laufveranstaltungen mit kürzeren Distanzen. Denn lauffreudig sind die Saarländer schon, und zusammen halten tun sie auch. Das zeigen dann auch die Anmeldezahlen, die trotz der „Marathondichte“ am Muttertags-Wochenende mit 10 Veranstaltungen insgesamt und dem „Abräumer“ Mainz praktisch vor der rheinland-pfälzischen Haustür, die erst bei knapp 2.000 halt machen. Und das ohne Zahlenkosmetik via Bambini- und Jungendläufe oder Staffeln.
Voller Vorfreude reise ich in Saarbrücken an. Im offiziellen Marathon-Hotel „Mercure“ ist man ganz auf die von weit her angereisten Marathonis eingerichtet. Dazu gehören Sondertarife, ein Nudelbuffet der Extraklasse am Vorabend und ein spezielles Frühstück extra früh am Marathontag. Vom Hotel zum Start- und Zielgelände auf den Saarwiesen am Staatstheater sind es gerade mal 15 Minuten zu Fuß.
Dort hat man direkt am Saarufer eine kleine Zeltstadt aufgebaut, das meiste wird sich allerdings im Freien abspielen, wo sich die Saarländer sowieso am liebsten aufhalten. Das sieht man gleich, wenn man durch die Fußgängerzone geht. So viele Straßencafés und –kneipen sieht man nirgendwo anders in der Republik.
Die Startunterlagen gibt es in einem separaten Zelt, wo auch ein paar Verkaufsstände mit Sportartikeln aufgebaut sind. Hier gibt es auch für 4 € eine Riesenportion Pasta. Wer sich rechtzeitig vorangemeldet hat, bekommt das T-Shirt mit dem Aufdruck „Isch hanns geschafft“ gratis. Für die Auswärtigen ist das Shirt vielleicht nichts Besonderes. Die Saarländer stehen drauf. Das Label „made in saarbrigge“, das nicht nur dieses Shirt aufgelegt hat, sondern noch ein ganzes Sortiment nützlicher und weniger nützlicher Artikel mit Dialekt-Zitaten verkauft, hat so etwas wie Kult-Status. Man erzählt mir augenzwinkernd, dass kein Saarländer ohne ein Shirt dieser Marke in Urlaub fährt.
Der Sonntag beginnt für mich doppelt erfreulich. Erstens verspricht der Blick aus dem Fenster einen schönen Tag und zweitens nehme ich mein Frühstück mit Brigitta Biermanski ein, eine weit gereiste Ultraläuferin, die erfolgreich am Trans-Europa-Lauf von Lissabon nach Moskau (64 Tage, 4.600 Kilometer) teilgenommen und darüber ein kleines Buch veröffentlicht hat (Der härteste Lauf der Welt, ISBN 3-8334-3749-9). Bei Gesprächen mit Leuten wie Brigitta vergeht die Zeit wie im Flug.
Wir kommen zeitig beim Staatstheater an, wo wir im Foyer die Kleiderbeutel zur Aufbewahrung abgeben. Es ist noch so frisch am Morgen, dass sich etliche Läuferinnen und Läufer für lange Hosen und Jacke entscheiden. Davon lasse ich mich nicht beeinflussen, kurz ist meine Hose und ärmellos mein Shirt. Ehrlich gesagt, ich habe auf Grund der Wetterprognose auch nichts anderes mitgenommen.
Die knapp 2.000 Läuferinnen und Läufer versammeln sich auf dem nicht allzu breiten asphaltierten Radweg am Saarufer. Auf Startblocks hat man verzichtet. Man sucht die Nähe des Pace-Makers mit der Wunschzeit oder stellt sich hin, wo man will. Trotzdem gibt es nach dem Start kein größeres Gedränge, als bei anderen Läufen in dieser Größenordnung auch.
Ich habe in der Stadt Veranstaltungs-Plakate und Transparente vermisst. Deshalb bin ich bezüglich der Zuschauerbeteiligung etwas skeptisch. Hier am Start spielt sich aber um 10.00 Uhr schon einmal ein richtiges Spektakel ab und bei den Zuschauern handelt es sich bei weitem nicht nur um die Angehörigen der Läuferinnen und Läufer.
Wir laufen in westlicher Richtung entlang der Saar und haben hinter dem Mercure-Hotel einen ersten kleinen Anstieg, bevor nach einem Kilometer der Weg noch etwas schmaler wird. Schon hören wir die Trommeln der ersten Samba-Gruppe, die ihre Instrumente mächtig bearbeitet - wohl auch, um sich warm zu machen. Wir laufen jetzt zweimal rechts herum und sind weg vom Saarufer auf der St. Johanner Straße. Bei km 2 passieren wir das CineStar und laufen dann rechts leicht aufwärts auf die Westspangen-Brücke, wo sich einige Fans postiert haben, die Fahnen schwenken und mit ihren Pfeifen und Tröten einen Lärm machen, als wären sie zu hundert.
In einer großen Schleife geht es hinunter an das Ufer auf der anderen Saarseite. Hier ist die erste Verpflegungsstelle. Es gibt Wasser, Iso, Cola, Riegel und Bananen. Das volle Programm, gleich von Anfang an. Hunger und Durst sollen gar nicht erst aufkommen.
Auf der Saar wird gepaddelt und gerudert, auch Polizeiboote und Rettungsboote sind unterwegs. Es könnte ja sein…. Derweil laufen wir weiter entlang der Wiesen, unter der Luisen- und Wilhelm-Heinrich-Brücke durch. Bei km 4 erreichen wir die Alte Brücke, von der uns von zahlreichen Zuschauern zugejubelt wird. Auch am Ufer haben sich viele Leute versammelt, um den ersten Marathon in Saarbrücken mitzuerleben. Visavis auf dem Start- und Zielgelände geht es natürlich erst recht hoch her. Ein kurzes Stück laufen wir jetzt parallel zur belebten Stadtautobahn, sind dann aber gleich wieder im Grünen. Vor uns sehen wir auf der linken Seite den riesigen Kraftwerks-Schornstein und erreichen bei km 6 die Daarler Brücke, wo die nächste Samba-Band für Stimmung sorgt.
In einer großen Schleife zunächst durch einen Park, dann durch ein Wohn- und Gewerbegebiet kommen wir auf die Brücke und wechseln wieder die Flussseite. Bei km 7 laufen wir rechts in die Bismarckstraße und sind im „tristesten Winkel von ganz Saarbrücken“, wie der Sprecher am Verpflegungspunkt ehrlich zugibt. Es ist eine kurze Wendepunktpassage von ein paar hundert Metern, dann sind wir wieder zurück am wesentlich attraktiveren Saarufer.
Eine teure Wohngegend muss das hier sein. Jedenfalls sehen wir rechts prachtvolle Villen, davor zur Saar hin die öffentlichen Grünanlagen mit Biergärten und Grillplätzen. Die Samba-Rhythmen vom anderen Flussufer sind auch hier noch gut zu hören und machen Beine. Die zahlreichen Gäste und Passanten freuen sich offensichtlich, dass hier mal so richtig was los ist. Jedenfalls klatschen sie den Läuferinnen und Läufern eifrig Beifall und feuern sie an.
Gleich nach km 9 verlassen wir die Saar für einen kurzen Abstecher in die Altstadt, der sich aber lohnt. Auf dem Programm steht der St. Johanner Markt, den wir über den Schillerplatz und die Obertorstraße erreichen. Ich bin sprachlos, als ich die jubelnde Menschenmenge sehe und vor allem höre. Wir laufen zwischen den Absperrgittern quer über den Platz, vorbei am berühmten barocken Marktbrunnen (1759 von Stengel entworfen) und den vielen Kneipen, Bistros und Restaurants, die hunderte von Sitzplätzen am Straßenrand und auf dem Platz eingerichtet haben. Der Saarländische Rundfunk unterhält die Leute, ein Sprecher informiert über den Rennverlauf und begrüßt, soweit er damit nachkommt, die Aktiven namentlich. Wir umrunden die Altstadt, landen im Stadtgraben, laufen am Staatstheater vorbei und sind gleich wieder an der Saar und beenden unsere erste Runde.
Spätestens jetzt werfe ich meine Vorbehalte gegen den 4-Runden-Kurs über Bord. Mir gefällt es ausgezeichnet hier. Die Strecke bietet mit den vielen Grünanlagen und vor allem den langen Passagen entlang der Saar Ansichten, die ganz nach meinem Geschmack sind und die ich nicht alle Tage so attraktiv verpackt präsentiert kriege. Ich freue mich auf die zweite Runde, grüße die Samba-Truppe nach dem ersten Kilometer und sehe auf der anderen Saarseite das 2 Kilometer vor mir liegende Läuferfeld. Bei Kilometer 16 überholt mich dann der führende Rainer Hauch, der nach 2:38 Stunden und großen Vorsprung gewinnen wird.
Ganz so eilig habe ich es nicht. Nach 1:05 Stunden für die erste Runde laufe ich nach exakt der gleichen Zeit zum zweiten Mal unter dem Ziel-Transparent durch. Es wird jetzt deutlich ruhiger, die Halbmarathonläufer sind im Ziel. Vor mir sehe ich 4 oder 5 Marathonis. Bei einer, es ist Kornelia, läuft es sichtbar nicht mehr ganz so rund. Sie klagt über Krämpfe, wie sie sie noch nie bei ihren bisherigen 5 Marathons erlebt hätte. Ich mache ihr Mut und spreche ihr meinen ehrlichen gemeinten Respekt aus, dass sie trotz der Probleme nicht beim „Halben“ ausgestiegen ist. Dann nehme ich wieder mein Tempo auf, drehe mich noch einmal um und sehe, dass auch sie weiter läuft.
Die drei, vier Steigungen unterwegs und an den Brücken nehme ich jetzt schon deutlicher wahr, ohne dass ich sie als beschwerlich bezeichnen will. Bestzeitenjäger sollten das aber durchaus einkalkulieren.
Auf meiner dritten Runde nehme ich den interessanten alten Saarkran erst richtig wahr und lese mir die Hinweistafel durch. 1761 wurde hier unter der Bauleitung von Stengel, der auch den Brunnen am St. Johanner Markt geplant hat, der erste Kran zum Be- und Entladen der Saarschiffe errichtet. 1852 wurde er abgebaut und durch eine Stahlkonstruktion ersetzt. Erst 1989 hat man auf dem ursprünglichen Fundament und nach historischen Plänen den alten Saarkran wieder aufgebaut.
„Ei guck do, 's Brigitte laaft ach mit“, höre ich eine Frau am Straßenrand sagen. Seit Heinz Becker ( "Ei joo!") ist der Saarländer Dialekt ja bundesweit salonfähig. Als ich mir an der Grillstelle für die nächste Runde einen Schwenkbraten bestelle, sagt der Mann am Feuer: „Is gudd, und äh Karlsberg kriegschde ach.“ Hoffentlich macht der nicht Ernst.
Meine schnellste Runde in diesem Rennen geht nach 1:04 Stunden zu Ende. Auch vor der vierten Runde fürchte ich keine Langeweile. Ich genieße Saarbrücken und die Saarländer. Es macht mir Spaß und ich fühle mich wohl. Ein Gespräch hier, eine Aufmunterung dort, so vergeht die Zeit. Die Samba-Gruppe gleich nach Beginn ist mit der gleichen Intensität bei der Arbeit wie vor über 3 Stunden. Wurden die ausgewechselt, oder haben die wirklich so 'ne Kondition?
Die Gruppe an der Daarler Brücke hat allerdings gerade eingepackt und kommt uns mit hängenden Flügeln entgegen. Die haben ihren Marathon hinter sich. Noch einmal den tristen Winkel, dann zurück zur Saar, am Ufer entlang und ein letztes Mal über den St. Johanner Markt. Auch hier ist es etwas ruhiger geworden. Die Zuschauer haben sich von der Absperrung auf die Bestuhlung der Gastronomie zurückgezogen und nehmen von dort aber weiterhin intensiv am Geschehen teil, in dem sie mit Applaus nicht geizen und ihre Bemerkungen und Anfeuerungen loswerden. „Ei Kurt, kumm hemm, 's isch zwee Uhr durch.“ Der gepflasterte Platz ist ja wirklich schön, aber nach 40 Kilometern für die Beine eine Qual.
Gleich als ich rechts zum Saarufer abbiege, beginnt der Jubel und die Schmerzen sind schon jetzt vergessen. Nach wie vor sind viele Menschen auf der Zielgeraden und feiern die Finisher. Eine tolle Atmosphäre. Ich stoppe 1:06 Stunden für meine 4. Runde und bin im Ziel.
Erst bekomme ich die Medaille und dann die Verpflegungstische gezeigt. Alles da: Wasser, Iso, Cola, Riegel und Bananen. Ganz schnell kommt man zu seiner Urkunde: der Chip wird von der Startnummer genommen, automatisch in den Rechner eingelesen und nach ein paar Sekunden ist die Urkunde ausgedruckt.
Knapp 10 Minuten nach mir kommt Kornelia ins Ziel. Ja, genau, sie hatte bei Halbzeit die Probleme mit diversen Krämpfen. Jetzt strahlt sie, ist glückliche Finisherin und alles ist vergessen.
An den zahlreichen Verpflegungs- und Getränkeständen wird fleißig gegrillt und das Bier fließt in Strömen. Wer will da behaupten, nur in Bayern zähle der Gerstensaft zu den Grundnahrungsmitteln?
Als mich Denis erspäht, fragt er mich gleich nach meinen Eindrücken. „Echt gudd“, sage ich, wie ein echter Saarländer, wenn er höchste Anerkennung verteilt.
10,5 km-Rundkurs, hauptsächlich entlang der Saar, mit einem Abstecher in die Altstadt. Komplett asphaltiert, mit einigen Steigungen an den Brücken.
Parkhäuser in der Nähe von Start und Ziel, Kleiderabgabe im Foyer des Staatstheatersin unmittelbarer Nähe. Duschmöglichkeit gibt es im Spark’s Fitness Resort in der Bahnhofstraße nicht weit vom Zielgelände.
Netto-Zeit, rafsec-Chip in der Startnummer
Medaille und Urkunde, T-Shirt bei rechtzeitiger Anmeldung
Alle 2,5 Kilometer Wasser, Iso, Cola, Bananen und Riegel
Im Start- und Zielbereich und auf dem St. Johanner Markt viele Zuschauer. Aber auch unterwegs an verschiedenen Plätzen gute Stimmung.
Laufberichte | ||||||
13.05.07 | Mir hanns druff |
Eberhard Ostertag |