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Laufberichte

Wie fühlt sich ein Marathon an?

28.09.14

Bevor der Wahlkampf in seine heiße Phase eintritt, laufe ich Ende Mai in Stockholm meinen bisher letzten Marathon. Danach versuche ich, mein Laufpensum quantitativ etwa zu halten, was mir in Anbetracht der Aufgabenfülle nur halbwegs gelingt. Wirklich aber leidet die Qualität der gepflegten Fortbewegung, denn in der Regel bin ich froh, eine Stunde zusammenhängend laufen zu können.

Nach dem grandiosen Wahlausgang – ich werde strahlender Zweiter, der Konkurrent nur Vorletzter – ist es drei Wochen vor den nächsten, schon im Frühjahr gebuchten 42,195 km. Der Mensch braucht ja Ziele. So langsam wird mir dann doch etwas anders, als mir bewusst wird, wie intensiv ich den Fettstoffwechsel in den letzten gut drei Monaten trainiert habe. Dazu zählt auch die hart erkämpfte Schutzschicht an Bauch und Hüften. Zwei Wochen vor dem großen Ereignis wage ich mich wieder an einen Zwanziger. Resultat: Drei Tage Muskelkater. Das kann ja heiter werden! Eine Woche vorher folgt ein Halbmarathon mit einigen Höhenmetern. Resultat: Vier Tage Muskelkater.

Ein Marathon fühlt sich furchterregend an.
Vor allem, wenn einem die Muffe geht und 42 km vor einem liegen.

Zwanzig Jahre zurückgeblendet: Mein Freund Manfred wechselt Knall auf Fall aus der Lokalredaktion des Bergsträßer Anzeigers in die der Rems-Zeitung. Nie zuvor gehört, liegt irgendwo im Schwäbischen. Dann schläft der Kontakt etwas ein, wird aber wieder aufgewärmt, als im Jahre des Heils 2007 mein Ultra-Debut beim Albmarathon ansteht. Nett ist es hier, in Schwäbisch Gmünd! Irgendwann musst Du nochmals hierher, sage ich mir. Kaum sind sieben Jahre vergangen, als dann der Remstal-Marathon von Waiblingen mit Ziel in eben diesem Schwäbisch Gmünd ansteht, und schon gibt’s kein Halten mehr. Zudem mein Freund Thorsten angedroht hat, die Strecke mit mir gemeinsam durchstehen zu wollen. Als potentieller 3:15 Std.-Läufer mit einer ähnlich eindrucksvollen Vorbereitung.

Ein Marathon fühlt sich leichter an.
Vor allem, wenn man das zu erwartende Leid teilen kann.

Gute dreihundert km muß ich mit dem Auto nicht mehr an einem Tag zweimal zurücklegen, daher reise ich am Vortag an und gönne mir eine Übernachtung inkl. Kohlehydratebunkern in Startnähe. Merke:

Ein Marathon fühlt sich besser an.
Vor allem, wenn man ihn satt und ausgeruht angeht.

Die Rems entspringt bei Aaalen im Ostalbkreis auf 551 m Höhe, um sich 78 km später bei Neckarems im Kreis Ludwigsburg 350 m tiefer wieder zu verabschieden. Die heutige Aufgabe ist schnell umschrieben: 42 der 78 km werden wir sie entgegen der Fließrichtung auf Schusters Rappen begleiten und dabei neun Städte und Gemeinden durchqueren. Netto sind 99 Höhenmeter zwischen Start und Ziel zu überwinden, insgesamt geht es 228 HM hoch und 131 wieder hinunter.

Schon am Morgen ist klar, daß wir heute einen bombastischen Tag erwischen werden. Noch sind es zwar nur 12°, aber der Himmel ist stahlblau und die Sonne auch schon herausgekommen, so liebe ich das. Thorsten hat am Vortag bereits alles besorgt, daher können wir quasi auf den letzten Drücker ankommen. „Drücker“ ist auch das Stichwort, denn es wäre nicht verkehrt, sich vorher nochmal zu verdrücken. Doch die Konkurrenz ist groß vor dem einzigen von vielen gesichteten Toilettenwagen außerhalb einer Halle (Bürgerzentrum). Hinter mir wird aufgegeben, ich schaffe es noch rechtzeitig und stehe fünf Minuten vor dem Startschuß parat. Es wird in zwei Wellen gestartet, zuerst die mit einer Zielzeit von unter vier Stunden. Ich starte natürlich in der zweiten, nie zuvor war Ankommen in Würde mehr angesagt als heute.

Zunächst sind wir auf einem nur gut zwei Meter breiten Radweg unterwegs, Überholen ist unmöglich und für mich auch völlig unnötig. Rechts von uns plätschert die Rems, das Tempo ist ganz langsam, so kann es von mir aus gerne bleiben. Tut es aber nicht, denn zehn Minuten später verlassen wir diesen lieblichen Anblick, um auf eine breitere Straße zu wechseln. Das gibt Gelegenheit, sich die Mitstreiter um einen herum einmal näher anzusehen. Keule (Klaus Neumann) hat hier ein Heimspiel, Angelika und Eberhard sowieso. Auch Birgit und ihr Norbert geben sich ein Stelldichein und machen einen ganz langen Trainingslauf vor ihrem Großereignis am kommenden Wochenende, laßt Euch überraschen.

Ein Marathon fühlt sich leicht an.
Vor allem, wenn man gerade erst losgelaufen ist.

Im Bereich von Weinstadt treffen wir wieder auf die Rems, um sie bald wieder zu verlassen. Dieses Spiel wird sich ständig wiederholen. Für mich ist das etwas schade, denn ich hatte erwartet, mehr Natur zu erleben. So erfreuen wir uns in den Städten an verstärktem Publikumszuspruch, nicht zuletzt durch die sieben Staffelwechsel. Obwohl wir so langsam unterwegs sind, warten immer noch etliche Läufer auf die Übergabe. Dadurch ist auch richtig etwas los, denn Marathoner, Halbmarathoner und Staffeln laufen kunterbunt durcheinander. Die Stimmung an der Strecke ist phasenweise richtig gut, einige Familien nutzen das Ereignis, um bei herrlichem Wetter das Frühstück nach draußen zu verlegen. Weizensaft steht auch bereits auf dem Ernährungsplan.

Saskia Kelemen ist eine der Attraktionen des Tages, nicht zuletzt durch ihren Husky. Die Hundedame läuft ganz tapfer mit, wird unterwegs gut mit Wasser versorgt, wie ich mehrfach beobachten kann und hält auch, äußerlich unbeeindruckt, bis ins Ziel durch, wo es mir gelingt, beide nochmals abzulichten. Allerdings weigert sie sich leider beharrlich, eine Medaille umgehängt zu bekommen, und ist auch nicht durch gutes Zureden zu überzeugen. Da sind wir Zweibeiner doch aus einem anderen Holz geschnitzt. Schon ein paarmal sind mir auf diversen Veranstaltungen Läufer mit ihren grellorangen Shirts vom Suhler Brückenlauf („Achtung, Läufer auf der Autobahn!“) aufgefallen, heute sind wieder drei gemeinsam unterwegs. Der Rennsteiglaufverein hatte diesen zur Eröffnung der A 73 ausgerichtet, eine tolle Idee, die mich 2006 erstmals läuferisch nach Thüringen führte.

In Remshalden erfolgt nach Passieren schöner Landschaft, vorbei an Obst- und Gemüsefeldern, bei km 10 die erste Zeitnahme. Mit 1:02 Std. vielleicht einige wenige Minuten zu flott, aber das verhaltene Tempo sollte sich am Ende als goldrichtig erweisen.

Ein Marathon fühlt sich klasse an.
Vor allem, wenn man erst zehn km im Joggingtempo hinter sich hat und nicht zu intensiv darüber nachdenkt, was noch vor einem liegt.

Klaus Zwick freut sich über seine Idee eines ausgefallenen Spruchs auf seinem Laufhemd, das ihn gleich zweimal bildlich in diesem Bericht erscheinen läßt. Die Wärme nimmt langsam, aber stetig zu. Ich halte mich zunächst an Wasser, Obst und Riegel lasse ich vorerst links liegen, noch läuft ja alles rund. Schön ist der jetzige Abschnitt, der uns an Maisfeldern und Apfelplantagen vorbeiführt. In Winterbach und später auch in Schorndorf sind die Balkone der Mehrfamilienhäuser gut gefüllt, es wird jede Menge Alarm gemacht und sich über jede Reaktion aus dem Teilnehmerfeld gefreut.

Der bisherige, nicht nur optische Höhepunkt, erwartet uns nach gut 17 km in Schorndorf, dem Geburtsort Gottlieb Daimlers (eigentlich Däumlers, wie ich soeben gelernt habe). Die Innenstadt besticht durch eine herrliche historische Bausubstanz, die durch eine glückliche Fügung kurz vor Ende des 2. Weltkriegs gerettet werden konnte. Optisch ansprechend sich auch die Cheerleader, die sich mächtig ins Zeug legen. Nanu, bin ich denn beim Jungfrau-Marathon? Nein, Seppli Rast ist es nicht, der hier seinen Dudelsack malträtiert, aber alle freuen sich über die Einlage des mir unbekannten Musikus‘.

Ein Marathon hört sich gut an.
Vor allem, wenn man hin und wieder durch musikalische Überraschungen erfreut wird.

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Informationen: Remstal Marathon
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