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Laufberichte

Voll Normaaal!

21.10.12
Autor: Joe Kelbel

Bei km 11 geht es vorbei an der Kathedrale  hinein in die Altstadt, vorbei an trutzigen Bürger-und Adelspalästen. Durch manche Eisengitter kann man einen Blick hinein in die Patios mit ihren weit geschwungenen Sandsteinbögen werfen. Tipp: in der Woche um Frohnleichnam sind die meisten Paläste öffentlich zugänglich.

Steinphinxen bewachen den Eingang zur Prachtstrasse Es Born, der Name geht auf die Ritterturniere zurück. Hausnumer 27 beachten: Barockgarten von 1763. Oben am Placa de la Reina am sogenannten Schildkrötenobelisken gelingt mir ein Foto mit der Tänzertruppe, aber ehe ich die alle beisammen hatte…die scheinen alle Urlaub zu haben.

Die Rambla des Ducs hinauf (benannt nach der Tochter vom König und ihrem Gemahl, die sich während der olympischen Spiele in Atlanta kennengelernt haben). 1403 gab es hier eine grausame Überflutung mit tausend Toten, daraufhin wurde der Fluss an den Passeig Mallorca umgelegt.

Die Avenida Jaime III hinauf über den Carrer Jaume geht es unter herrlichen alten Platanen entlang, auf dieser Begegnungstrecke grüsst man sich, meistens in deutsch.

Ein Jugendstilgebäude bei km 13 reisst mich vom Hocker. Das Läuferfeld ist eng, ich habe kaum Zeit und Platz ein Foto zu schiessen. Es ist das Gran Hotel (1901-1903), beherbergt nun eine Kunstgalerie.

Der Passeig Mallorca wird in der Mitte von einem wunderschönen Kanal geteilt.
Am Compte de Sallent geht es wieder südwärts, nicht weit von hier hat unser Guido zusammen mit Michael eine Finca gekauft. Die Zeitungen haben darüber süffisant berichtet, dass der Aussenminister Deutschlands gerade während der Wirtschaftskrise den hiesigen Immobilienmarkt ankurbeln kann. Aber schliesslich kann man auf Mallorca auch ohne Fremdsprachenkenntnis überleben.

Das Kloster San Francesc bei km 17,7 wurde 1279 unter König Jaume II errichtet.Im Kirchenschiff erinnern rote Kreuze an den Pfeilern an das Gemetzel von 1490 mit hunderten von Toten, bei dem sich zwei Adelsfamilien auslöschten.

Der Plaza Major ist nahtlos umgeben von gelb gestrichenen Häuserfassaden und Arkadengängen, früher schauriger Ort der Inquisition. Heute werden hier nur noch Touristen  ausgenommen, aber das ist es auch wert, es gibt kaum einen schöneren Ort, um sich schröpfen zu lassen. 

Muss schnell weiter, habe schon viel Zeit verloren. Kreuz und quer geht es weiter durch die schmalen Gassen, macht verdammt viel Spass, muss mich aber auch irgendwie in der Enge vor Autos oder Mülleimern quetschen, um nicht beim Fotografieren umgerannt zu werden.

Wir passieren die  Westfassade der Kathedrale. 600 Jahre sammelte man Gelder für deren Bau. Die Vorgängerkapelle glich einer Abstellkammer und die verdorrte und verschimmelte Leiche des Sohnes von Jakob dem Eroberer „mit weit geöffnetem Kiefer und großen Augenhöhlen“ diente  500 Jahre lang als Einnahmequelle.

Hinter der Fassade in dem Stadtpalast aus dem 17.Jahrhundert ist das  Museu de Mallorca. Konrad Adenauer wollte die beiden Rimmonim als Geschenk für Israel gegen den Bau eines Krankenhauses auf Mallorca eintauschen. Diese beiden Rimmonim sind uralte Thoraaufsätze, Art Gebetsmühlen, die einzelnen Sektionen dieser Kultgegenstände haben die gleiche Anzahl wie die Samenkammern eines Paradiesapfels, Knackpunkt der Kabbalahlehre. Aufgrund der Geschichte dieser Gegenstände  über die Jahrtausende hätte Dan Brown viel Freude an den Dingern. Nun, sie sind unverkäuflich, nicht für 10 Krankenhäuser.

Jochen überholt mich am Cuesta del Gas, dem Tankstellenberg. Mit halbgeöffneten Augen ruft er mir zu, dass er bis 3 Uhr heute Morgen am Ballermann getankt hätte. Der Tankstellenberg hat allerdings seinen Namen von den Tanksäulen, die die Strasse in zwei Fahrrichtungen unterteilen. Hier irgendwo habe ich meine Karre geparkt.

Jochen hat fertig, biegt zum Ziel ab, wir Marathonläufer nach links, nach Westen. Für die nächsten Kilometer ist der herrliche Strand der Bucht von Palma unsere Begleitung. Aber zunächst in der zweiten Reihe. Jeder Marathon muss verdient werden und wie in den Berichten der letzten Jahre erwähnt, stellt dieser Teil entlang der Autobahn zum Flughafen jeden Läufer auf eine harte Probe: „Nur noch drei Kilometer bis zum Ballermann!“ So höre ich von den zwei Läufern des Teams Erdinger Alkoholfrei.

In der Schinkenstrasse sind die Rolläden heruntergelassen. Oder ist es die Bierstrasse? Ich bin das erste Mal auf Malle. Enttäuschend der Anblick hier für mich, habe nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Wie Tom Gerhardt mitten im Sangriakessel hocken, vor sich zwei Knackärsche... das ist doch Malle! Aber es gibt nur Wasser, Iso, Äpfel und Bananen. „Voll normaaal“, wie Tom dem Mario immer entgegenbrüllt. Selbst die drei Spanier in Lederhose und Oberbayern-Shirt sind stocknüchtern.

Die Laufstrecke ist genial. Der Wind türmt die Wellen auf, Kitesurfer garnieren mit bunten Segeln  den wilden Himmel. Hämisch grinst mich der  Kiter an. Ich glaube, er will damit sagen, dass wir die falsche Sportart gewählt haben. Unschuldig halte ich die Handflächen nach oben und zucke mit den Achseln. Er hat vollkommen recht. Da flitzen diese Spinner mit Höllenspeed entlang des Strandes und die querrollenden Wellen reissen die Sportler meterhoch in den Himmel, als wären sie schwerelos. Und wir kämpfen mit schwerem Schritt gegen eben diesen Wind, der uns die salzige Brühe über die Laufschuhe fegt und futtern dazu Bananen.

Beim Ballermann 8 verlockt der Aladin Döner Kebap, soll ich, oder soll ich nicht?

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Informationen: Palma de Mallorca Marathon
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