Der Zeitpunkt, um die Startunterlagen abzuholen, naht unaufhörlich. Das unerwartete Zusammentreffen mit den nicht erwarteten „üblichen Verdächtigen“ am Parc de la Mar, unterhalb der Kathedrale reisst mich aus dem Urlaubstrott. Zum Glück stapeln sich alsbald die leeren Plastikbecher, erinnern stark an die Filme mit Tom Gerhardt (Ballermann 6, Voll Normaaal), weswegen ich den berühmten Kinderlauf verpasse, den Lauf mit Windeln und Schnuller, den Lauf für den die TUI 5 Euro pro Kind spendet. Schande über mich.
Die Helfer, die ich spreche, fühlen sich wirklich wie bei Voll Normaaal: Die TUI lässt sich nicht lumpen, für die Studenten der Uni Palma (50 Studiengänge mit Ableger auf Menorca und Ibiza, Vorlesungen auch auf Deutsch) gibt es nicht nur freie Ernährung, sondern auch eine schöne „Aufwandsentschädigung“.
Palma ist erstaunlich ruhig am Sonntagmorgen. Es ist noch dunkel und die Reihen der Blaulichter lenken zum Parkplatzsuchen in die Innenstadt. Ob ich das Auto wiederfinden werde?
Erstaunlich ruhig ist es auch am Startplatz. 8000 Läufer „verlaufen“ sich auf dem riesigen Gelände. Immer wieder wandert der Blick zur Kathedrale, die auf einer Linie zum Sonnenaufgang liegt. Jetzt um 8 Uhr durchdringt die aufgehende Sonne die riesige Glasrosette und produziert 1236 rote, grüne, blaue und orangene Geisterlichter in den Flugstaub des Kircheninneren. Am 11.Nov und 2. Februar entsteht ein doppeltes Schwebebild in der Kirche, am 22. Dezember außerhalb der Kirche, auf dem Platz an der Westseite. Tipp: Ein Besuch während der Messe kostet keinen Eintritt.
Der Glockenturm ist nach Mekka ausgerichtet. Jakob, der Eroberer verlor keine Zeit, als er nach der Eroberung der Insel nach 300jähriger Herrschaft der Mauren die Moschee in eine Kirche umwandelte. Unter dem Turm die Säulen einer byzantinischen Kapelle aus vormaurischer Zeit.
Wir haben Urlaub, kein Läufer hat es eilig, außer denen, die vor dem Block A stehen. Traumhaftes, gleißendes Morgenlicht, kräftiger Wind jagt die salzige Gischt der Palmenallee entgegen. Erst am Paseo Maritimo wird es ruhiger und man hört das klare, helle Schlagen der Takelage an den tausenden Masten der blendendweissen Jachten und Windjammern am königlichen Jachthafen zusammen mit dem Tap-Tap der Laufschuhe. Imponierende, gut aussehende Hotelbauten, darunter das kleine Gebäude des deutschsprachigen „Inselradios“. Die haben schon seit Tagen über den Marathon berichtet und eine Aufregung zwischen den Inselhits verbreitet, die ich mir gerne von deutschen Städten wünschen würde.
Am Real Club Nautico kommen uns schon die Spitzenläufer entgegen. Ganz vorne dabei Sonja Oberem, die Siegerin in Serie. „Lauf Sonjaaa!“ Sehr gute Laufhaltung, so wie ich: Die Füße berühren nur ganz kurz den Boden. Sie schaut mich an, ich schau sie an … und saublöd, sie erscheint nicht in der Finisherliste. Joe ist wieder mal schuld.
Muss dann auch mal die Läufer warnen: Dieser Marathon hier ist nicht für Spitzenzeiten gedacht. Es gibt zuviele langgezogene Steigungen, und niemand, außer dem Marathonläufer, sieht diese Stadt so intensiv.
Blick auf Castell Bellver, der kreisrunden Burg. Am Boden des Turmes gibt es eine Falltür, dorthinein wurden die Gefangenen geworfen, 5 Meter tief. Wer ohne Knochenbrüche überlebte, der konnte sich durchgraben, hinunter in das Höhlensystem unter dem Turm, dort wo es keine Nahrung gibt, nur unendlich weite Gänge. 1802-1808 sass hier der Steuerminister. So mancher Deutsche Minister, der gerade auf Mallorca weilt, sollte sich mal dieses Verlies anschauen, anstatt sich in vermeintlicher Sicherheit zu glauben.
Rechts oben der 24-Stunden Sunsetclub mit Blick auf das Schloss vom Carlos, sehr empfehlenswert, weil hier auch mal so ein Minister zu finden ist, gerade jetzt, wo in NRW Ferien sind. Ich darf aber prinzipiell nur fotografieren, wer Startnummer trägt.
Am Moll de Pelaires (Wollarbeitermole) vorbei zum Porto Pi, Wendepunkt unter alten Kanonen bei km 5,5. Nun geht es zurück in die Innenstadt. Die uns zahlenmäßig überlegenen Halbmarathonläufer kommen uns entgegen, die Uferstrasse ist bunt gefüllt, dahinter thront das TUI-Kreuzfahrtschiff „Mein Schiff“.